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Der Kosovo auf dem langen Weg vom Amselfeld nach Brüssel |
Sonntag, 11. Mai 2008 | |
Der Balkan, insbesondere die Gebiete Ex-Jugoslawiens, scheint nicht zur
Ruhe kommen zu wollen – jüngstes Beispiel dafür ist die Anfang des
Jahres verkündete Souveränität des Kosovo, die für große Kontroversen
auch innerhalb der EU gesorgt hat. Die von beiden Seiten mythologisierte und immer wieder missbrauchte Geschichte sowie die Zukunftsperspektiven der Region standen am 22.4. im Zentrum des DiensTalk. Die brisante Thematik lockte eine überaus große Anzahl von Interessierten in die VP-Landesparteileitung am Karmeliterplatz. Auf dem Podium diskutierten Univ.-Prof. Dr. Joseph Marko von der Universität Graz, die LLM-Studentin Ana Lukić aus Belgrad, die serbische Generalkonsulin Sonja Asanović-Todorović sowie der aus dem Kosovo stammende Student Flamur Bajgora unter der Moderation von Martin Bermann. Autonomie mit Sollbruchstelle. Mit den historischen Mythen – die Schlacht auf dem Amselfeld im heutigen Kosovo im Jahre 1389 gilt als der Eckstein der serbischen Identität – hielt sich Marko, Leiter des Kompetenzzentrums Südosteuropa der juridischen Fakultät, in seiner Einleitung nicht lange auf: „Staatsrechtlich relevant ist, dass der Kosovo nach dem Zerfall der osmanischen Herrschaft am Balkan 1912 von serbischen Truppen besetzt wurde, darin liegen die Wurzeln der gegenwärtigen Situation. Als Folge der Aufteilung lebten schließlich um 1920 mehr als 50 Prozent der Albaner außerhalb Albaniens.“ Später im kommunistischen Jugoslawien erhielt der Kosovo 1974 ein Autonomiestatut, das ihn faktisch mit den anderen Teilrepubliken gleichstellte. Unter Slobodan Milosevic startete ab 1987 eine von Serbien ausgehende nationalistische Welle, die nach der Diskriminierung von Albanern und deren Protesten im blutigen Konflikt von 1998/99 gipfelte. Seit der NATO-Intervention im Jahre 1999, die dem Bürgerkrieg ein Ende setzte, wird der Kosovo, obwohl formal weiterhin integraler Bestandteil Serbiens, von den Vereinten Nationen verwaltet. Gemeinsame Zukunft braucht Visionen, keine Emotionen. „Im serbischen Verständnis ist der Kosovo ein untrennbarer Bestandteil der Nation“, betonte Asanović-Todorović, das gehe auch aus Resolution 1244 der UN eindeutig hervor. Eine historische Mitschuld für die Situation liege bei Tito, denn die Absiedelung von Serben habe erst albanische Mehrheiten im Großteil der Provinz geschaffen. Die jüngere Generation hat einen entspannteren Blick, der weniger auf die Vergangenheit gerichtet ist, wie Lukić hervorhebt: „Serbien hat den Kosovo vernachlässigt und es gab keine konsistente Strategie für die Lösung der Probleme, andererseits waren die Albaner nicht immer kooperativ. Wichtiger ist die Zukunft, aber wir warten auf ein Signal der EU, dass man Serbien ernsthaft einbeziehen will.“ Die Entfremdung zwischen den Volksgruppen scheine zurzeit unüberbrückbar, erklärt Bajgora: „Wir haben zu viele schlechte Erfahrungen mit den Serben gemacht. Seit der faktischen Loslösung des Kosovo sind gute Fortschritte gemacht worden, die wir nicht mehr aufgeben sollten.“ In der abschließenden Publikumsrunde kamen wieder Emotionen und Verbitterung hoch: Der Kosovo sei ein Hort des internationalen Verbrechens und die angeblich von Serben begangenen Repressalien und Morde seien übertrieben, hieß es von Seiten einiger anwesender Serben. Eine neutrale Abwägung der historischen Fakten erwies sich unter diesen Umständen als schwierig. Marko räumte zwar ein, dass es ein Fehler der EU sei, Serbien in Bezug auf die Reisefreiheit weiter zu isolieren. An der Legitimität der internationalen Verwaltung für den Kosovo sowie des Wunsches nach Souveränität sei allerdings nicht zu zweifeln: „Das Streben nach Unabhängigkeit entspringt immer aus Unterdrückung und Ungerechtigkeit.“ Josef Schiffer
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