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A Sketch a Day keeps the Trouble away – Josef Schützenhöfer
Samstag, 5. Juli 2008
Auf der Suche nach Josef Schützenhöfers Atelier in Schloss Pöllau orientiere ich mich, der Vermutung halber, nach lauter Musik. Bruce Springsteen singt von Devils & Dust. Nach mehrmaligem Klopfen an einer Tür im zweiten Stock trete ich einfach ein – ein Vorraum, aber hinter der nächsten Tür wird die Stimme des Boss deutlicher. Auf abermaliges lautes Klopfen öffnet Josef Schützenhöfer; später wird er fragen, ob er mich eigentlich längere Zeit nicht gehört haben könnte, „… because, I’ve got to rock!“

Sein Erzählen ist immer wieder durchzogen von, für meine Ohren, akzentfreiem Amerikanisch. Von 1976 bis 1996 lebte Schützenhöfer in den USA, studierte dort an mehreren Universitäten Malerei und Drucktechniken. Sein Studium finanzierte die US Navy, wo er zuvor im Norfolk Naval Shipyard (NNSY Norfolk VA) in Portsmouth, Virginia, als Zahntechniker in der Marine arbeitete. Zwischendurch erlangte er 1994 die Nostrifizierung seines Bachelor und Master of Art an der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien. 1996 kam er mit seiner Frau Janice und Sohn Louie nach Österreich und lebt seit 1996 in Pöllau.

On this foreign Field. Ende Juni, zur Zeit meines Besuches, ist Schützenhöfer mit der Fertigstellung zweier Projekte beschäftigt: Nach Zusammenarbeit mit Schülern einer 4. Klasse der Hauptschule Kaindorf wurde inzwischen im Rahmen einer Feier am 30. Juni das Gedenkobjekt On this foreign Field installiert und übergeben. Es handelt sich um eine von den Schülern gefertigte Plastik in Form eines gleichseitigen Dreiecks von etwa einem Meter Seitenlänge, angelehnt an die zu einem Dreieck gefaltete Fahne der USA, wie man sie gefallenen US-Soldaten auf den Sarg legt. Der Kern aus Holz ist teilweise mit dem Aluminiumblech eines im Februar 1944 von einem deutschen Jagdgeschwader im Pöllautal abgeschossenen B24-Bombers belegt. Der Bomber namens Ramp Tramp war, nach missglücktem Angriff auf ein Kraftwerk bei Regensburg, auf dem Rückflug zur Basis in Apulien, ging aber nach Treffern und Explosion in der Nähe des Anwesens Pöttler vulgo Dieterbauer in Rabenwald bei Pöllau nieder. Elf Mann der Besatzung, darunter der Pilot Harry W. Moore, kamen ums Leben. Die Namen dieser Toten, Befreier vom NS-Regime, sind auf diesem Gedenkobjekt eingestanzt, das nun am Bauernhof von Josef Pöttler aufgestellt ist.
Die Vorgeschichte zu diesem Projekt, das im Titel ein Zitat von Walt Whitman aufnimmt, reicht aber zumindest bis in das Jahr 2000 zurück. Noch in den USA hatte Schützenhöfer den Text des amerikanischen Dichters zum ersten Mal als Epitaph für dort bestattete deutsche Marinesoldaten in North Carolina gelesen. „Damals, an dieser Stelle“, schreibt Josef Schützenhöfer in einem Statement, das zurzeit auch in der Ausstellung Schützenhöfer vs. Schützenhöfer in der Grazer Burg zu lesen ist, „schien mir bemerkenswert, dass sich die Amerikaner die Großzügigkeit erlauben, an das Grab des Feindes die Wörter ihres ‚Poeta laureatus’ zu legen. Im Amerikanischen würde man das als ‚compassion’ bezeichnen.“ Compassion vermisst der so unruhige wie engagierte Geist Schützenhöfer angesichts des in der Schlossanlage von Pöllau residierenden Blasmusikorchesters Kernstock Kapelle, vor allem aber vor dem Kriegerdenkmal des Österreichischen Kameradschaftsbundes im Schlosshof. So schlug er im Jahr 2000 dem damaligen Pöllauer Bürgermeister ein erstes Konzept On this foreign Field vor, weitere Vorschläge erfolgten 2003 und 2005. Nach Ablehnung aller Konzepte unternahm Schützenhöfer im Jahr 2006 einen weiteren Versuch: Eine Widmung für den Piloten der abgeschossenen Ramp Tramp mit dem Titel Liberator / Harry Moore sollte in Sichtweite des Kriegerdenkmals angebracht werden – abgelehnt. Im Februar des Vorjahres hatte Josef Schützenhöfer das Bildnis Liberator (Harry W. Moore) in seiner realistischen Manier mit gefaltetem, vor der Brust gehaltenem US-Banner, barfuß und in Fliegerhosen, stehend vor dem Hintergrund eines Tragflächenteiles des B24-Bombers, fertiggestellt. Das Angebot, das Bildnis des Liberators der Gemeinde Pöllau zu schenken, um es im Durchgang zum Kriegerdenkmal anzubringen, wird endgültig vom Bürgermeister abgelehnt. Dagegen aber konnte jetzt die beschriebene Initiative mit der HS Kaindorf und dem Landwirt Josef Pöttler realisiert werden.

