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Walter Köstenbauer: „Suchen ist schöner als finden“ |
Montag, 7. April 2008 | |
Walter Köstenbauer lebt am Dr.-Heschl-Weg, 8053 Graz, nahe der
Sigmund-Freud-Klinik, den Hochhäusern in der Kärntnerstraße und der
verqueren Autobahnauffahrt – eine mehr dynamische als stilsichere
Umgebung. An das Haus des Künstlers und sein mit Hilfe des Architekten
Giselbrecht 1999 neu gebautes Atelier grenzen Nachbarhäuser von
geradezu unbezähmbarem Gestaltungswillen; allesamt kaum
klassisch-bürgerlich und noch nicht ländlich. Der Künstler in Jeans und sandfarbenen Schuhen ohne Schnürsenkel erinnert an Steve McQueen in Henry Hathaways Western „Nevada Smith“. Wie McQueen ist der aus Weiz stammende Maler ebenfalls flink auf den Beinen und sieht gut aus. Für einen Mann über fünfzig, der zu viel arbeitet, ist Walter Köstenbauer ziemlich in Form. Früher hat er Hallenhandball gespielt und nur seine Bandscheiben, die ihm den Leistungssport übel genommen haben, spielen ihm gelegentlich einen bösen Streich. Doppelengagement. Dass er zu viel arbeitet hat den Grund in seinem Doppelengagement als bildender Künstler und teilzeitlich beschäftigter Lehrer am „Akademischen“. Immerhin ermöglicht ihm das den Verzicht auf jede künstlerische Rücksichtnahme auf Trends. Die Erinnerung an seinen verstorbenen Kollegen Hartmut Urban bedeutet ihm viel. Nicht wenige von Köstenbauers Schüler/innen, wie zum Beispiel C. Luser, A. Ressi, G. Hartwig, B. Philipp, sind ebenfalls Künstler/innen geworden. Als Künstler hat er nach Abschluss des frustrierenden Studiums bei Hollegha an der Akademie in Wien vier Jahre lang nicht gearbeitet. Da er den malerischen Ansatz Holleghas nicht übernehmen wollte, arbeitete er sich hauptsächlich grafisch unter Verwendung des Cyklop-6B-Graphitstifts durchs Studium und entwickelte sich zum virtuosen Aktzeichner. Erst 1983 griff er wieder zur Farbe. Sachlichkeit und Kreativität. So sachlich der Arbeitsraum des Künstlers auf den ersten Blick auch scheinen mag, stellt seine überbordende Kreativität die seiner Nachbarn doch bei weitem in den Schatten. Selbst bei einem Maler, der über Jahrzehnte hin stets Ähnliches macht, verliert der Betrachter durch die unweigerlich entstehende Vielfalt den Überblick. Umso mehr angesichts des proteushaften Bilderkosmos von Walter Köstenbauer. Es fällt schwer, das Gleichbleibende auszumachen. Walter Köstenbauers „Steinzeit“ beginnt Mitte der Achtzigerjahre, als ihm ein Freund „Steinplätze“ in der Mühlviertler Landschaft zeigte. Die damals entstandenen Bilder erinnern noch sehr an präzis gezeichnete, kolorierte Grafiken. Aber Köstenbauer „lernt“ sein Sujet. „Suchen ist schöner als finden“, wie er selbst sagt. In der Folge prägen Volumina-Formen nachhaltig seine Arbeiten. Am Ende wird er die Charakteristika des Steines selbst umkehren; dieser wird von innen heraus aufgebrochen und beginnt beinah, wie menschliches Fleisch zu bluten. Australienreise. 