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Krebskranke brauchen mehr als Chemotherapie
Archiv - Soziales
Montag, 10. April 2006
Image Foto: Dr. David Kissane: „Die Psychoonkologie zielt darauf ab, die seelische Belastung der Krebspatienten zu vermindern."

Mehr als 200 Ärzte und Psychotherapeuten – darunter viele hochkarätige Wissenschaftler aus Europa und Amerika – trafen von 15. bis 17. März zum 4. Internationalen Psychoonkologie-Symposium im Grazer Kongress zusammen.

Das erst in den letzten Jahrzehnten entwickelte Fachgebiet ist inzwischen eine unverzichtbare Säule in der Betreuung von Krebskranken und ihren Angehörigen geworden. Sein Anliegen ist es, Standards in Pflege und Forschung zu entwickeln bzw. den neuen Behandlungsformen anzupassen.

Der Kongress bot auch eine Plattform für den Erfahrungsaustausch der involvierten Berufsgruppen (Onkologen, Psychotherapeuten etc), betonten die Veranstalter Dipl.-Psych. Elisabeth Andritsch und Dr Hellmut Samonigg, Leiter der Klin. Abt. für Onkologie der MedUni Graz. Mit Dr. David Kissane (New York), der weltweit anerkannten Autorität auf dem Gebiet der Psychoonkologie, sprach für Korso Josef Schiffer.

Wo liegen die Ursprünge der Psycho-Onkologie?
Erste Ansätze gab es in den USA in den fünfziger Jahren, seit etwa 1985 hat sie sich auch in Europa stärker verbreitet. Sie ist ein interdisziplinäres Fach, das die ganzheitliche Sicht des Patienten in den Vordergrund stellt. Hier wirken Ärzte und Psychotherapeuten sowie auch die Palliativmedizin zusammen, um einer zu technisierten Betrachtung der Krebserkrankung entgegen zu wirken.

Welche Methoden kommen dabei zur Anwendung?
Die psychologische Betreuung des Patienten zielt auf seine Mitarbeit am Heilprozess, sodass er die Heilbehandlung konsequent mitmacht und Nebenwirkungen bewältigen kann. Auch die Angehörungen sollten hier in die Schulung einbezogen werden.
Gruppentherapie wird leider oft schlecht akzeptiert, hier ist noch Aufklärung nötig. Prinzipiell sprechen Frauen besser darauf an, Männer sind viel verschlossener. Sie wollen weniger emotionalen Zuspruch, sondern objektive Informationen. Wichtig sind auch Paartherapien, z.B. wenn die Ehepartnerin durch Zurückweisung von Seiten des Mannes zu Depressionen neigt und psychologische Beratung braucht.

Welche Aufgaben hat die Psycho-Onkologie noch?
Ein ganz wichtiges Ziel ist die Prävention von Krebs. Durch Beratung bei erblichen Formen oder Screening-Verfahren haben wir heute eine bessere Früherkennungsrate, etwa in der Brustkrebsdiagnose: So können mehr als 70 % der Fälle völlig geheilt werden.

Ist Stress ein Faktor bei der Krebsentstehung?
Stress als Krebsursache ist ein Mythos, wie Vergleichsstudien aus Skandinavien ergeben haben, z.B. an jungen Müttern, die ein Kind verloren haben.
Beim Heilprozess gibt es schon einen Einfluss durch psychologische Faktoren, aber dass Krebs auf magische Weise geheilt werden kann, halte ich für abwegig.

Sind alternative Behandlungsformen bei Krebs aus Ihrer Sicht sinnvoll?
In ihrer Verzweiflung suchen Menschen oft Zuflucht in Alternativmedizin, aber hier besteht die Gefahr, dass unwirksame Therapieformen nur dazu missbraucht werden, ihnen das Geld aus der Tasche zu ziehen.
Es gibt freilich sinnvolle Komplementärmedizin, wie Akupunktur zur Schmerzlinderung oder Musik- und Maltherapien, aber in jedem Fall muss ein Effekt wissenschaftlich nachgewiesen sein, damit wir diese empfehlen.

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