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Geheimnis Reichtum: Arbeiterkammer Steiermark fordert mehr Daten für mehr Transparenz
Mittwoch, 8. Oktober 2008
Eine kompakte, aber inhaltlich brisante Studie der steirischen Arbeiterkammer zeigt Mittel und Wege auf, der Nebelwerferei um die Verteilung des Vermögens in der Republik Herr zu werden und damit realistische Grundlagen für eine gerechte Steuer- und Verteilungspolitik zu schaffen.

„Über die Armut und darüber, welche Gründe sie hat, wissen wir viel“, sagt Mag. Karl Snieder, Leiter der Abteilung für Wirtschaftspolitik der AK Steiermark. „Es gibt Armutsberichte aller Art – aber über den Reichtum, darüber, wie er zustande kommt und vor allem über seine Verteilung wissen wir wenig.“ Das liege sowohl daran, dass es seit der Abschaffung der Vermögensteuer an empirischen Daten mangele, andererseits aber auch „der politische Wille fehlt, die Vermögensverteilung per statistischer Erfassung genauer zu durchleuchten.“
Darum hat Snieder gemeinsam mit Mag. Mario Matzer in einer Studie zum Einen existierende Modellrechnungen zur Verteilung des Reichtums auf ihre Tauglichkeit untersucht und zum Zweiten Ansätze aufgezeigt, die mehr Licht in das Daten-Dunkel bringen könnten.

Keine Steuern, keine Daten.
Einleitend fassen die Autoren noch einmal die Gründe für den Nebel zusammen, der über der Verteilung des Reichtums in Österreich liegt: Die schrittweise Abschaffung der vermögensbezogenen Steuern (Gewerbekapitalsteuer Mitte der achtziger Jahre, Vermögenssteuer 1994, Wertpapiersteuer 1995, Börsenumsatzsteuer 2000, Auslaufen der Erbschafts- und Schenkungssteuer 2008) hat der öffentlichen Hand auch das Wissen um die Berechnungsgrundlagen für diese Steuern genommen. Dazu kommt, schreiben Matzer und Snieder, auch „das Festhalten am Bankgeheimnis auch gegen den Widerstand aus Brüssel“ und „die äußerst undurchsichtige – und in dieser Art und Weise in Europa einmalige – Gesetzeslage für Privatstiftungen“. So ist die statistische Basis zur Vermögensverteilung in Österreich „äußerst karg“, während die Einkommensverteilung durch die Erfassung von Einkommens- und Lohnsteuerbescheiden „relativ gut durchleuchtet“ ist.
Die Tatsache, dass auf den ersten Blick relativ viele Personen Vermögen besitzen – Bargeld und Einlagen, Wertpapiere, produzierte (Fahrzeuge und Immobilien) sowie nicht produzierte Vermögensgüter (Grund und Boden) verstellt den Blick darauf, dass dieses Vermögen noch viel ungleicher verteilt ist als das Einkommen.

