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Wolfgang Wiedner: Erlkönig im Elfenbeinturm
Mittwoch, 12. Dezember 2007
Der in Feldbach arbeitende Wolfgang Wiedner stellt derzeit in seiner Stammgalerie Schafschetzy unter dem Titel „Erlkönig im Elfenbeinturm" eine neue Auswahl seiner Bilder aus. Der Künstler, 1953 geboren, hat 1973 – 1979 in der Meisterklasse von Walter Eckert studiert. Seit Beginn seiner Karriere als freier Maler im Schatten der Burg Kapfenstein hat er sich immer mehr zu einem Doyen der klassischen Ölmalerei nicht nur der Steiermark entwickelt.
Der Titel seines Katalogs zur laufenden Ausstellung markiert die gestalterische und inhaltliche Bandbreite eines Malers, der sich anfangs hauptsächlich leblosen, unauffälligen Gegenständen aus seiner unmittelbaren Umgebung widmete: Stühle, Farbdosen, Trichter, Kleidungsstücke, Eimer zum Anrühren der Grundierung. Diese mit unauffälliger Virtuosität gemalten Stillleben, die der Amateurornithologe mit sketchartig hingeworfenen kleinformatigen Vogelabbildungen und Blumenbildern ergänzte, provozieren widersprechende Effekte. Einerseits beruhigt ihre Gegenständlichkeit das Vertrauen in das so genannte realistische Malen. Andererseits verweisen sie darauf, dass es dem Maler weniger um sichtbare Abbilder der Welt, als um das Abarbeiten von Kompositionsproblemen geht, eine Arbeit, die in der Konstruktion neuer Welten mündet. Manifest wird dieser Konstruktivismus in den etwas späteren Bildern mit den gleichen Motiven, aber jetzt in geometrischer Anordnung. Das eigentlich unrealistische Arrangement wird durch die delikate und elegante Farbigkeit konterkariert. Wolfgang Wiedner löst sich nicht vom Gegenstand, er transzendiert ihn durch malerische Subtilität.

 

 

In dieser Entwicklung mag als Ursprung der gegenwärtigen Titel „Erlkönig im Elfenbeinturm" liegen. Goethes Gedicht über die Verführung des Kindes durch den Erlkönig wird auch als Vorgriff auf eine naturmystisch geprägte Romantik gedeutet. Das Bauwerk dagegen galt ursprünglich als Symbol für den fruchtbaren Schoß Mariens, als Bild für Schönheit, Unschuld und – Rationalität. (Erst später wird der Elfenbeinturm zum Sinnbild für seltsame Typen, die sich ausschließlich ihrer frei gewählten Aufgabe ohne Rücksicht auf Gesellschaftliches widmen.)

 

 

Wenn sich Wolfgang Wiedner gewissermaßen auf ein Universum des Leblosen einließ, entstand trotzdem niemals der Eindruck, es handle sich um eine von allem Gesellschaftlichen gereinigte Sicht. Mit seinen Gegenständen malte er auch die in ihnen akkumulierte Zeit und Arbeit, die Arbeitszeit, die ganze elende conditio humana.

 

 

Mit seiner Übersiedlung nach Feldbach und der Akzeptanz der zuvor abgelehnten Grün-Töne potenzieren sich die gemalten Wirklichkeiten: Bilder lehnen im Gemälde gegen Möbel, gemusterte Polster oder Decken werden vor Tapeten drapiert, die dann selber zum Bild, vom Hintergrund zum Bildgegenstand mutieren. Vor allem auf Fotos wird deutlich, in welchem Ausmaß die malerische Realität sich mit derjenigen außerhalb des Bildrahmens mischt.
Einem Grundlagenforscher gleich verwandelt dieser die Abstraktion fliehende Maler seine Farb- und Motivreihen in immer strahlendere, geheimnisvollere Verwirrspiele der Wahrnehmung.

