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Karajan umzubringen war mir ein Bedürfnis
Montag, 7. Juli 2008
Mike Markart, „Dillingers Fluchtplan oder Karajan umzubringen war mir ein Bedürfnis“, Edition Kürbis, 100 S., 14,90 Euro

Dieses kleine aber feine Buch von Mike Markart kann man aus vielen Gründen mögen. Es lässt sich z.B. durchaus aktuell als Überschreibung einiger literarischer Motive aus den 68ern lesen: Da ist einmal die (literarische) Faszination von einer spielerischen Gewalt des Verbrechens; Dillinger eben, aber auch Dutch Schultz und schließlich „Bonnie & Clyde“. Und dann der Abwehrreflex gegen eine Hochkultur, die durch Karajan wie durch keinen anderen repräsentiert wird. Mike Markart bietet keine schlechte Alternative zu jüngst gelaufenen Karajanfeiern in einem kulturellen Umfeld, in dem Marketing mehr zählt als Haltung. Der Autor selber sieht, wie das Foto auf dem in der Edition Kürbis erschienenen Band beweist, ein bisschen wie einer der leicht narzisstischen Revolutionäre von damals aus: Jugendlichkeit als Pose,  Strohhut, Sonnenbrille, lange Haare und Schnurrbart.
Aber auch das schlichtweg geniale Konzept vom Markarts kleiner, sehr sauber geschriebenen Erzählung lässt sich unter obigem Aspekt lesen. Ein anonymer Ich-Erzähler fürchtet sich einzuschlafen, weil er dann im Körper irgendeines anderen aufwacht.  Eben Dillinger, Karajan, Jesus, Ödon von Horvath, Senna … Und den muss er dann schleunigst (als innere Stimme) zu Tode bringen; immer voll Angst um seinen eigenen Körper,  der derweilen wehrlos in der Wohnung liegt. Neben den Rollenspielen mit Ikonen geht es also (ziemlich heiter) um Schizophrenie, um Entfremdung, darum, dass es kein richtiges Leben im falschen geben kann. Und was Markarts Buch richtig schön macht: Am Ende bricht er den eigenen,  gelungenen Plot und fügt (nach diversen Dankesadressen an öffentliche Förderer) Aufzeichnungen aus dem Nachlass von irgendwem aus einem unveröffentlichten Roman an. Schönes Rollenspiel, schöne Verweigerung!
Willi Hengstler

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