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Stadtrundgänge zwischen deutscher Grenzstadt und Klein Istanbul |
Sonntag, 8. Juni 2008 | |
Ein Rundgang durch die Vergangenheit und Gegenwart der
„multikulturellen“ Stadt Feldbach zeigt zuerst eines, erzählt Joachim
Hainzl: „Über Jahrhunderte wurden das Fremde als bedrohlich erlebt. Die
Begegnungen mit Osmanen, Ungarn, Haiducken, Kuruzzen, Kroaten und
Sowjets waren geprägt von kriegerischen Konflikten und einem Gefühl der
Verunsicherung. Wie in vielen Orten der Südoststeiermark wurde die
wehrhafte Mentalität des Grenzers hochgehalten und tief verwurzelter
Teil der Identität: kulturelles, sprachliches und religiöses Bollwerk
zu sein gegen die ‚Gefahren aus dem Osten‘“. Die beiden Weltkriege prägen die Stadt ebenfalls bis heute. Im ersten befand sich hier eines der größten Kriegsgefangenlager der Monarchie mit bis zu 40.000 Kriegsgefangenen. Viele davon waren Russen, deren Zwangsarbeit die Stadt Teile ihrer Infrastruktur – von Straßenbauten, Bahnbrücken bis hin zu Flussverbauungen – verdankt. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Stadt zu Ostern 1945 von Sowjettruppen erobert. Doch bereits Tage später erfolgte die bis zum Kriegsende durchgehaltene Rückeroberung u.a. durch deutsche Fallschirmjäger und Einheiten der ukrainischen Waffen-SS, womit – wie es in der Stadtgeschichtsschreibung heißt – „Feldbach wieder deutsch“ wurde. Neben einem monumentalen Denkmal für die Fallschirmjäger wird in der Stadt heute der ukrainischen Waffen-SS gleich mit mehreren Gedenkstätten gedacht. Unerwähnt bleibt dabei, dass diese sich besonders brutal zeigten im Umgang mit jenen Tausenden ungarischen Juden, von welchen etliche im Frühjahr 1945 in Feldbach ermordet wurden. Nach dem Krieg setzte ein Wandel ein, berichtet Hainzl: „Beginnend mit der Teilnahme der Stadt bei der ersten Wahl zum Kongress des Europäischen Volkes im Jahr 1959 war Feldbach aktiv im Werben für den politischen Zusammenschluss Europas, sodass sich die Stadt seit 1972 mit der Ehrenfahne des Europarates schmücken darf.“ 1986 gab es in Feldbach gerade einmal eine Person, die in der Türkei geboren war. Machte der AusländerInnenanteil in Feldbach 1991 noch äußerst bescheidene 1,3% aus, so sind es 2007 bereits 11,9% bzw. 567 AusländerInnen, die hier wohnen und – oft zu geringen Löhnen – arbeiten. Inzwischen hat sich die Situation stark verändert und im Bezirk Feldbach leben derzeit knapp 400 türkische StaatsbürgerInnen, viele davon KurdInnen. Da scheint es fehl am Platz, dass das in Feldbach stationierte Artillerieregiment seit dem Jahr 1999 das Prinz-Eugen-Lied als Traditionsmarsch führt, in dem es heißt: „Mit den großen, mit den kleinen auf die Türken, auf die Heiden, da sie laufen all davon.“ Dass eine derartige Zunahme von MigrantInnen in relativ kurzer Zeit zu Verunsicherungen und Konfliktpotenzial führt, scheint nachvollziehbar. Doch wer sich das heutige Feldbach als – wie von ausländerfeindlicher Seite bezeichnet – „Klein Istanbul“ vorstellt, muss überrascht feststellen, dass die kurdisch-türkische Community öffentlich kaum wahrnehmbar ist, so Hainzl: „Neben einigen Kebabläden gibt es zwei versteckte Teehäuser; auch fehlt ein eigener muslimischer Gebetsraum, sodass Gläubige nach Graz fahren müssen.“ Der Rundgang durch die multikulturelle Geschichte und Gegenwart von Feldbach ist somit eine Möglichkeit, eine offene Diskussion zu beginnen über die Vorteile kultureller Bereicherung, ebenso wie über die Verunsicherung durch Neues und Fremdes. Termine: Joachim Hainzl & MigrantInnen ISOP-Stadtspaziergänge „Migration & kulturelle Vielfalt in Feldbach“ Juni bis 12.9.2008 Interventionen im öffentlichen Raum A.Strittmatter (OSA) & StudentIn- nen der FH Joanneum Infodesign Integration und Grenzen 4.7. und 5.7.2008 Irwin - Neue Slowenische Kunst Ohne Angst verschieden sein 11.09.2008
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