 

 

Ohne die systematische Beschäftigung mit ihnen aufzugeben, erweiterte Wolfgang Wiedner seine Stillleben und Interieurs nun um Landschaftsbilder, meist um die Au-Landschaften der Raab. Neben dieser thematischen Erweiterung explodiert in aller Stille, gleichsam in Zeitlupe, auch seine Farbpalette. Arbeitete der Maler in seinen Anfängen hauptsächlich mit Braun- und Grautönen, so umfasst sein Spektrum nun unendlich viele Abstufungen von Grün und er setzt Komplementärfarben - Blau neben Rosa, Orange neben giftiges Violett – gegeneinander, ohne damit ästhetische Fouls zu begehen. Der ursprünglich pastos, mit breitem Pinsel aufgetragene Farbauftrag wird irisierend, leuchtende Farbschichten liegen, monochrome Effekte beschwörend, übereinander. Der Maler, der früher so sehr auf Distanz zur schönen Oberfläche ging, bietet nun den Sinnen ein elegantes, wenn auch immer noch vertracktes Spiel.

 

 

Ein Schlüsselbegriff für diesen Maler scheint neben seiner Distanziertheit eine dezente Widersprüchlichkeit zu sein. Er revolutioniert das Stillleben, ohne dass er ihm seine Qualität als gemalte Augenweide nimmt. Er schweigt sich aus, aber viele Motive – Pflanzen, die ohne Menschenhand gedeihen, Vögel, die von Menschen unabhängig leben – drücken hintenrum Skepsis gegenüber einer gedankenlosen Zivilisation aus.

 

 

Das Motto der laufenden Ausstellung bei Schafschetzy, „Erlkönig im Elfenbeinturm", verweist einerseits auf zwei Prinzipien, unter denen Arbeit und Welt Wolfgang Wiedners gesehen werden können. Seinen Au-Landschaften mit ihrer undurchdringlichen Fruchtbarkeit stehen geometrisch angeordnete Äpfel, Farbdosen oder Blüten gegenüber.

Augenfälliger kann das Spannungsverhältnis zwischen Erlkönig und Elfenbeinturm, zwischen den unheimlichen Metamorphosen der Weiden und Erlen zu mächtigen Geistern und einer klaren Rationalität malerisch schwerlich formuliert werden. Und die Interieurs dazu sind gleichsam Bestandsaufnahme aus Wolfgang Wiedners Lebensraum oder Innenausstattung des Elfenbeinturmes.

 

 

Aber genau gelesen lässt der Titel der Ausstellung auch eine Synthese vermuten. Eine Interpretation, nach der das unheimlich wuchernde Lebenselement im Gehäuse der Rationalität domestiziert wird, bietet sich an. Bedachtsam heißt es eben nicht „Der Erlkönig und der Elfenbeinturm". Das „im" in „Erlkönig im Elfenbeinturm" stellt die Gegensätze weniger einander gegenüber, als es sie miteinander verschmelzen lässt.

Einige der interessantesten, neuen Bilder von Wolfgang Wiedner veranschaulichen diese Verbindung von Natur und Geometrie, von schillernder Kreatürlichkeit und klarer Konstruktion. Ursprünglich entwickelte der Maler seine Themen aus den mit großzügigem Pinselstrich pastos aufgetragenen Farben. Dagegen ist auf den Bildern der letzten Jahre der Farbauftrag fast lasierend, und gerade die wuchernde Genauigkeit in Bildern wie der „Waldklee" oder „Stadt mit 4 Äpfeln" reizt die Sinne des Betrachters. Fast lässt sich von einer dialektischen Gegenbewegung sprechen. Fühlte sich der Betrachter der früheren Bilder sogleich von ihrem Raum umfangen, passiert es ihm vor den wuchernden Landschaften, dass er sich erst einen visuellen Pfad suchen muss. Dafür ist diese Dschungelnatur augenblicklich in all ihrem ganzen realistischen Glanz wahrnehmbar, während die konstruktivistischen Arbeiten eine kontemplative Entschlüsselungsarbeit fordern.

Der Maler mag uns mit dem Titel einen Hinweis gegeben haben, aber das Rätsel müssen wir selber lösen.

Willi Hengstler

 

Wolfgang Wiedner, „Erlkönig im Elfenbeinturm", 4.12.2007 – 19.12.2008, Galerie Schafschetzy, Graz, Färbergasse 2

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