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Cash, Crash, Crisis: Die Finanzkrise und die Rolle der Politik
Dienstag, 7. Oktober 2008
Die Finanzkrise – ausgelöst durch ein Wachstum der Finanzmärkte, das jenes der Realwirtschaft um ein Vielfaches übertraf – schlägt nun auf die Realwirtschaft zurück, eine Wirtschaftskrise wie in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts zeichnet sich ab. Die Aufblähung des Finanzsektors hat keine naturgesetzliche Begründung, sondern ist das Ergebnis politischer Entscheidungen zur Deregulierung aller Wirtschaftsbereiche, die bekanntlich – so wurde argumentiert – zu Wohlstandsgewinnen für alle führen sollten, weil nur so Kapital optimal eingesetzt würde. Obwohl nun zu Tage tritt, dass das Gegenteil der Fall ist, gibt es wenig Anzeichen dafür, dass es auf nationaler oder europäischer Ebene zu einer entscheidenden Wende diese Politik kommen könnte.

Einer der fundiertesten österreichischen Kritiker der finanzpolitischen Deregulierung ist der Wiener Wirtschaftsforscher Dr. Stephan Schulmeister. Mit ihm sprach KORSO-Herausgeber Christian Stenner über aktuelle Aspekte der Krise und Möglichkeiten des Gegensteuerns.

Gerne wird die aktuelle Finanzkrise als ein Ergebnis der „Gier“ von einzelnen Personen oder der Banken im Allgemeinen hingestellt; dass sie ohne entsprechende politische Entscheidungen nicht passiert wäre, tritt damit in den Hintergrund.
Gier kann sich nur unter bestimmten Spielbedingungen entfalten. Dazu zählt natürlich die Deregulierung, aber auch die Förderung der Illusion, dass Geld arbeiten kann, die auch von Tochtergesellschaften seriöser Banken genährt wurde, in deren Werbeprospekten die KundInnen dazu aufgefordert wurden, ihr Geld zur Vermehrung den Derivatenmärkten anzuvertrauen.

Welche Entscheidungen zur Reregulierung würden sie vorschlagen? Sind solche auf nationaler bzw. EU-Ebene überhaupt möglich?
Kurzfristig ist es nötig, die betroffenen Institute aufzufangen, aber es müssen ihnen auch Kosten in Form einer Einschränkung ihres Spielraums in Rechnung gestellt werden. Dabei geht es zunächst um eine Limitierung spekulativer Positionen an den Derivatenmärkten. Wer kein echter Hedger ist – also die Absicherung von realen Gütergeschäften betreibt –, für den müssen diese spekulativen Geschäfte erheblich verteuert werden. In Betracht käme dafür eine Finanztransaktionssteuer, welche Spekulation wesentlich stärker belastet als die Absicherungsgeschäfte. Dabei sollten im Fall eines „bubble“ – wie jüngst bei den Rohstoffpreisen – die Steuersätze kurzfristig erhöht werden.
Weiters bräuchten wir im Euro-Raum – besser: im Euro Raum plus Großbritannien – eine Super-Aufsichtsbehörde, welche die Kompetenzen der beiden US-amerikanischen Aufsichtsinstitutionen vereint, nämlich der SEC, der Securities Exchange Commission, und der CFTC, der Commodities Futures Trading Commission – die eine ist für die ,normalen‘, die andere für die Futures- und Optionenbörsen zuständig. Sie müsste auch etwas weiter gehen als die Amerikaner, was die Transparenz betrifft – etwa indem eine Homepage eingerichtet wird, auf der die einzelnen Akteure und ihre spekulativen Positionen abrufbar sind. Als im vorigen Jahr der Reispreis so rapide gestiegen ist, hätte man sofort gesehen, wer dahinter steckt. Ich denke, dass solche Maßnahmen eine pädagogisch-prophylaktische Wirkung entfalten könnten.
Parallel dazu plädiere ich – das ist ohnehin hinlänglich bekannt – für die Einführung einer generellen Finanztransaktionssteuer. Sie könnte dazu beitragen, dass Gewinnstreben wieder von der Finanz- zur Realwirtschaft zu verlagern.
Entscheidend wäre zudem, dass die neue, (gesamt)europäische Finanzaufsichtsinstanz „konvertierte“ Spitzentrader beschäftigt, die über entsprechendes Insiderwissen verfügen. Dazu muss man denen natürlich auch Spitzengehälter zahlen.
Wenn diese Maßnahmen die Euro-Zone plus Großbritannien erfasst, würde es zu keiner wesentlichen „Abwanderungen“ von Transaktionen kommen, da es in der gleichen Zeitzone keinen attraktiven Finanzplätze gibt (deshalb kann es sich Großbritannien leisten, auf Aktientransaktionen eine – relativ hohe Steuer – von 0,5% einzuheben). Setzen nur einzelne kontinentaleuropäische Länder wie Deutschland solche Maßnahmen, so könnte dies schon bedeuten, dass manche spekulativen Geschäfte woanders, insbesondere in Großbritannien, abgewickelt werden; nur: Ich würde denen keine Träne nachweinen, denn wenn man das Casino schließt, würde die Wirtschaft unterm Strich profitieren.

