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Petra Sterry – Nada ist nicht Nichts
Dienstag, 7. Oktober 2008
Die Wahlen sind vorbei und der öffentliche Raum wird wieder für den Kommerz frei gegeben. Mit Kultur Macht Mensch wird aber auch Kunst auf den Plakatwänden zu sehen sein. Darunter eine Fotografie aus der Serie Hew-Man & Sofia von Petra Sterry. Humans of Fear könnte man den Titel lesen, und dies ist nur eines der Wortspiele, die so typisch für die Arbeiten Petra Sterrys sind. Das Motiv der Fotografien sind Totenköpfe, die Skelette von Hew-Man und Sofia. Modell dafür standen zwei Figuren aus Knetmasse, doch werden die beiden nie das Atelier der Künstlerin verlassen. Zu sehen sein wird nur ihr Abbild, denn Angst und Furcht evoziert, was nicht fassbar, bestimmbar oder benennbar ist.

Petra Sterrys Kunst legt bloß, was hinter der schönen Oberfläche liegt. Sie möchte zum Denken und Hinterfragen anregen. Dabei befasst sie sich mit den Grundbedingungen der menschlichen Existenz – Angst, Gewalt, Sexualität, Tod, Entfremdung, Einsamkeit, die sie in unterschiedlichen Medien umsetzt. Charakteristisch ist dabei die Verbindung von Wort und Bild, die immer eine zweite und dritte Bedeutungsschicht einzieht. Das Sprachspiel, das die Orthografie verbiegt, sich Sprach- und Hörfehler zu nutze macht, Versprechern und Rechschreibfehlern Doppeldeutigkeiten abgewinnt, unterschiedliche Sprachen semantisch miteinander verschränkt, erscheint bald in Bilddichtungen mit glänzendem Graphit auf der weißen Fläche des Blattes, bald auf großformatigen Leinwänden oder Drucken in eindringlichen Lettern.
St. Aigenheim ist ein kalter Ort, gibt die Künstlerin im gleichnamigen Gemälde zu verstehen. „Minimale Verschiebungen, subtile Brechungen, ein versetzter Buchstabe im Wort oder ein verrücktes Motiv in der Abfolge der Bildgegenstände reichen, um das Heimelige mit jener Dimension anzureichern, die ihm bereits die Etymologie verschreibt, das Un-Heimelige, das Unheimliche“, schreibt Rainer Metzger im Katalog The So-called Nada (2008).
Das Heimelige und die Idylle vermitteln auch die Bilder des Videos „Summer Tale“. Gebrochen wird das Idyll erst durch den Fortgang der Erzählung auf der Tonspur: Die Rede ist von einer Mutter, einem Hund, einem Kleiderhaken und Blut. Der Nachmittag hat seine Unschuld verloren.

Traurige Aktualität besitzt die Arbeit Ich erschaffe Leichenkleider nach den Nachrichten über das Massaker an einer finnischen Schule. Leichen sind Konfliktvermeider, Leider, Leider ist da zu lesen. Leere Kleiderhüllen hängen leblos aus dem Nichts herab, sie markieren das Fehlen der Personen und dessen Ursache: Gewalt, Tod.
Doch vielleicht ist auch das Nichts nicht das treffende Wort, zu bestimmt ist es für Petra Sterry. In einer neunteiligen Serie geht sie dem Nada nach. The So-called Nada als etwas, was man nicht fassen kann. Nada ist nicht nichts sondern etwas, aber was? Zu einer Lösung kommt sie nicht, aber darum geht es auch gar nicht. Sie möchte den Zustand, dieses Nada beschreiben, denn mehr als beschreiben kann man es nicht. Es geht letztlich nur darum, einmal die Frage zu stellen, darin sieht Petra Sterry auch ihre Aufgabe als Künstlerin.

In der Arbeit Different Dress Codes aus der Nada-Serie entdeckt man wieder die leeren Kleiderhüllen, auch einen Nussbaum. It’s cruel to play the Nada day by day. My conscience gives me hard nut to crack steht in einem anderen Bild der Serie. Ein Fahrrad spiegelt sich ohne Spiegelgrund. „Manchmal denkt man das Gleiche noch einmal“, meint Petra Sterry. Und was ist wirklich, das Reale oder das Abbild? Die Figuren stehen ohne festen Grund unter den Füßen, schweben oder hängen ins Bild, ihre Gesichter, so sie überhaupt zu sehen sind, sind Totenköpfe, vom Schrecken gezeichnet oder in Bandagen gehüllt. So auch die Hände. Der Verband kaschiert, versteckt, schützt? Doch er schränkt auch die Bewegungsfreiheit ein. Vom oberen Bildrand hängt eine Schlinge. Sie zieht sich wie ein roter Faden durch die Arbeiten der Künstlerin.
In der Fotografie mit dem Titel Poni om e Cent (auch lesbar als Anagramm von omnipotence), die bei einem Brasilien-Aufenthalt entstand, übt ein junger Cowboy mit einem Lasso ein aus einem Tierschädel und einem Bock nachgebautes Rind einzufangen. „Es ist, als ob jemand versuchen würde, den Tod zu fassen“, sagt Petra Sterry dazu. Das wiederkehrende Motiv: Schlinge und Totenkopf. Doch sollte man in den Arbeiten der Künstlerin auch das gewisse Augenzwinkern nicht übersehen. So etwa in der Installation Übung für Anfänger. Viel zu lang wäre hier die Leine mit der Schlinge; die Übung ist wenig Erfolg versprechend.

