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Correction of the Image / Sihem Bensedrine |
Montag, 7. Juli 2008 | |
Die Erfindung des Anderen, des vermeintlich so Fremden bestimmt ganz
wesentlich die Diskussionen um Flucht, Migration bzw. die Möglichkeiten
und Grenzen von Integration. Der Migrationsdruck geht einher mit dem
Aufstieg des Tourismus zum größten Wirtschaftszweig, der in
modernisierter Form Bilder des idyllischen Anderen vermittelt, während
in den Wohlstandsfestungen Europas der Islam zum großen Feindbild im
vorgeblichen Kampf der Kulturen stigmatisiert wird. Vor diesem Hintergrund thematisiert die Ausstellung „Correction of the Image“ den eurozentrischen Blick auf „den“ Orient. Der orientalistische Blick als westlich-europäisches Konstrukt ist untrennbar verknüpft mit der Geschichte des Kolonialismus. Herzstück der Ausstellung sind Postkarten, die Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden sind. Viele stammen vom österreichischen Fotographen Rudolf Franz Lehnert, der diese gemäß den Erwartungshaltungen eines österreichischen und deutschen Publikums produziert hat. Die heutige Tourismusindustrie vermittelt von den Magrehb-Staaten Bilder sagenhaft schöner Landschaften und Strände. Länder wie Tunesien werden auf ein Produkt ohne reale Menschen reduziert, die stumm, ohne Geschichte und Erinnerungen sind. Die Bilder, die eine verstümmelte Wirklichkeit zeigen, werden in der Ausstellung durch Texte und Fotos kontrastiert, die auf die Realitäten von Flucht- und Migrationsrouten hinter der offiziellen Fassade verweisen. Die kriminelle Heuchelei der politischen Eliten in Europa und den arabischen Ländern, die vom Sicherheitswahn geleitet wird, fördert politische Extremismen und ist verantwortlich für Flucht- und Migrationsbewegungen in Richtung Festung Europa. Ausstellung „Correction of the Image” (Sihem Bensedrine), ISOP, Grazerstraße 9, Feldbach Die Ausstellung ist bis 19. Juli 2008, Mo - Fr: 10-18 Uhr; Sa: 13-18 Uhr geöffnet Ein Kooperationsprojekt von ISOP mit dem internationalen Haus der AutorInnen „Ein differenziertes Bild kann erst entstehen, wenn die Vorurteile abgebaut sind“Mit Ihrer Ausstellung im Rahmen der regionale08 arbeiten Sie an der Korrektur des europäischen Orientbildes – was gibt es da Ihrer Ansicht nach zu korrigieren?Das landläufige Orientbild setzt sich aus zwei Komponenten zusammen – aus einer historischen, nämlich dem klassischen Orient-Mythos, und aus einer aktuellen, die vom „Krieg gegen den Terrorismus“ geformt und entsprechend angstbesetzt ist. Der „Fremde“ – vor allem jener aus dem arabischen Raum – stellt diesem Bild zufolge eine Bedrohung dar. Wir haben uns zur Aufgabe gemacht, ein Bild zu rekonstruieren, das der Realität eher entspricht und sich natürlich auch vom klassischen Orient-Mythos und seinen Fantasmen unterscheidet. Es geht Ihnen natürlich nicht nur darum, den Europäern eine aufgeklärtere Sichtweise über die Menschen aus dem arabischen Raum zu vermitteln … Nein, das ist nur der erste Schritt auf dem Weg zu einem besseren Zusammenleben. Die MigrantInnen aus dem Orient sind in Europa derzeit ja vom Leben der EuropäerInnen ausgeschlossen. Darüber hinaus müssen aber auch die Beziehungen zwischen Europa und dem arabischen Raum gestärkt werden; das Mittelmeer trennt diese beiden Regionen, aber es hat sie in der Geschichte auch immer wieder verbunden. Diese Geschichte war nicht immer, aber doch auch über weite Strecken friedlich – und genau auf diese Epochen müssen wir uns stützen. Auch dazu ist diese „Korrektur des Bildes“ nötig. Ein neues Orient-Bild müsste auch berücksichtigen, dass die Situation der Menschen in den betroffenen Ländern sehr unterschiedlich ist. Natürlich. Ein so differenziertes Bild kann aber erst entstehen, wenn die alten Vorurteile abgebaut sind. Das Herzstück der Ausstellung besteht aus historischen Postkarten … Ja, das Thema der Ausstellung ist der Orientalismus, der den Kolonialismus begleitete. Die Motive stammen aus der Zeit zwischen 1900 und 1930; sie nähren einen klischeehaften Exotismus. Auf diese Weise wollen wir einen Nachdenkprozess über das heutige Orientbild anregen, das ja auch aus Klischees besteht. Das Gespräch mit Sihem Bensedrine führte Christian Stenner. Sihem Bensedrine, Journalistin und Schriftstellerin, ist seit 1980 in einer tunesischen Menschenrechtsorganisation aktiv. Als Galionsfigur des Widerstands gegen die Diktatur Ben Alis ist sie vielfältigen Repressionen ausgesetzt; 2001 wurde sie nach Publikationen über Korruption und Folter inhaftiert. 2002 erhielt sie den Johann-Philipp-Palm-Preis für Meinungs- und Pressefreiheit. Im Rahmen des Projektes „Graz – Stadt der Zuflucht“ lebt und arbeitet Bensedrine nun ein Jahr lang in Graz. Jüngste Publikation auf Deutsch: „Besiegte Befreite. Eine arabische Journalistin erlebt den besetzten Irak“ (2004) und (gemeinsam mit Omar Mestiri): „Despoten vor Europas Haustür. Warum der Sicherheitswahn den Extremismus schürt“ (2005).
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