Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Buch für die Zukunft.
Sonntag, 11. Mai 2008
Heuser, Uwe Jean: Humanomics. Die Entdeckung des Menschen in der Wirtschaft, Campus Verlag, Frankfurt am Main 2008, ISBN 3593381176, Gebunden, 276 Seiten, 19,90 Euro

Ideologiekritikern war der „Homo Oeconomicus“ schon immer verdächtig. Die Idealfigur des am Markt ausschließlich rational agierenden Menschen war real ja nirgendwo zu finden.
Der Charme dieser durchaus normativ gemeinten Kunstfigur hat sich mittlerweile sogar an den Börsen, dem angeblich reinsten Modell des Marktes, verflüchtigt. Heuser, Leiter der Wirtschaftsredaktion von „Die Zeit“, schreibt im Hinblick auf die Börse inzwischen vom „Pamplonaeffekt“. Plötzlich rennen alle Bürger in einer ziemlich gefährlichen Corrida vor dem Stier her durch die Straßen ihrer Stadt. Massenwahn ähnlich dem Börsenverhalten …

Uwe Jan Heuser, präsentiert mit seinem neuen Buch „Humanomics“ einen Paradigmenwechsel, eine völlige Neueinschätzung des ökonomischen Verhaltens. Es geht um die Erweiterung des klassischen „Homo oeconomicus“ zum „Homo oeconomicus humanus“. Ein radikaler Angriff auf die klassische Ökonomie ist beim Absolventen berühmter Wirtschaftsuniversitäten wie Harvard und Berkeley allerdings nicht zu befürchten. Sein Buch, dessen zusammengesetzter Name in guter journalistischer Manier Programm ist, bringt zwar eine Unzahl von empirischen Detailforschungen, die unmissverständlich belegen, dass rationale Überlegungen nur zu einem geringen Teil in die Entscheidungen der Marktteilnehmer einfließen. Neben Experimenten gewinnt auch die Neuroökonomie mit ihren Hirnmessungen Bedeutung. Der Magnetresonanztomograf z. B. in neuroökonomischen Experimenten, bei welcher Entscheidungsphase welche durchaus für Widersprüchliches zuständigen Gehirnregio-
nen stärker durchblutet werden: Neid, Angst, Lust … ein bisschen Vernunft.
Heusers Überblick über neueste zum Teil interdisziplinäre Forschungen ist faszinierend und seine Literaturangaben sind ausgesprochen brauchbar. Dass das Buch den Leser dennoch ein wenig unbefriedigt zurücklässt, liegt absurderweise an der journalistischen Kompetenz des Autors: Die einzelnen Themen unter eingängigen Überschriften oder Zwischentiteln wie „Was macht Menschen zufrieden“, „Der Reiz des Augenblicks“, „Wie du mir, so ich dir“, „Tretmühle des Glücks“, „Herdenverhalten“ oder „Die zwei Lebenslügen“ ergeben ein Wissens-Patchwork, dessen Themen sich wiederholen, aber kaum zu einem Überblick führen. Man wünscht sich ein stärkeres philosophisches oder ideengeschichtliches Interesse des Autors zur Deutung dieser neuen ökonomischen Ansätze. Die „Verhaltensökonomie“ beschreibt immer genauer, wie wirtschaftliche Entscheidungen aus einem Bündel unterschiedlicher sich gelegentlich auch widersprechender Motive gewissermaßen „aufquellen“. Insofern fehlt ihr der normative Zug der klassischen Ökonomie, aber die aus ihr entstehenden Manipulationsmöglichkeiten können einen auch das Fürchten lehren. Wichtiges Buch für die Zukunft!
wh

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