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Eichhörnchen und Schnabelwesen: Karl Karner, Linda Samaraweerová und der öffentliche Körper |
Samstag, 10. Mai 2008 | |
Ein drei Meter hohes Eichhörnchen aus Epoxyharz steht während der Fastenzeit auf einer mit Plastikblumen dekorierten Plinthe im Mittelgang der Grazer Kirche St. Andrä. Die Oberfläche dieser Plastik lässt die Betrachter sofort an Schokolade denken. Auf dem mächtigen Schweif des Eichhörnchens ist eine deutliche Inschrift, ein Epitaph, zu lesen: „…Karl Karner gestorben am…“. Ausgerichtet ist dieses Objekt auf eine korrespondierende Intervention im Bereich des Altars. Hier hat Karl Karner den verspiegelten Ambo von Gustav Troger mit schwarzer, genoppter Baufolie verkleidet. Plastiken. Die zentrale Plastik in einer Ausstellung im Studio der Grazer Neuen Galerie trägt den Titel Geländer. Höher gestellter. An den Hohlraum der Teile eines Balkongeländers hat Karl Karner einen umgepolten Haarföhn angeschlossen, der im Inneren des Profilrohres einen Sog erzeugt. Aus einer bereitgestellten Ablage kann man nun mittels asiatischer Essstäbchen Insektenkadaver in eine Öffnung am einen Ende des Geländers werfen, die daraufhin vom Föhn durch die Konstruktion gesaugt werden, und zwar so lange, bis die Menge der angesaugten Kadaver den Föhn verstopft. Dieser wird nun ausgebaut, die Insekten wieder in besagtem Behältnis deponiert und die Anlage ist wieder funktionsbereit … Zudem sind in dieser Ausstellung zwei Plastiken zu sehen, die auf ihrem dem menschlichen nachgebildeten Körper den Kopf eines Schnabelwesens tragen. Man steht den Skulpturen und Plastiken Karl Karners zunächst wohl ziemlich ratlos gegenüber, ist noch am ehesten an surrealistische Gestaltungsweisen erinnert und an Bildkompositionen, wie sie Max Ernst in seinen Collagen entwickelte. Mit Installationen seiner absurd anmutenden, hybriden Objekte zwischen Mensch und Tier stellt der Künstler Karl Karner jedenfalls auch Bezugssysteme innerhalb einer privaten Morphologie her, die Rezipienten wiederum zu individuellen Interpretationen führen mögen. Porträt von Karl Karner. Karl Karner wurde 1973 in Feldbach geboren. Er ist ausgebildeter Kunstgießer, arbeitete seit 1989 in der Feldbacher Gießerei Loderer und war dort mit Produktionen für Bruno Gironcoli, Thomas Stimm oder Josef Pillhofer beschäftigt. Seit 2007 studiert er an der Akademie der bildenden Künste in Wien bei Heimo Zobernig. Was heutzutage für Bildhauer eher die Ausnahme ist, ist für Karl Karners Arbeitsweise unabdingbar: Alle Arbeitsgänge, vom Entwurf bis zum fertigen Objekt, werden von ihm selbst ausgeführt. Im Allgemeinen bleiben Arbeitsspuren oder aus dem Herstellungsprozess resultierende Details wie Eingusskanäle erhalten und sind Teil der von Karner gewollten Form. In mehrteiligen Bronzearbeiten wie Hasenloch II (2003) oder Schnabelloch (2004) werden die Eingusskanäle weitergeführt in Stecksysteme. Je nach Konzept fällt die Materialwahl aus: Waren es in frühen Arbeiten noch vorwiegend die für den Guss gebräuchlichen Metalle, so werden diese inzwischen mit diversen Kunststoffen kombiniert, dazu kommen aber auch „profane“, wie Karl Karner sie in Baumärkten findet. Zusammenarbeit. In Ausstellungen werden die Plastiken mit Fundobjekten – ein Siegespokal taucht immer wieder auf – zu Installationen arrangiert, die solcherart ein narratives Beziehungsgeflecht suggerieren. Die Weiterentwicklung der wie immer zu interpretierenden Erzählungen führte zur Zusammenarbeit mit der Tänzerin und Choreografin Linda Samaraweerová. Seit drei Jahren bauen der Bildhauer und die Tänzerin ihr Projekt Der öffentliche Körper in Performances immer weiter aus. In von Karner aus seinen Plastiken, Fundobjekten und Videos arrangierten Bühnenbildern agieren die beiden als Darsteller nach jeweils strikt festgelegter Handlung und nach der Choreografie von Linda Samaraweerová. Ein Protagonist als Maske und Vertreter des öffentlichen Körpers ist