Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Niederwölz liegt nicht am Meer
Archiv - Nachhaltigkeit und Ökoland
Samstag, 8. April 2006
ImageAufregung in der österreichischen Landwirtschaft: „Freie Bahn für die Gentechnik!", fordert die EU-Kommission. Immer heftiger wird darum gerungen, mit welchen politischen Hebeln die Wahlfreiheit für KonsumentInnen und Landwirte gesichert werden kann. Zudem fordert eine Neuausrichtung der Agrarförderungen ihren Tribut gerade von der Biolandwirtschaft.

Landwirtschaftsminister Josef Pröll spricht Ende März im obersteirischen Niederwölz vor „seiner Klientel", den dort ansässigen Bergbauern. Er belehrt sie, dass sie nicht auf einer „Insel der Seligen" leben (Kleine Ztg. vom 1. April) und möchte so um Verständnis für das soeben fertig gestellte „Programm für den ländlichen Raum 2007–2013" werben. Darin wird geregelt, nach welchen Gesichtspunkten in Hinkunft etwa 900 Millionen Euro jährlich in der österreichischen Landwirtschaft verteilt werden sollen. Das Geld stammt aus dem Budget der EU, des Bundes und der Länder.

Wohl um eine Richtung anzudeuten, wird das Programm von den PR-Strategen des Landwirtschaftsministers als „Grüner Pakt" vermarktet. Doch gerade in jene Bereiche, wo die österreichische Landwirtschaft noch am grünsten ist, nämlich zu den Rinderbauern in den Bergregionen, soll in Zukunft weniger Geld fließen. Das sorgt für Aufregung, denn zu den tragenden Säulen des Programms gehören die Ausgleichszahlungen für Bergbauern und das österreichische Umweltprogramm (ÖPUL), beides Maßnahmen, die vom Ansatz her europaweit als agrarpolitische Vorzeigeprojekte gehandelt werden. Doch nun wird ausgerechnet für die Hauptzielgruppe der Brotkorb höher gehängt und der verantwortliche Minister greift in seinem Argumentationsnotstand zu Metaphern, die an den „Man muss die Leute aus der sozialen Hängematte holen!"-Sager seines Parteikollegen Andreas Khol erinnern.

Der (Netto)-Zahler schafft an. Der Finanzrahmen und die Rahmenrichtlinien für dieses Programm kommen aus Brüssel. Zum einen, weil die Programme im Einklang mit den Grundsätzen der europäischen Agrarpolitik stehen müssen und so verhindert werden soll, dass nationale Agrarförderprogramme „wettbewerbsverzerrend" wirken. Zum anderen kommen eben 50 Prozent der aufzuwendenden Mittel aus dem Budget der Union. Und dieses ist streng limitiert, zumal im Jahr 2004 – nicht zuletzt von den Vertretern der reicheren EU-Länder – eine Erhöhung der EU-Beiträge im Promillebereich verweigert wurde. Den Proponenten der „Nettozahlerposition" war die EU-Erweiterung wegen der neuen Märkte willkommen, nur kosten sollte es wenn möglich nichts. Darin war sich Finanzminister Karl-Heinz Grasser mit seinen neoliberalen Kollegen einig. Dabei brauchen gerade die neuen Mitglieder auch Mittel zur Entwicklung des ländlichen Raumes. Da die Regeln besagen, dass 50 % der Fördermittel aus den Töpfen der nationalen Budgets kommen müssen, machte man sich wenig Sorgen, dass die neuen armen Verwandten allzu umfangreiche Programme schnüren würden. Und die Rechnung ging auch auf: Die österreichischen Verhandler mussten nur unwesentliche Kürzungen bei der Zuteilung der EU-Mittel hinnehmen.

