Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Das Kreuz mit der Nachhaltigkeit oder: „Kann Linz von Graz lernen?“
Mittwoch, 8. Oktober 2008
Im kommenden Jahr wird Linz die europäische Kulturhauptstadt sein – vor knapp fünf Jahren neigte sich Graz03 seinem Ende entgegen. Anlass, Bilanz zu ziehen und den Blick nach vorne zu richten.

Im Grazer Stadtmuseum erörterten Politiker und Kulturschaffende zum Thema „Graz09: Klagen und Sparen“, wie derartige Großprojekte „nachhaltige“ Wirkungen entfalten können. Moderator Thomas Wolkinger resümierte Graz03 als „Jubel in der Touristikbranche und Mangelwirtschaft für die Kulturinitiativen“ und stellte die Frage, was man daraus lernen könne.

Kulturhauptstadt und Nachhaltigkeit. Der Intendant von Linz09, Martin Heller, betonte die Vorbildfunktion von Graz. Das breite kulturelle Portfolio habe Linz zwar nicht vorzuweisen, darum sei man angetreten, als „sich verändernde Stadt“ neue Akzente zu setzen. Sein „Claim“ besteht darin, Linz bis 2015 als „interessanteste Stadt Österreichs“ zu positionieren. Für Überlegungen zur Nachhaltigkeit sei es nie zu früh, aus diesem Grund habe man 2007 mit einem intensiven Vorprogramm begonnen: „Im Gegensatz zum Intendanten Lorenz halte ich diese Vorlaufphase für sinnvoll.“

Der ehemalige Grazer Bürgermeister Alfred Stingl räumte ein, dass bei Graz03 „manches besser vorbereitet werden hätte können“, aber kein Anlass für „Trauerarbeit“ bestünde. Man habe sich international profiliert, betont Stingl, etwas bedenklich mutet seine Aussage an, dass man mit neuen Labels wie „Stadt der Menschenrechte“ die geschichtliche Altlast „Stadt der Volkserhebung“ von 1938 aus den Köpfen der Menschen verdrängen könne. Auf der Habenseite nannte er den Aufbau der Infrastruktur, wie Kunsthaus und Kindermuseum.

Kulturplan und Nachnutzung: Fehlanzeige.
Diese Bauten seien ohnehin seit Jahrzehnten überfällig gewesen, replizierte Michael Petrowitsch, IG-Kultur Steiermark: „Einen Kulturplan gibt es dafür bis heute nicht, die Politik bringt sich insgesamt zuwenig ein.“ Christina Jahn (Grüne) brachte die Misere auf den Punkt: „Auf dem Papier haben die Nachnutzungspläne gut ausgesehen, in der Realität wurde die Chance vergeben, die Netzwerke zu erhalten.“ Nicht zuletzt, so Jahn, weil die politischen Nachfolger ihre eigenen Pläne verfolgten.
Für Ex-Kulturstadtrat Helmut Strobl sind die Kulturbauten ein „nachhaltiger“ Erfolg, aber: „Dass die Marke 03 nicht weiter genutzt wurde, ist bedauerlich, und frustrierte Künstler, die nicht zum Zug gekommen sind, maulen immer.“ Als Angesprochene wies Barbara Edlinger (Werkstadt Graz) auf die allgemein schlechte Lage der Kulturschaffenden hin. In den Vermarktungsstrategien der KSG werde das Werk von Künstlern in zynischer Weise benutzt.

Sparen und frustrierte Künstler.
Kulturstadtrat Wolfgang Riedler will den Begriff „Nachhaltigkeit“ nicht mehr hören und verteidigt den Sparkurs: „Das Kulturbudget hat nichts mit Nachhaltigkeit zu tun.“ Dass es Unzufriedene gäbe, liege in der Natur der Sache, man könne diese Events „nicht jedes Jahr wie ein Oktoberfest wiederholen“. Architekt Günter Koberg ortet in Linz weniger Saturiertheit, in Graz könnte man mit dem geplanten Schwerpunkt Architektur (Projekt_A) auf den bestehenden Strukturen ein zeitgemäßes Image aufbauen, das über die Grenzen der Kunst hinauswirke.
In der anschließenden Diskussion wurden – abgesehen von der trotz Kunsthaus kulturell tristen Situation der rechten Murseite, keine neuen Perspektiven eingebracht. Im Schlusswort bekräftigte Heller, dass für „nachhaltigen“ Erfolg in Linz09 klare Entscheidungen wesentlich sein werden: „Wenn man etwa verändern will, werden nie alle Beteiligten einverstanden sein, da muss man sich zusammenraufen.“


Josef Schiffer

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