Vom Mädchen Echo-Lalie, dem Kellermärchen oder einem Mädchen namens Favela erzählen die surrealen Märchen Petra Sterrys. Nachzulesen sind sie in den Katalogen Mortus vivendi, Wien, 2004 und The So-called Nada, Wien 2008. Weitere Erzählungen finden sich in Der Lichthof. Erzählungen, Gedichte, Zeichnungen. Triton Verlag, Wien.

Die Plakate der Serie Hew-Man & Sofia sind außer in Stainz, Deutschlandsberg und Graz noch an anderen Orten in der Steiermark zu sehen. Die Galerie Artepari gibt außerdem eine Edition mit allen sechs Bildern der Serie heraus.
www.artepari.com
www.kultur-macht-mensch.at


Katharina Dilena

 

Kurzbiografie

Geboren 1967 in Graz; 1986-1991 Studium an der Universität für angewandte Kunst in Wien; lebt in Wien und in der Südweststeiermark

Preise / Stipendien (Auswahl)
2005 Staatsstipendium für bildende Kunst | 2005 Preis der Südtiroler Landesregierung beim 29. Österreichischen Grafikwettbewerb | 2004 Arbeitsstipendium des Bundeskanzleramtes für Literatur | 2002 Bauholding Kunstwettbewerb, Sponsorenpreis | 2001 Kunstförderungspreis der Stadt Graz | 2000 Arbeitsstipendium der Stadt Wien | 1999; 1995 Romstipendium des Bundeskanzleramtes

Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen
(Auswahl, 2000-2008)
2008: „The So-called Nada“, Galerie Heike Curtze, Wien (Personale/Katalog)
2007: „Is it a High C or a Vitamin B“, Galerie 5020, Salzburg („Reinheit im Prinzip - Extended Version“, Katalog im Eigenverlag, Hrsg. Felicitas Thun-Hohenstein für Galerie 5020) | „Spannungsfelder“, Galerie Heike Curtze in Salzburg | „Abaddreamaworsedreamevenaworsedream“, Kubinhaus, Zwickledt
2006: „Einblicke - Werke aus der Kunstsammlung der Oesterreichischen Nationalbank“, Europäische Zentralbank, Frankfurt a.Main | Bodyproofs, Galerie Heike Curtze, Salzburg | Open Art, Summerstage, Wien
2005: „29. Österreichischer Grafikwettbewerb“, Galerie im Taxispalais, Innsbruck, Südtiroler Kulturinstitut,Bozen (Kat.) | „Junge Positionen“, Galerie Heike Curtze, Berlin | „Standpunkte“, Galerie Heike Curtze in Salzburg | „Nie steht es nicht bevor“, Minoritengalerie, Graz
2004: „Sieben Frauen“, Albertina, Wien | „Mortus Vivendi“, Galerie Heike Curtze, Wien (Personale, Kat.) | „Ins neue Jahr, weiblich“, Galerie 422, Gmunden
2003: „Ich, Soldat“, Galerie Kunsthaus Muerz, Mürzzuschlag | „Junge Kunst aus Wien“, Storms Galerie, München | „Ex Graz“, Minoritengalerien im Priesterseminar, Graz
2002: „Hohes Haus“, museum in progress , Wien | „Große Zeichnungen“, Stadtmuseum Deggendorf, (Kat.) | „flat public“, Plakataktion der Gruppe 77, Kunst im öffentlichen Raum, Graz | „Nachbild Natur“, Bauholding Kunstforum, Klagenfurt | Bauholding Kunstwettbewerb, Ausstellung der Preisträger, Bauholding Kunstforum, Klagenfurt
2001: „Vielfalt, Einheit“, Galerie Heike Curtze, Wien, Salzburg | „Gesucht: Garten unbefristet“, (Personale) Galerie Heike Curtze, Wien |
„urban und ländlich“ (mit Guido Hoffmann), Soho in Ottakring, Wien
2000: Sammlung Mayreder, Galerie Eugen Lendl, Graz | „Siesta“ (mit Guido Hoffmann), Galerie Eboran, Salzburg | „Gezeichnet fürs Leben“ (mit Michael Kienzer), Galerie Kunsthaus Muerz, Mürzzuschlag

Arbeiten im Besitz öffentlicher Sammlungen: Oesterreichische Nationalbank, Graphische Sammlung Albertina, Bundeskanzleramt-Artothek, Regierungspräsidium Karlsruhe, Stadt Wien, Stadt Graz, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Sammlung Joanneum, Benediktinerstift Admont, Oberösterreichisches Landesmuseum, Landeskrankenhaus Innsbruck, Land Niederösterreich…

 

 

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