Wer investiert profitiert. Doch das Geld musste nach neuen Gesichtspunkten verteilt werden. Unter anderem fordert die Richtlinie eine Mindestdotierung der Investitionsförderung von 15 % des gesamten Programmumfanges. Das führt dazu, dass eine Reihe von Bewirtschaftungszuschüssen für Grünlandbauern gestrichen wurden und das dadurch ersparte Geld als Zinsenzuschuss zu neuen Investitionen anspornen soll.
Bislang war die Interessensvertretung der Bauern streng darauf bedacht, Direktzahlungen nicht als „Subventionen", sondern als „Leistungsabgeltung" für besondere ökologische Leistungen oder für Wirtschaftserschwernisse, die über den Markt nicht entlohnt werden, zu bezeichnen; nun wird sich die Sprachregelung wohl wieder ändern müssen. Fachleute beurteilen eine Ausweitung der Investitionsförderungen aus diesem Blickwinkel skeptisch und betonen, es solle viel mehr der Entscheidung der FörderungsempfängerInnen überlassen werden, ob die erhaltene Leistungsabgeltung reinvestiert wird oder nicht.

Einer der schärfsten Kritiker des „Grünen Paktes", der grüne Nationalratsabgeordnete Wolfgang Pirklhuber, kritisiert vor allem, dass es nicht zwingend notwendig wäre, wegen der von Brüssel verordneten Ausweitung der Investitionsbeihilfen die Umweltzahlungen für Bergbauern so empfindlich zu kürzen. Er verweist darauf, dass es sehr wohl freigestanden hätte, durch Umschichtungen aus der allgemeinen Betriebsprämie das bisherige Niveau der Umweltförderung zu sichern, und unterstellt dem Programm die Intention, mehr als bisher intensiv wirtschaftende Betriebe fördern zu wollen. Während die Flächenprämien für Biobetriebe um bis zu 30% gekürzt werden, wurde der Einstieg für Zuckerrübenbauern erleichtert und die maximal erlaubte Menge der Stickstoffdüngung erhöht. Nach Anhebung der zugelassenen Stickstoffmenge von 170 auf 210 kg könnten nun auf einem Milchviehbetrieb nach Berechnungen der Grünen nahezu drei Kühe je Hektar gehalten werden. Die Belastung für Böden und Grundwasser steige damit allerdings dramatisch an.
Wer bis jetzt Umwelt belastend gewirtschaftet hat, bekommt die Chance, im Rahmen des „Grünen Paktes" Umweltförderungen zu kassieren, ohne die Belastungsintensität drastisch reduzieren zu müssen.

Der ökosoziale Lack ist ab – Sozialdarwinismus kommt zum Vorschein. „Die Intensivierung der Landwirtschaft bedeutet nicht nur ein Problem für die Umwelt, sondern schlicht auch das Ende für viele kleine und mittlere Betriebe", warnt Pirklhuber. Denn die großen, intensiv wirtschaftenden Betriebe würden rasch wachsen und dafür Förderungen kassieren. Überproduktion und Preisverfall würden kleine Betriebe noch rascher als bisher vom Markt verdrängen. Was Pirklhuber als Horrorvision an die Wand malt, damit dürfte sich Bauernbundpräsident Fritz Grillitsch bereits abgefunden haben. Er spricht von „Starthilfen" für die Zeit nach 2013 (Kleine Ztg. vom 16.3.) und spielt damit darauf an, dass nach derzeitiger Stimmungslage in Europas politischer Klasse die Agrarförderungen bald drastisch zurückgeschraubt werden sollen. Für das darauf folgende „Survival of the fittest" sollen einige Betriebe ausgerechnet über das Umweltprogramm noch rasch fit gemacht werden. Freilich wird die öffentliche Zustimmung zu einer Politik, eine weitere Industrialisierung der Landwirtschaft mit Hilfe von Steuermitteln zu fördern, weiter sinken.

