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Zu Ihrer Information: Die Wirklichkeit und ihr wirkliches Bild
Dienstag, 8. April 2008
Einen Überblick auf die vergangenen 15 Jahre aus dem Werk von Michael Schuster gibt mit etwa 80 Arbeiten die Ausstellung For Your Information in der Neuen Galerie. Zudem wurden einige ältere Arbeiten mit zeitgemäßen Mitteln rekonstruiert und neue Konzepte realisiert.

Deutlich wird das generelle Thema der künstlerischen beziehungsweise wissenschaftlich experimentellen Untersuchungen, nämlich Fragen nach dem Wirklichen und den Bedingungen seiner Wahrnehmbarkeit durch den menschlichen Sinnesapparat und infolge die Dokumentation und Vermittlung durch technische Apparate. Immer wieder führt Michael Schuster in seinen Konzepten, Fotoinstallationen, Lichtobjekten und medialen Skulpturen vor, wie die Verfremdung des Motivs mit seiner Abbildung vor sich geht, dass die Umsetzung des Motivs in verschiedenen Medien mit Informationsverlust einhergeht respektive erst durch die Übersetzung weitere Information generiert und so zur Simulation wird, wie sie in den Analysen und Thesen von Günther Anders, Umberto Eco oder Jean Baudrillard als neue Wirklichkeit, Surrealität und Hyperrealität diskutiert wird. Schließlich geht aus vielen Arbeiten Schusters gleichermaßen hervor, wie Wirklichkeit in der Wahrnehmung verschiedener, vor allem technischer Voraussetzungen der Konstruktion durch Kommunikation unterliegt.

Vermeintliche Objektivität der Kamera. Im Zentrum der Untersuchungen steht jedenfalls die vermeintliche Objektivität des automatischen Blicks mittels Kamera, wofür zunächst zwei Fotoarbeiten stehen: Im Tableau Agfa, Fuji, Kodak, Konica (1999) ist die Verpackung von Analogfilmen dieser Marken Ausgangspunkt für Variationen, die Informationsdiversität veranschaulichen. Jede Originalverpackung wurde mit den Filmen der eigenen und der anderen Firmen fotografiert und in Abfolge neben dem Original affichiert. Die jeweils beworbene authentische Farbwiedergabe erweist sich im Vergleich als sichtbar unmöglich. Ein Paradoxon zwischen Bildinhalt, fotografischer Umsetzung und Bildtitel führt Schuster mit Digitalfoto (2005/2008) vor; das Motiv sind vier analoge Filmrollen, digital abgebildet und vergrößert, dazu kommen differierende Farbhistogramme, die ein weiteres Mal auf Objektivität der Farbwiedergabe verweisen sollen.

Das Bild der USA. Konstruktion und Image – wiederum als vermeintlich aus Übereinkunft zustande gekommenes, gemeinhin gültiges Bild – sind neben anderen Angelpunkte für K.C.C.P. in USA. Im fünfhundertsten Jahr nach der Entdeckung Amerikas, 1992, legte Michael Schuster eine 51-teilige Fotoserie nach touristisch favorisierten Attraktionsorten in allen Bundesstaaten der USA an. Er ließ sich Ansichtspostkarten wichtiger Sehenswürdigkeiten zusenden und reiste an alle Orte, um selbst Fotografien, möglichst vom selben Standpunkt wie auf den Postkarten, anzufertigen. In seinen Aufnahmen allerdings ist jeweils auch der Kodak-Farbkeil zu sehen, den er als „Urmeter der Fotografie“ bezeichnet und der zur „farbechten“ Ausarbeitung professioneller Fotografien als Referenzskala verwendet wird. Mit der Einbringung in das Foto wird dieser Farbkeil nun potenzielles Referenzobjekt zwischen wirklicher Situation und Reproduktion in der Fotografie. Teil des Konzepts ist die Beifügung von GPS-Daten, die – wiederum wäre zu diskutieren, wie exakt – auf den realen Ort verweisen und damit die Übersetzung des wirklichen Ortes in die Fotografie obsolet machen könnten, nämlich in dem Sinn, sich, wie auch immer, selbst ein Bild zu machen oder – genauer – den Ort selbst zu erfahren. Die Skyline von New York mit den Türmen des WTC, ebenfalls 1992 aufgenommen, betitelt Schuster zudem erst im Jahr 2004 mit 10. September 2001. Wäre der Titel nun Verweis auf den konkreten Zeitpunkt, so handelte es sich in der Verbindung mit dem Bild um Konstruktion und Fiktion. Das Bild selbst allerdings ist gewissermaßen nicht falsch und entspricht wohl der Situation am Tag vor dem Anschlag.

Ist es, was es zu sein scheint? Um die Interpretierbarkeit von Redundanz zwischen Aktion und Dokumentation bzw. zeitlichem Geschehen und informativem Titel dagegen geht es in Szene aus dem gleichnamigen Stück (1981/1997) in Kooperation mit Hartmut Skerbisch. Dieser Schriftzug war an der Fassade des Wiener Schauspielhauses angebracht und verwies scheinbar auf eine Inszenierung dessen, was durch die Fensterfront des Schauspielhauses zu sehen war. Hier allerdings war nichts inszeniert. Die großformatige Fotografie in der Ausstellung der Neuen Galerie erhält den Charakter des dokumentarischen Objekts, ist aber eigentlich inszenierte Fotografie. Die Interpretation hingegen müsste noch weiter führen.
Einen ganzen Raum nimmt Leptis Magna (2008) ein. Wie schon am prähistorischen Steinkreis Drombeg (2002) gezeigt, basiert dieses Panorama auf einer 360°-Fotografie des antiken Amphitheaters bei Tripolis in Libyen. In dem Original entsprechender Ausrichtung wird die Fotoreproduktion exakt den Proportionen des Ausstellungsraumes eingeschrieben und BetrachterIn-
nen der Blickpunkt eingerichtet – und damit weitgehend ähnliche Erfahrung vermittelt –, wie sie der Autor Michael Schuster am fotografisch festgehaltenen Ort gehabt haben könnte.

Kuratiert wurde die Ausstellung Michael Schuster: For Your Information von Elisabeth Fiedler und Peter Weibel. Zu sehen in der Neuen Galerie Graz bis zum 18. Mai, Informationen unter www.neuegalerie.at.

Wenzel Mraček

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