Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Reininghausgründe: Im Visier des „Lobbyingplanquadrats“
Samstag, 5. Juli 2008
Image
Seit mehr als drei Jahren ist die Asset-One AG im Besitz eines der größten noch unbebauten Areale im Grazer Stadtgebiet. Im Bestreben, die Reininghausgründe zu gutem Geld zu machen, zieht der Developer sämtliche Register modernen Marketings und Lobbyings.
Ihr Gegenüber, die Stadt Graz, hat es bis jetzt verabsäumt, durch klare Vorgaben eine Entwicklung des 54 Hektar umfassenden Quartiers im Sinne der Kommune zu gewährleisten; das soll sich jetzt aber angeblich ändern.

Graz, Kaiserfeldgasse 2. Eine noble Adresse in bester Stadtlage, die für die Entwicklung der Reininghausgründe, 1,8 Kilometer vom historischen Zentrum entfernt, nicht ganz unwesentlich ist. Hier, in den Büroräumlichkeiten der Asset-One AG werden keine kleinen Brötchen gebacken, soviel steht fest. Roland Koppensteiner, Vorstandsvorsitzender der Asset-One AG (siehe Interview) sitzt in seinem chicen Büro mit aufgemalten Hirschgeweihen an der Wand und erzählt von den Herausforderungen, die die Planung eines „urbanen Stadtteils mit kleinteiliger, durchmischter Nutzung und Platz für 12.000 Menschen“ mit sich bringt. Asset-One meint es offenbar ernst mit der Projektentwicklung für die historischen Gewerbegründe im Grazer Westen. Eile verspürt man beim Developer nicht – in drei bis fünf Jahre sollen die Baumaschinen auffahren. „Wir wollen uns nicht unnötig hetzen lassen und müssen dies aufgrund unserer wirtschaftlich guten Situation auch nicht“, sagte Koppensteiner auf einer Veranstaltung Anfang Juli in Graz.

„Verdichtete Visionen“. Seit der Gründung der Asset-One im Jahr 2005 wurden „Szenarien erdacht“, Grünraummodelle präsentiert und Visionen zur Nutzungsvielfalt oder Mobilität „verdichtet“ (O-Ton Koppensteiner). Noch im Herbst dieses Jahres sollen „Stadtmodelle für Graz-Reininghaus“ veröffentlicht werden, 2009 möchte Asset-One „einen Rahmenplan vorstellen, der die rechtlichen Vorgaben der Stadt bereits beinhaltet“ (Koppensteiner) und Ausgangspunkt für konkrete Planungsvorstellungen von Teilgebieten der Liegenschaft darstellen soll. In knapp zwei Jahren sollen die ersten Investoren tätig werden – Asset-One wird als Entwickler in Graz lediglich planen und nicht realisieren.
Durch eine atypische Herangehensweise bezauberte Asset-One von Anfang an die urbanen Eliten. Da wurde ein dialogischer Nachdenkprozess auf breiter Ebene initiiert, den zu diversen Anlässen eingeladenen ExpertInnen wurde Zeit und Raum, den Verantwortlichen der Stadt Graz Kooperation in Aussicht gestellt. PolitikerInnen, ArchitektInnen und Kulturschaffende sind charmiert von der Art, wie sie von Asset-One umworben werden und welchen Wert die Developer auf ihre Meinung legen; so erinnert  Jürgen Fortin, als Unternehmer und Innovationsstaatspreisträger Teilnehmer an einer von Asset One ausgerichteten „Denkwerkstätte“, sich noch heute an den „professionellen und behaglichen Umgang“, der dort mit den TeilnehmerInnen gepflogen wurde.

Im Visier des Lobbyingplanquadrats. Dass diese Charmeoffensive vor allem Teil einer ausgeklügelten Lobbyingstrategie ist, zeigt ein Strategiepapier der Agentur Pleon Publico, die für die Realisierung des Salzburger Immobilienprojekts von Asset-One die Öffentlichkeitsarbeit abwickelte und die laut Barbara Gigler, Pressesprecherin von Asset One, auch „unsere Öffentlichkeitsarbeit für Graz-Reininghaus unterstützt“. Das Papier schlägt die  „Identifizierung von Dialoggruppen“ wie beispielsweise „Politiker, Anrainer,…mögliche Gegner des Projekts“ vor, die „in einer intensiven Recherche genau definiert“ werden sollen. Ferner empfiehlt es die Formierung eines „Lobbyingplanquadrats“, in dem potentielle Ansprechpartner „so weit wie möglich gelistet und bewertet werden“. Daraus soll wiederum eine „Argumentationslinie“ entstehen, die respektive einer „Einschätzung der Hebelpunkte zu den handelnden Personen“ genau feststellt, „welche Argumente für wen bestimmt sind“. Schlussendlich soll nach der „Identifizierung einer Supporterlobby“ ein allgemeines „Argumentarium und Wording, das inhaltlich auf dem Nutzen des Projekts für die Stadt Salzburg aufbaut“ als Kommunikationsbasis dienen.

