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Ein tabuisiertes Thema
Montag, 7. Juli 2008
Gerhard Scheucher und Christine Steindorfer: „Die Kraft des Scheiterns. Eine Anleitung ohne Anspruch auf Erfolg.“ Graz: Leykam 2008, 287 Seiten, 24,90 Euro

„Ein tabuisiertes Thema“ hat der Grazer Autor, Unternehmens-, Organisations- und Kommunikationsberater Gerhard Scheucher gemeinsam mit seiner Co-Autorin, der PR-Beraterin Christine Steindorfer, aufgegriffen: Es geht ums Scheitern, ein „No go“ in Zeiten, wo die oberste Maxime allen Handelns „Erfolg“ heißt.
Herausgekommen ist dabei nicht etwa der zigtausendste Ratgeber, wie eben das Scheitern zu vermeiden sei, sondern eine Art Bestandsaufnahme: In Gesprächen mit 31 „ScheiterexpertInnen“ gehen Scheucher / Steindorfer den verschiedenen Strategien auf den Grund, die die Betroffenen im Umgang mit dem Scheitern entwickelt haben – weniger, um diese den LeserInnen als Best-practice-Beispiele vorzuführen, als um zur kritischen Auseinandersetzung anzuregen. Eines ist klar: Unter dem Zwang zum individuellen Erfolg, den das neoliberale Gesellschaftsmodell vorgibt – jeder ist für sich selbst und sein Fortkommen (und Überleben) verantwortlich – gewinnt Scheitern die Eigenschaft einer existenziellen Bedrohung; relativierende Betrachtungsweisen nehmen ein wenig Druck von den Betroffenen. Und das ist ja auch, so Scheucher, das Ziel des Buches: „Man muss scheitern dürfen, um lernen zu können und um in der Arbeitsrealität einer globalisierten Wissensgesellschaft überhaupt erst furchtlos arbeiten zu können. Wir wollen das Eis des Schweigens brechen, eine ,Kultur der zweiten Chance‘ unterstützen und dazu beitragen, scheiterfähige Biografiekonzepte zu entwickeln.“ Und dennoch: Liest man Beispiele wie die des Semperit-Vorstandes Hans Georg Hirschl, dem die Aufgabe zufiel, das Werk in Traiskirchen auf höheren Befehl der Conti-Zentrale in Hannover zu schließen, weil es zwar Gewinn machte, aber eben nicht genug, dann stellt sich dem Leser / der LeserIn die Frage, wer da wirklich gescheitert ist – ein Manager, der sein Ziel, das Werk weiterzuführen, nicht verwirklichen konnte; die Belegschaft und ihre Vertretung inclusive der Gewerkschaft, weil sie dem Druck der Shareholder nicht ausreichend Widerstand entgegensetzen konnte – oder eine Gesellschaft, die in die Geiselhaft der Profiteure geraten ist.
cs

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