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Diagonale quer gesehen |
Sonntag, 11. Mai 2008 | |
Ein Ende, ein Neuanfang, ein Skandal. Den Skandal gab’s am Anfang des
Ablaufs der Diagonale-Intendanz von Birgit Flos. Ihr Eröffnungsfilm 08,
Othmar Schmiderers „Back to Africa“, begleitete Artisten aus Andre
Hellers „Afrika-Projekt“ in ihre afrikanische Heimat. Die
35mm-Dokumentation sollte weder Voyeurismus noch exotische Vorurteile
bedienen. Gerade noch hatte sich der aus Ägypten stammende
Schriftsteller Tarik El Taieb zur Eröffnung einen Film gewünscht, in
dem Schwarzafrikaner nicht nur trommeln, tanzen und singen, da begann
„Back to Africa“ schon anhaltend genau damit. Was wiederum die von keiner Bisshemmung geplagte Ruth Beckermann zu einer scharfen Stellungnahme veranlasste. Die Frage ist, ob kulturelle Vorurteile nicht essenziell zu Andre Hellers Showbusiness-Projekten und deren medialen Verlängerungen gehören. Eine andere natürlich, inwieweit die ausgewählten schwarzen Artisten nicht gerade vom Ausschlachten dieses Voyeurismus profitieren. Eine Frage, die Ruth Beckermann nicht gestellt hat, ist die nach dem Selbstverständnis der Förderer und Produzenten WDR, ORF, Arte bzw. Eurimages, ÖFI, Deutscher Filmförderfonds u.a. Und schließlich muss sich Birgit Flos fragen lassen, wie Schmiderers treuherziger „Universumbeitrag“ als erster Film mit dem letzten der Diagonale, Godards „Rette sich wer kann (das Leben)“, überhaupt „zusammengeht“. Unbestrittener Gewinner. Dafür gab es mit Götz Spielmanns „Revanche“ einen unbestrittenen Gewinner des Diagonalepreises. „Revanche“ ist ein österreichischer Gangsterfilm, eher genrebezogen als originell, aber mit einem Drehbuch, das schnörkellos die Geschichte Alex’, eines Handlangers in einem Bordell, erzählt, der mit seiner Geliebten, der ukrainischen Prostituierten Tamara flieht. Unbeteiligt kommt Tamara bei einem dieser todsicheren Banküberfälle zu Tode, und Alex versteckt sich bei seinem Großvater auf einem verlassenen Bauernhof. Als er den Avancen der Nachbarin nachgibt, erkennt er, dass deren Mann just jener Polizist ist, der den tödlichen Schuss auf seine Geliebte abgefeuert hat … Diesmal hat Götz Spielmann sein Faible für soziales Engagement und für Metaerzählungen wie die Mechanik des Geldes reduziert und durch präzise, lakonische Detailschilderungen kaschiert. „Revanche“ zeichnet sich durch eine handwerkliche Qualität aus, die dem im Waldviertel und in Wien gedrehten Film Ubiquität verleiht. Hinter jeder Einstellung, jedem Schnitt, jedem Ton und Musikeinsatz, hinter der unaufgeregten Kamera von Martin Gschlacht und der Selbstverständlichkeit der Schauspieler steht eine aus tiefer Professionalität kommende moralische Entscheidung. Insofern erinnert Spielmanns Film an Cronenbergs „History of Violence“ oder „Eastern Promises“, aber auch an Melvilles schon historische Arbeiten. Spielmann selber hat „Revanche“ ursprünglich als „Nebenarbeit“ bezeichnet, aber mit ihr reiht er sich locker neben Haneke oder Seidl. Plattform für zu viele. Handwerklich weniger gediegen war die Programmierung der immerhin im 8. Jahr laufenden Diagonale. Welche Gründe auch dagegen sprechen mögen, ein Festival sollte den Besuchern zumindest theoretisch die Möglichkeit bieten, jeden Film auch zu sehen. Die vielen Sonderprogramme und Personalen – „Filme Sehen Lernen“, die Arbeiten der Filmemacher Brehm und Pilz, internationale Kurzfilme, Sarajevo Film Festival, die Beteiligung des Österreichischen Filmmuseums/Synemas/Filmarchivs Austria u.a. – erinnern an den steirischen herbst, der früher viel zu vielen Programmmachern eine Plattform bieten musste. Eine Reduktion auf die Kernkompetenz – österreichische Jahresproduktion – und eine klare Handhabung der zunehmenden Videoeinreichungen – also der Umgang mit der technologisch bedingten weichen Grenze zwischen Amateuren und professionellen Filmemachern – würden der Diagonale gut bekommen. Und so gut gemeint das Medienerziehungsprogramm der Diagonale auch war, Graz mit seiner extrem unbefriedigenden Art-Kino-Situation benötigt Nachhaltigeres als Basis jeder Medienerziehung. Einen Teil der nicht unbeträchtlichen Diagonale- und Preisgelder des Landes und der Stadt wünschte man sich besser für strukturelle Lösungen. Zwei lange Abschiedsstatements der scheidenden Intendantin zeigten eine Intellektuelle, der es gelegentlich an Entschiedenheit fehlen mochte. Aber das machte sie wett durch ihre ungewöhnliche Offenheit. Und vor allem verfügt die blendende Schreiberin Birgit Flos über ein theoretisches, literarisches und historisches Verständnis von Film, das kaum mehr anzutreffen ist. So gesehen ist mit Birgit Flos als Gestalterin und Gefangene des Überganges tatsächlich eine Ära zu Ende gegangen. Willi Hengstler
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