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Die Kunst, Leben zu formen |
Mittwoch, 8. Oktober 2008 | |
Seinen fünften Geburtstag feiert der Friendly Alien, das Kunsthaus Graz. Umgesetzt nach einem Entwurf von Peter Cook und Colin Fournier, in Anlehnung an Formen des britischen Architektenkollektivs Archigram, das schon zwischen 1960 und 1974 Wohn- und Stadtutopien wie Ron Herrons Walkin City entwickelte, werden solche Blobs heute als biomorphe oder organische Architektur bezeichnet.
Die von Katrin Bucher und Peter Pakesch gestaltete Ausstellung biomorpher Plastik kann naheliegend also mit der architektonischen Form des Hauses in Verbindung gebracht werden, wenn Architektur von vielen ihrer Protagonisten als Skulptur, vielleicht besser mit dem Überbegriff Plastik beschrieben, verstanden wird – wie außen, so innen. An ausgewählten Arbeiten von 19 zeitgenössischen KünstlerInnen wird zwar keine durchgängige Theorie des Biomorphen in der bildenden Kunst geboten, allerdings erinnern die Ausstellungsgestalter an ein Verhältnis zwischen Kunst und Naturwissenschaft, wie es etwa in der Person von Ernst Heinrich Haeckel im 19. Jahrhundert kulminierte. Der wahrscheinlich bedeutendste Verfechter von Darwins Evolutionstheorie beschrieb die Ontogenese (die Entwicklung des Einzelwesens) als „kurze Wiederholung der Phylogenese“, der Stammesgeschichte. Zwar gelten Haeckels phylogenetische Hypothesen heute als unzutreffend; Zeichnungen Haeckels aber, mit denen er seine biogenetischen Überlegungen dokumentierte, sind aus heutiger Sicht in einem Übergangsbereich zwischen Kunst und naturwissenschaftlicher Forschung angesiedelt. Diesem Ansatz versucht man mit der Schau Leben? Biomorphe Formen (sic) in der Skulptur gerecht zu werden. Die Belgierin Berlinde de Bruyckere etwa fertigt Objekte, die an Fragmente tierischer und menschlicher Körperteile erinnern und in Verbindung zu nicht näher zu beschreibenden Hybriden werden. An Körpervisionen im Kontext von Cyborgs arbeitet die Koreanerin Lee Bul. Geschnitzte organische Formen zeigt der Berliner Wolfgang Flad. In einer Stellungnahme zur Arbeit des Chinesen Xiao Yu, erstmals auf der Biennale in Venedig 2001 gezeigt, erklären die Kuratoren ihre Intention, die umstrittenen Objekte in der Ausstellung zu zeigen. Ruan sind sechs Glasbehälter mit Formaldehyd, darin eingelegt die verschiedenen Entwicklungsstadien eines undefinierbaren Wesens. Wirklich sind es tote Tiere, die Xiao Yu gefunden hat, und ein menschlicher Embryo ist ein vormals wissenschaftliches Präparat aus den 1960er Jahren. Die Situation erinnert frappierend an H. G. Wells Insel des Dr. Moreau, auf der ein durchgeknallter Wissenschafter mittels diverser Methoden experimentiert. Bucher und Pakesch erklären in ihrer Stellungnahme: „Auch die Kunst hat – wie die Wissenschaft – das Ziel, über das Leben und seine Bedingungen zu reflektieren und aus Bestehendem Neues zu entwickeln bzw. neue Errungenschaften zu spiegeln. In diesem Sinne sehen wir Ruan als wesentlichen ethischen Beitrag zu zeitgenössischen Diskursen zwischen Genforschung, Biotechnologie bis hin zu den sozialen Auswirkungen von Designerbabys und Antiaging.“ Xiao Yu erklärt zu seiner Arbeit: „Ich wünsche mir, meine grotesk hergestellten Wesen spornen einen an zu bedenken, ob die Fortschritte der Technologie wirklich das Wohl der Menschen mehren.“ Leben? Biomorphe Formen in der Skulptur ist bis zum 11. Jänner im Kunsthaus Graz, Space01, zu sehen. Als 22. Kunsthaus Jour fixe wird am 28. Oktober um 19.00 Uhr zum Thema Science and Fiction, oder: die Freiheit der Kunst diskutiert. Informationen unter www.kunsthausgraz.at Wenzel Mraček
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