besagtes Schnabelwesen, ein „zu einer Comicfigur verkommenes Wesen zwischen Mensch und Tier“, Mittel für die Künstler, die Rezeption vom Individuum abzulenken und in einen Bereich der Allgemeingültigkeit zu überführen. „Die Tänzerin/Performerin mit der Schnabelwesenmaske agiert als der entpersonalisierte, entwurzelte, beliebige öffentliche Körper, der im Grunde nicht an eine/n bestimmten TrägerIn gebunden ist und daher auch in weiterer Folge an andere KünstlerInnen zu gleichen Zwecken weitergereicht werden kann. Die bisherigen Projekte von Karl Karner und Linda Samaraweerová im Rahmen von Der öffentliche Körper erfolgten auch dementsprechend: an verschiedenen Orten, in verschiedenen Kontexten und mit verschiedenen personellen Zusammensetzungen.“ Die Aufführungen beschreibt Linda Samaraweerová: „Zu Beginn ist das Szenario meistens sehr geordnet. Im Verlauf der Performance aber wird eigentlich erst durch unsere Aktionen mit den Gegenständen eine Installation hergestellt. Für die Zuseher mag das vielleicht nach Improvisation aussehen. Wir halten uns aber streng an eine ausgearbeitete Choreografie.“ Unter dem bewusst irreführenden und nicht programmatischen Titel …karl karner gestorben am… fanden in diesem Jahr Performances in der Szene Salzburg, der Kirche St. Andrä in Graz und beim Festival Imagetanz im Wiener Künstlerhaus statt. Eine neue Performance Travel Delights ist im Rahmen des steirischen Kulturfestivals regionale08, Diwan – Grenzen und Kongruenzen an drei Abenden im Feldbacher Zentrum zu sehen. Wenzel Mraček KURZBIOGRAPHIELinda Samaraweerová, geboren 1977 in Prag.Zeitgenössische Tanzausbildung (Abschluss 2002 in Brüssel bei P.A.R.T.S. – künstlerische Leitung: A. T. Keersmaeker). Lebt und arbeitet seither überwiegend in Österreich. Diverse Engagements als Tänzerin im In- und Ausland. Festes Mitglied der deutschen Tanzkompanie Anna Holter. Seit 2004 vor allem als Choreografin tätig. Als artist in residence wurde sie nach Bukarest, Prag, Salzburg, Paris, Tallin und Wien eingeladen. Seit drei Jahren arbeitet sie mit dem Bildhauer und Installationskünstler Karl Karner im Zuge des Projektes Der öffentliche Körper zusammen (Aufführungen bei diversen Festivals u.a. Impuls Tanzwochen Wien, Imagefestival etc.). Karl Karner, geboren 1973 in Feldbach/Steiermark. Seit 2007 Studium an der Akademie der bildenden Künste in Wien/ Klasse Heimo Zobernig. Lebt und arbeitet in Wien und der Steiermark. Performances (in Kooperation mit Linda Samaraweerová): 2008 Szene Salzburg: „...karl karner gestorben am...“ St. Andrä Kirche, Graz: „…karl karner gestorben am...“ Brut, Imagefestival: „...karl karner gestorben am...“ Festival Regionale Steiermark: „Travel Delights“ 2007 Dietheater, Image Festival, Wien: „Körperlichkeit und Virtuosität“ 2006 WUK, Wien : Performance „Travel Delights“ (Karner/Samaraweerová) TQW Wien/„X-Change“ ; Performance: „…karl karner gestorben am…“ 2005 Impulstanzen, Wien Terrainzs Fertiel, Bukarest – Wien – Paris Bezirksfestwochen, Wien Galerientage, Graz Einzelausstellungen: 2008 Neue Galerie Graz 2008 St.Andrä Kirche, Graz 2005 Galerie Glacis/Graz (Galerientage Graz) 2002 Kunsthalle Feldbach 2001 Retzhof/ Stmk. 1993- 2001 jährlich Schloss Kornberg/Stmk. 2000 Schloss Luberegg/NÖ 1999 PEF/Wien 1999 Galerie Kies/Vorarlberg 1997 Galerie Markt Hartmannsdorf 1993 ÖGB Galerie Graz Gruppenausstellungen: 2008 Galerie 5020/ Salzburg 2007 Galerie Gölles/Fürstenfeld 2007 Galerie Glacis/Graz 2006 Galerie Glacis/Graz Neue Galerie Graz: „Förderungspreis des Landes Steiermark (Katalog) 2005 Schloss Herberstein/Stmk. 2005 - 1997 jährlich Galerie Glacis/ Graz 2004 Schloss Kornberg/Stmk. („Formsache“) 2003 Körmed/Ungarn 1998 Stadtgalerie Fürstenfeld/Stmk. 1997 Leoben/Landesausstellung Stmk. 1997 - 1996 Galerie Weber/Luxemburg Werkverzeichnisse: Karl Karner, „Arbeiten 1996-1998“ (erschienen 1998) Karl Karner, „gestorben am ….“, (erschienen 2005)
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