Schaden, Spott und Gentechnik. Der Unmut der Bio- und Umweltverbände ist groß, zumal auch die unisono erhobene Forderung, den Verzicht auf die Verwendung genmanipulierten Saatgutes als Förderungsvoraussetzung zu verankern, ignoriert worden ist.
Die überwiegende Mehrheit der österreichischen Bevölkerung lehnt Gentechnik in der Landwirtschaft ab. Das ist nicht nur bei einem der erfolgreichsten Volksbegehren im Jahr 1996 zum Ausdruck gekommen, sondern spiegelt sich auch in immer wiederkehrenden einstimmig verabschiedeten Grundsatzbeschlüssen im Parlament.
Bis jetzt wurde dem auch durch Importverbote für genverändertes Saatgut Rechnung getragen. Nachdem im Jahr 2000 „versehentlich" Maissaatgut mit hoher GVO-Kontamination in den Handel gelangt ist, mussten hunderte Hektar vor der Blüte gerodet werden. Die EU verbietet bereits mit der Richtlinie 2001/18/EG den Mitgliedsländern, das „Inverkehrbringen von zugelassenen GVO-Pflanzen" zu verhindern. Allerdings hat die Kommission im Jahr 2003 die Empfehlung ausgegeben, die „Koexistenz zwischen gentechnisch veränderten, konventionellen und ökologischen Kulturen" zu regeln. Seitdem herrscht europaweit ein Tauziehen um die Ausgestaltung dieser Koexistenzregeln. In Oberösterreich hat der Landtag das ganze Landesgebiet per Gesetzesbeschluss zur „gentechnikfreien Zone" erklärt, was prompt von der EU-Kommission für rechtswidrig erkannt wurde.
Ein EU-Kongress im Rahmen der österreichischen Ratspräsidentschaft soll Anfang April in Wien diese Frage einer Lösung näher bringen. Substanzielle Fortschritte sind aber nicht zu erwarten. Während die Gentechnik-Lobby immer wieder die Wahlfreiheit einfordert, wenden die Bioverbände zu Recht ein, dass es in einer klein strukturierten Landwirtschaft wie der österreichischen kaum möglich ist, die gentechnikfreie Biolandwirtschaft neben GVO-kontaminierten Feldern zu betreiben – und somit die Freiheit für die Gentechnik sehr bald das Aus für jegliche gentechnikfreie Produktion bedeuten würde.
Damit wäre aber auch das Ende des biologischen Landbaus in Österreich unwiderruflich besiegelt, denn er ist definitionsgemäß frei von genveränderten Organismen. Auch außerhalb des biologischen Landbaus haben sich erfolgreich einige „genfrei"-Labels auf dem Markt platziert und werden von den KonsumentInnen zunehmend nachgefragt.
Der wirksamste Hebel, um Österreichs Felder weiterhin wirksam gentechnikfrei zu halten, liegt in der Gestaltung eines Umweltprogramms, in dem alle, die daran teilnehmen wollen, zum Verzicht auf genverändertes Saatgut verpflichtet sind. Doch auch in dieser Frage weigert sich der Minister beharrlich, in seinem „grünen Pakt" substanzielle Signale zu setzen.

Richard Hubmann

» 1 Kommentar
1"Vienna Declaration for a GMO-free Europe"
am Donnerstag, 1. Januar 1970 00:33von Gast
 
 
Vienna Declaration for a GMO-free Europe 
 
 
By virtue of the democratic rights of citizens, and conscious of the cultural diversity of Europe we demand the right of self-determination for the European regions and countries to ensure a GMO-free environment and GMO-free food.  
 
Transgenic agriculture will have an unacceptable impact on the survival of conventional and organic agriculture in Europe. Without clear prohibition of genetic pollution, the quality of our agriculture cannot be guaranteed. We now face the challenge of protecting our natural and agricultural biodiversity.  
 
We strongly support the European network of GMO-free regions and countries that promote GMO-free food and farming.  
We call on the institutions of the European Union and on national governments and parliaments to work towards a GMO free Europe and to implement a legal basis for the following demands of the citizens of Europe by end of 2007:  
 
# Guarantee the comprehensive right for European consumers to GMO-free food and the right for farmers to GMO-free agriculture. The right to choose what we eat includes the right to food without any GMO-contamination.  
 
# The EU must actively promote the development of GMO free regions and acknowledge the right of self-determination on GMOs. Guided by the precautionary principle bans on GMO are an important policy instrument on national and European level.  
 