Schützenhöfer vs. Schützenhöfer. Bis zum Oktober ist eine Ausstellung mit Arbeiten von Josef Schützenhöfer im 2. Stock der Grazer Burg, im Foyer und Gang zu den Büros von LH-Stv. Hermann Schützenhöfer, zu sehen. Die Familie betreffend sind der Maler und der Politiker entfernt verwandt; so gar keine Verwandtschaft allerdings besteht in der politischen Orientierung. Und damit erklärt Josef auch den kleinen Zynismus des versus im Ausstellungstitel, der immerhin augenzwinkernd auch auf die Einladungen gedruckt wurde. Eingangs dominiert das Bildnis von Harry W. Moore mit dem Schriftzug Liberator. Und was die Pöllauer nicht geschenkt haben wollten, verspricht Hermann Schützenhöfer: nämlich den Liberator für die Sammlung in der ÖVP-Zentrale auf dem Karmeliterplatz anzukaufen. Mit diesem „Porträt“ sind allerdings noch einige Merkwürdigkeiten verbunden, über die der Maler ein erweitertes Bezugsgeflecht entwickelt. Bei allen Nachforschungen, die Schützenhöfer über den Absturz des B24-Bombers und seine Besatzung unternahm, konnte er kein Foto von Harry W. Moore finden. So gab er ihm die Züge von Walker Evans (1903–1975), der als Fotograf der Farm Security Administration in seinen Bildern aus der Zeit zwischen 1935 bis 1938 das Elend der US-Farmer dokumentierte. 1941 erschien Evans’ Band Let Us Now Praise Famous Men (Zum Lob der großen Männer), eine Bild-Text-Dokumentation des Lebens der kleinen Farmpächter im Süden der USA. – On this foreign Field wird weitergeführt: Schützenhöfer konnte Dr. Robert Otto ausfindig machen, mit dem er seit Ende des Vorjahres korrespondiert. Der heute 85-Jährige lebt in Washington State und war Besatzungsmitglied der Ramp Tramp. Bisher ist es LH-Stv. Schützenhöfer, der versprochen hat, einen Besuch von Dr. Robert Otto in Pöllau zu ermöglichen – und Otto hat in einem jüngsten Brief bereits zugesagt. Aber der Künstler hat schon wieder eine Idee und die führt erneut zum Kriegerdenkmal im Pöllauer Schlosshof: Ein Crewfoto der Ramp Tramp (ohne Harry Moore), das Dr. Otto zur Verfügung gestellt hat, soll als Siebdruck vergrößert und mit dem Liberator-Schriftzug im Durchgang angebracht werden. Dazu käme ein eben gefundenes Foto „einer Gruppe russischer Soldaten, die ja auch Befreier sind“.