Berechnungsmodelle und Ergebnisse. Im Folgenden diskutieren Matzer und Snieder mehrere bestehende Modelle zur Berechnung der Vermögensverteilung. So hat etwa das österreichische Wirtschaftsforschungsinstitut die so genannte sektorale Verteilung  des Vermögens der privaten Haushalte analysiert; diese Untersuchung erhebt den Anteil der unterschiedlichen Vermögensarten am Gesamtvermögen (Wifo 1/2006). Diese Zahlen sind vor allem deswegen interessant, weil sie einen Eindruck vom in Österreich in privater Hand angehäuften Gesamtvermögen geben – dieses betrug 2006 857 Mrd. Euro, abzüglich aller Verpflichtungen immerhin noch 759 Mrd. 277 Mrd. davon sind Finanzvermögen, 254 Mrd. Wohnbauten, 164 Mrd. Grund und Boden, 26 Mrd. Fahrzeuge, der Rest diverse andere Bauten. Über die individuelle Verteilung sagt diese Berechnung naturgemäß nichts aus.
Ein anderes Modell, dem Matzer/Snieder allerdings methodische Unschärfen vorwerfen, berechnet die Vermögensverteilung im Wesentlichen in Analogie zur Einkommensverteilung. Das reichste Prozent besitzt danach ein Drittel des Gesamtvermögens (also knapp 286 Mrd. Euro, das wären 3,2 Mio. Euro pro Kopf und Nase, gleiche Verteilung innerhalb dieser Gruppe vorausgesetzt), weitere neun Prozent das nächste Drittel, die restlichen 90% der Bevölkerung das dritte Drittel.
Eine dritte – bereits in der Praxis durchgeführte – Möglichkeit der Analyse der Vermögensverteilung besteht in der Befragung einer ausreichend großen Stichprobe nach ihren Vermögensverhältnissen. Die Österreichische Nationalbank hat eine solche Untersuchung mit 2556 Haushalten durchgeführt und ist dabei zum Ergebnis gekommen, dass die reichsten fünf Prozent der Bevölkerung 38% des gesamten Finanzvermögens besitzen. Allerdings, sagen Snieder und Matzer, krankt diese Form der Untersuchung an mehreren Unzulänglichkeiten – etwa daran, dass Superreiche und ganz Arme darin unterrepräsentiert sind, weil erstere kaum Auskunft über ihre Vermögenslage geben und zweitere (etwa Obdachlose und Anstaltsinsassen) nicht befragt werden. Zudem müssten, sagen die Autoren, in einer Stichprobe der genannten Größe bereits zwei Stiftungen enthalten sein – und diese hätten angesichts eines durchschnittlichen Stiftungsvermögens von 5,9 Mio. Euro die Ergebnisse kräftig in Richtung noch stärkerer Ungleichverteilung verschoben.


Ein pragmatischer Lösungsweg. Angesichts dieser zwar aufschlussreichen, aber letztendlich wissenschaftlich und als Grundlage für politische Entscheidungen doch ungenügenden Herangehensweisen plädieren Snieder und Matzer kurz- und mittelfristig für eine andere Methode zur Berechnung der Vermögensverteilung, nämlich durch die Kombination bestehender Informationen (etwa der Vermögensverteilung bis 1994 und der Einkommensverteilung) mit strukturell bereinigten Daten aus anderen EU-15-Ländern, weil die Verhältnisse (etwa in Westdeutschland oder Schweden) in diesen Staaten vergleichbar mit den österreichischen sind. So ist etwa der Gini-Koeeffizient (eine Maßzahl für Verteilungsgerechtigkeit) der Einkommensverteilung in Österreich und Deutschland sehr ähnlich; da die sonstigen Bedingungen ebenfalls wenig differieren, kann man davon ausgehen, dass sich auch die Vermögensverteilung nicht grundlegend unterscheidet. Die ergibt übrigens für das deutsche Immobilienvermögen einen Gini-Koeffizienten von 0,749 – das bedeutet extreme Ungleichheit.
Längerfristig führe allerdings, sagen die Autoren, kein Weg an einer so genannten „betreuten Panelbefragung“ vorbei, wie sie in Deutschland praktiziert wird. Dabei wird eine größere Stichprobe (Haushalte) über einen längeren Zeitraum hinweg und unter Einbeziehung verschiedener Kontrollverfahren befragt.

Forderungen an die Politik. „Durch die Abschaffung der Vermögenssteuern hat die öffentliche Hand nicht nur viel Geld für wichtige Investitionen und für Transferleistungen verloren“, sagt Snieder, „sondern auch die Datenbasis für politische Steuerungsinstrumente – ohne Kenntnis der Vermögensverteilung sind die EntscheidungsträgerInnen im steuerpolitischen Blindflug unterwegs. Wir wünschen uns jedenfalls, dass ein neuer Finanzminister das Problem der Vermögensverteilung ernst nimmt und die Datenbasis für Vermögenssteuern erheben lässt. Erst dann kann sinnvoll darüber diskutiert werden, wie diese genau ausgestaltet werden sollen.“


Christian Stenner

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