# The European Food Safety Authority (EFSA) must be reformed to follow a clear commitment to the precautionary principle as enshrined in the EU and international law like the Protocol on Biosafety.  
 
# GMO-free agriculture must take priority over a new and risky production with GMOs. Technical standards must be specified to allow production free of any GMO-pollution both in organic and conventional farming. 
 
# The production of seeds should be regulated to prevent any possible risk of genetic pollution. The currently applicable Austrian standard (the Austrian purity requirements for seeds), which has also been supported by the European Parliament, should become an EU standard.  
 
# The GMO-polluters - both GMO-users and biotech companies holding GMO-consents - must be held responsible and liable for all damages caused by the GMO and the GMO-contamination.  
 
# The European Commission must appeal to any final ruling by the WTO that impinges on our right to GMO-free agriculture and to a GMO-free food supply. The interim ruling by the WTO on the GMO dispute, as well as other studies and reports on GMOs commissioned by the European Commission, have to be made public. Impartial scientists should be responsible for preparations of the appeal.  
 
These demands are based on the following necessities and facts: 
 
The right to food free from genetic modification 
 
All of us have the right to choose food without genetically modified organisms (GMO). Decisions about the use of reproductive material in a common environment cannot be made individually, as they affect all of us, because the living environment belongs to each and everyone. Decisions concerning the use of GMO and the structuring of agriculture in countries and regions should not be imposed by particular farmers, bureaucrats or companies. The use of GMOs in nature is irreversible.  
 
Protection, Precaution and Independent risk research 
 
The consumption of genetically modified food by millions of people is like a large and uncontrolled experiment, which could have unexpected consequences. Concerns about new allergens, antibiotic resistance, pesticide exposure etc. are being raised by medical experts. Biotech research and risk assessment must not be left in the hands of the biotech industry. We strongly condemn the use of people and animals throughout the world as guinea-pigs for GMOs in food.  
 
Coexistence is impossible 
 
Coexistence between genetically modified and GMO-free farming in European agriculture is not possible, just like there is no coexistence between silence and noise in a room. Local plants and their wild relatives therefore require the highest standards of protection. Coexistence projects must not be facilitated by allowing routine GMO contamination – "a bit” GM-free is not acceptable.  
The GMO-users as well as the biotech companies holding GMO consents must be held responsible and liable for all damage caused.  
 
Purity requirements for seeds 
 
Seeds are positioned at the beginning of the food chain. Without GMO-free seeds there cannot be GMO-free farming and no GMO-free food. Furthermore, alternative farming systems such as organic farming are endangered by GMO-contaminated seeds. Therefore no contamination of seeds by GMOs can be allowed (such as in the Austrian purity law). The rigorous Austrian law for GMO-free seeds should become an EU-standard. 
 
Local seed diversity, traditional plant varieties and their wild relatives provide respective regions with their character, taste and heritage. This allows diversity to develop and increase including that of GMO-free seeds. There is a real risk that genetic contamination will cause widespread and irreversible damage to traditional plant varieties and seed lines, causing great loss to our biodiversity and cultural heritage. 
Regional farming policy must include the right to protect traditional and locally adapted plant varieties, the right to GMO-free farming and the conservation and use of traditional seeds. 
 
Our food sovereignty and labelling 
 
The overwhelming majority of Europeans do not want genetically modified food. Responding to the demand for GMO-free food and farming is an essential part of a Region’s food sovereignty and economic development. Regional authorities must be able to protect quality labels, purity standards, organic products, and designations of origin in a competitive manner. This includes in particular the access to GMO-free seeds as well as to GMO-free animal feed. 
 
Sustaining Agricultural Biodiversity 
 
Farming is an integral part of our regional way of life. The vast majority of European countries wish to promote sustainable and organic farming and regional marketing for their rural development. The right of self determination of regions and countries and the right to farm without GMOs must be legally safeguarded by the EU. 
 
 
 
Vienna, April 5th 2006,  
The”Vienna Declaration for a GMO-free Europe” is pronounced by the platform organising the march for a GMO-free Europe  
 
 
 
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