FR. SCHWARZ und die PräsidentInnen. An einem zweiten Projekt, habe ich eingangs bemerkt, arbeitete Josef Schützenhöfer während meines Atelierbesuchs. Inzwischen ist die Serie lebensgroßer Porträts von ArbeiterInnen der Firma Triumph in Hartberg im Rahmen der Ausstellung Land of Human Rights: Womit verdienen Sie Ihren Lebensunterhalt? bei <rotor> in der Grazer Volksgartenstraße 6a zu sehen. „Allein dadurch, dass ich sie male, erweise ich ihnen meine Referenz. Und eigentlich fühle ich mich zwischen Werks-Arbeiterinnen und Arbeitern wohler als etwa im Publikum einer Vernissage.“ Es war nicht einfach, von der Betriebsleitung eine Genehmigung für dieses Unterfangen zu erhalten. Schützenhöfer durfte auf Intervention von Frau Schwarz, Obfrau des Betriebsrates, Fotos machen, nach denen er die Porträts in lasierender Ölmalerei auf Sperrholzplatten anlegte. „Es ist eine sehr lineare Malerei. Mir gefällt das, wenn ich auch Falten in Gesichtern wiedergeben kann, aber den Frauen gefällt das weniger.“
Nach dem Tod von Bundespräsident Klestil stellte Josef Schützenhöfer den schon vor Jahren ergangenen Auftrag zu einem Porträt für die Präsidentengalerie fertig. Ein erster Versuch wurde abgelehnt, nachdem er das für diesen Zweck und nach Meinung der Witwe Klestil zu ernste Gesicht des Präsidenten während der Regierungs-Angelobung 2000 zur Vorlage verwendet hatte. In einer aktuellen Serie nimmt Schützenhöfer das Thema Präsidentenporträt wieder auf und malt Menschen seines Umfeldes als Präsidenten: In Arbeit befinden sich Porträts von Janice, aber auch der Künstler Martin Behr und Günther-Holler Schuster (G.R.A.M.), die ihrerseits vor wenigen Jahren schon eine Fotoserie Präsidenten nach ähnlicher Intention ausführten. Ein smartes Konzept um künstlerischen Austausch und Respekt gegenüber Personen und Gleichberechtigung.
Zu einer Reihe von kleinformatigen Pastellbildern, Details von Landschaften zwischen Natur und Einbauten, die derzeit ebenfalls in der Grazer Burg zu sehen sind, erklärt der Künstler Schützenhöfer: „Ich bin ein Arbeiter. Wenn ich gerade einmal nicht mit einem langfristigen Projekt beschäftigt bin, muss ich zumindest täglich eine Skizze nach gerade sich bietenden Motiven anlegen. A Sketch a Day keeps the Trouble away.“

Freundschaft, Hr. Schützenhöfer!
Wenzel Mraček


KURZBIOGRAFIE

1954 geboren in Vorau/Steiermark, lebt und arbeitet nach langjährigem USA-Aufenthalt seit 1996 in Pöllau/Stmk.

Ausbildung
1994: Hochschule für Angewandte Kunst, Wien, Nostrifikation Mag. art
1984-87: Maryland Institute College of Art, Baltimore/Maryland, USA
    Master Class of Painting bei Grace Hartigan und Sal Scarpitta, Master of Art
1980-84: Old Dominion University Norfolk/Virginia,
    USA Bachelor of Arts/Painting and Printmaking
1977-80: Dental Hygienist, United States Navy, NNSY Norfolk VA
1876-77: USN School of Dental Science/San Diego, Cal. DN
    Zahlreiche Ausstellungen in Europa und USA (Auszug)
2006 April–Mai: Kunst kommt von Arbeit, Zeitschrift Wespennest, an der Fassade Rembrandtstrasse 31, 1010 Wien
2006 Feb-März: Bühne Land, Forum Stadtpark/Graz
2005 Mai-Nov: Lauter Helden (NÖ Landesausstellung/Heldenberg, Doppelporträt Kommandant und Idol)
2004: Reich oder Arm, Literatur im März/Kunsthalle Wien
2003 Okt: Joseph Schuetzenhoefer at the ODU Gallery/Norfolk, Virginia
2002 April: Schützenhöfer applies Labour to Art, Retzhof/Leibnitz
2001 Sept: Oh Lord Would You Buy Me a Mercedes Benz Unimog and other Things Please!, Technisches Museum/Wien
2000 März: Diagonale Graz, Filmdokumentation von Christian Reiser über die Art Comes from Labor-Installation
1987 Juli: Sweet Land of Liberty, Gallery 33 Art Center/Baltimore, Maryland
    World War II Drawings, Grey Gallery New York University

Awards
1996: NEA Award for Painting (National Endowment for the Arts)
1985: Graduate Fellowship, Richmond Museum, Richmond/VA
1983: Undergraduate Student Fellowship, Richmond Museum,Richmond/VA
1981: Student Fellowship, Hermitage Foundation, Norfolk/VA

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