1985 stellt Walter Köstenbauer im Joanneum-Ecksaal aus und lernt Maria und Thomas Mark kennen, die zwei Jahre später die „Galerie an der Fabrik“ in Spital am Pyhrn gründen. Die Vorlassverwalter von Hannes Schwarz, dem Lehrer und Freund Walter Köstenbauers, expandieren später unter dem Namen „artmark“ auch nach Wien. Ein Australienaufenthalt 1996 schlug sich, anders als seine Asienreisen, bedeutend im Werk Walter Köstenbauers nieder. Der Maler macht sich theoretisch und praktisch zum Experten. Er beschäftigt sich mit der Formensprache der Aborigines und variiert sie bis in die Abstraktion hinein. Nur der spezifisch warme Farbton wird bleiben und die Gewohnheit Köstenbauers, seine Bilder rückseitig und schräg zu signieren, um „oben“ und „unten“ des Bildes entsprechend der Aborigines-Tradition, nach der die Bilder aus der Vogelperspektive gedeutet werden, zu vermeiden. Inszenierung von Steinen. Walter Köstenbauer schwört den Steinen aber keineswegs ab. Sie kehren wieder in seiner Werkserie kleiner Kästchen, in denen er unterschiedliche Objekte, darunter eben auch Steine, sorgfältig inszeniert. Eine Bestätigung dieser Arbeit ist die Einladung zur „9th International Biennial of Miniature Art“ in der „Modern Gallery of the Cultural Centre“ in Gornji Milanovic/Serbien (20.4. bis 20.6.08); dabei sind elf weitere Österreicher wie z.B. Ch. Eisenberger, ILA, W. Kratner, M. Krusche, P. Maitz oder M. Wilfling. Kunsthistorische Ironie zusammen mit dem Prinzip des Objet Trouvé findet sich ab 1995 auch in dem Langzeitprojekt „Errettung des Tafelbildes“. Es handelt sich um überarbeitete Schautafeln, die ursprünglich im Biologieunterricht verwendet worden sind: Eisbären in neuer Gesellschaft eines winzigen Teddys oder Strauße vor einem „Van Gogh-Himmel“. Mit einer anderen kunsthistorischen Persiflage, der Variation über die „ewige Problematik“ der Magritte’schen Pfeifendarstellungen, gewinnt der Künstler 2006 den oststeirischen Skulpturen-Wettbewerb „Das Lachen in der Kunst“. Überschäumender Output. Zwei große Projekte, „Camouflage – nur (nicht) auffallen“ (seit 2001) und „ent.tarnung.mensch“ (seit 2004), erweitern das Tafelbild hauptsächlich durch Verwendung von militärischen Tarnstoffen und Objekten. Es entstehen auch temporäre Rauminstallationen. Seit 2007 arbeitet Köstenbauer an seinen „Buenos Dias“; eine ironische Anspielung auf das Rohmaterial. Handelt es sich doch um Diapositive, die durch Schmelzen, Ätzen, Ritzen, Schaben, Färben usw. manipuliert und auf Fotoleinen gedruckt werden. Walter Köstenbauer weiß, dass dieser überschäumende bildnerische Output hinsichtlich des Marketings vielleicht unklug ist. Aber die Begeisterung reißt ihn mit; aus dem Elfenbeinturm seines Ateliers heraus startet er Aktionen zur Aufklärung gesellschaftspolitischer Probleme. Beispielsweise mit seiner Ausstellung „Wie die Lemminge“ in der Universitätsdruckerei Klampfer in St. Ruprecht im Rahmen des oststeirischen Kunstfestivals „pomale“ (Eröffnung am 12. April um 12 Uhr). Am 27. Mai wird es dazu die Podiumsdiskussion „Quote, quo vadis“ geben, in der es um den allgemeinen Quotendruck und seine Auswirkung auf die steirische Kunstszene und Kulturberichterstattung geht. Im alten Atelier. Später gehen wir ins Wohnhaus hinüber, wo er mir in seinem „alten“ Atelier im ersten Stock unter anderem einen mit Rötel gezeichneten (sehr schönen) Frauenakt zeigt. Es scheint sich um Walter Köstenbauers Frau zu handeln, die im Licht des verregneten Nachmittags ganz still an einem sehr hohen Tisch liest. Hier im Privatbereich hängen die schönsten Arbeiten des Künstlers. Großformatige, abstrakte Arbeiten in zarten, irisierenden Grün-, Grau-, Gelbtönen, deren rein malerische Qualität noch verstärkt wird durch die „raue“ Oberflächenstruktur, die dem Lichteinfall entsprechend changiert. Bilder von einer stillen Intensität. Info: www.kulturserver-graz.at/v/koestenbauer.html
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