Sehen Sie neben den vielen Verlierern auch Gewinner der Krise?
Die muss es natürlich geben, aber sie sind ebenso anonym wie die Verlierer. Ich habe aber den Eindruck, dass der Zufluss von Amateurseite geringer geworden ist, und das ist wohl auch ein Hinweis darauf, wo die Verlierer sitzen. Der plötzliche Anstieg des Ölpreises vor wenigen Tagen ist ein Hinweis darauf, dass es nach wie vor Gewinner gibt; da muss jemand gewaltig daran verdient haben. Was mich wundert ist, dass die Verlierer überhaupt noch zahlen. Ich hege auch die Vermutung, dass die US-Notenbank versucht, hinter den Kulissen diese Art von Wetten zu unterbinden.

Gegen die Einführung einer Finanztransaktionssteuer wird immer wieder ins Treffen geführt, dass viele der Geschäfte, die damit unrentabler werden sollten, bilateral und nicht über die Börsen durchgeführt werden – damit entziehen sie sich aber jedem Zugriff.
Bilaterale Geschäfte müssen schlichtweg verboten werden, es muss eine zentrale Clearingstelle geben. Wenn sie in Europa verboten werden, verlieren die amerikanischen Spekulanten ihre Wettpartner; damit ist das ganze Spiel ausgetrocknet. Im Übrigen glaube ich – auch wenn das zugegebenermaßen schwer zu beweisen ist –, dass die Wettspiele des Finanzkapitals auch eine Umverteilung zugunsten der USA beinhalten; die dortigen Akteure sind darin einfach besser.

Die öffentliche Hand fängt jetzt mit Steuergeldern die Banken auf und wird – so steht zu hoffen – auch Reregulierungsschritte setzen. Können diese Maßnahmen aber überhaupt längerfristig funktionieren, wenn darauf verzichtet wird, die für spekulative Zwecke einsetzbare Geldmenge durch entsprechende Vermögensbesteuerung zu reduzieren?
Eine kluge Politik wird versuchen, die Bildung von Realkapital statt von Finanzkapital zu fördern. Natürlich wäre es sinnvoll, die Gunst der Stunde zu nützen und die Besteuerung von Einkommen aus Finanzkapital und Realkapital einander anzunähern. Ein tüchtiger Unternehmer liefert ja 50% von seinem Einkommen an den Fiskus ab, der Rentier nur 25%.

 

 

Cash, Crash, Crisis:

Die Finanzkrise und die Rolle der Politik

- mit dem Wiener Wirtschaftsforscher Dr.  Stephan Schulmeister, einem der fundiertesten Kritiker der Deregulierung der Finanzmärkte
- dem Grünen Nationalratsabgeordneten und Volkswirt Mag. Werner Kogler
- dem Grazer Volkswirt ao. Univ.-Prof. Dr. Christian Lager

Moderation: Mag. Christian Stenner, KORSO
Mittwoch, 15. Oktober 2008, 18.45 Uhr
HS 15.13, Bauteil E1, ReSoWi-Zentrum,
Universität Graz
Veranstalter: Grüne Akademie, KORSO, Institut für Volkswirtschaftslehre an der Karl-Franzens-Universität Graz

 

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