„Ein Netzwerk an Wertebündeln“.
Tatsächlich hat Asset-One in Graz ganz gezielt Reputation aufgebaut. Für die Denkwerkstätte „Werkstadt017“ hielt man zusammen mit dem Institut für Markenentwicklung Ausschau nach Personen aus dem Wirtschafts- und Kulturbereich, um deren Ideen „für eine Stadt der Zukunft“ zu lukrieren. Dafür konnten unter anderen der ehemalige Wirtschaftslandesrat Herbert Paierl und Styriarte-Intendant Mathis Huber gewonnen werden. Ebenfalls mit an Bord waren der Stadtbaudirektor Bertram Werle sowie der Leiter des Stadtplanungsamts Michael Redik. Der Clou an der Geschichte: Beide arbeiteten keineswegs in ihrer behördlichen Funktion, sondern vielmehr als Privatpersonen und Bürger der Stadt Graz mit. Der Grundtenor der 32 GrazerInnen, die die „Redaktion“– der „werkstadt017“  bildeten, ist im Nachhinein einhellig positiv: In vier Ressorts (Leben, Arbeit, Bildung und Urbanität) gegliedert, führte man Interviews mit ExpertInnen durch und besuchte auf Kosten von Asset One europäische Städte, um sich von deren städtebaulichen Konzeptionen inspirieren zu lassen. Das Ergebnis liegt seit Herbst 2006 in Form eines mehrere hundert Seiten dicken Buches unter dem wohlklingenden Titel „Konzeptionen des Wünschenswerten“ vor. Damit nicht genug, entwickelte man daraus eine so genannte „Struktur der Eigenschaften“. Ihre Intention: „Die ‚Struktur der Eigenschaften’ ist ein Netzwerkes an Wertebündeln und stellt zentrale Wünsche an die Zukunft verdichtet dar“, so die Information der Asset-One auf ihrer Homepage. Der ehemalige Leiter des Amtes für Stadtentwicklung und Stadterhaltung Hansjörg Luser (siehe Interview) bringt das Wortgeklingel auf den Punkt: „Das ist eine qualitativ hoch stehende Werbestrategie, nicht mehr und nicht weniger.“

Von einem neuen Standort für Joanneum-Research ist nichts bekannt. Darüber, wer die Investoren sein könnten, die nicht nur „Wünsche verdichten“, sondern reale Gebäude errichten wollen, wird gegenwärtig noch gerätselt. Laut Roland Koppensteiner ist es „noch zu früh, um Namen zu nennen“. Investoren, die „städtische Funktionen übernehmen könnten“ (Koppensteiner) werden allerdings schon jetzt gehandelt. Koppensteiners Wunsch nach einer Aufwertung der Reininghausgründe zu einem „neuen Standort für das Joanneum Research“ wird allerdings vermutlich unerfüllt bleiben: Das Büro der zuständigen Landesrätin Kristina Edlinger-Ploder verlautbarte gegenüber dem KORSO, dass es derzeit keine derartigen Pläne gebe.
Sollten Investoren ausbleiben, die sich den „Konzeptionen des Wünschenswerten“ unterordnen, gibt es einen Last Exit: „Die andere Alternative, wenn wir scheitern sollten, bleibt noch immer offen“, sagt Roland Koppensteiner. Soll heißen: Es gibt immer noch die Option, das Grundstück ohne entwicklerische Vorgaben an die Meistbietenden zu verkaufen. Die Wertsteigerung für Asset One dürfte auch in diesem Fall gesichert sein, vorausgesetzt, die öffentliche Hand spielt mit: Der Großteil der Flächen wurde zu einem offenbar unschlagbar günstigen Preis als Gewerbegebiet erstanden, die teilweise Umwidmung in ein Wohngebiet und die Anbindung an die von der Stadt ohnehin geplante Straßenbahnlinie nach Don Bosco hätten in jedem Fall eine massive Wertsteigerung zur Folge.
Ob nun Asset One seine Vorstellungen doch konkreter formuliert oder tatsächlich Investoren auf den Plan treten – in jedem Fall ist die Politik gefordert, endlich Vorgaben für die Bebauung und Erschließung des Areals zu machen, das so groß ist wie die gesamte Grazer Altstadt inklusive Schlossberg. Die ressortverantwortliche Stadträtin Eva Maria Fluch verweist auf einen Zeitplan (siehe Interview), den die Stadt im Einvernehmen mit Asset-One umsetzen möchte. Darüber hinaus fordert Fluch aber berechtigterweise auch Sicherheiten ein: „Wenn wir als Stadt bereit sind, in Infrastruktur zu investieren, dann muss auf der anderen Seite schon klar sein, was dort entsteht.“

Gregor Immanuel Stuhlpfarrer, Christian Stenner

» Keine Kommentare
Es gibt bisher noch keine Kommentare.
» Kommentar schreiben
Nur registrierte Benutzer können Kommentare schreiben.
Bitte melden Sie sich an oder registrieren Sie sich.
 
< zurück   weiter >