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Die erste Frau im Steiermärkischen Landtag
Mittwoch, 12. März 2008
Brigitte Dorfer, „Die Lebensreise der Martha Tausk.“ Sozialdemokratie und Frauenrechte im Brennpunkt, Studien Verlag, Innsbruck-Wien-Bozen 2008, 144 Seiten, 19,90 Euro.

Noch vor rund zehn Jahren war Martha Tausk in Graz, wo sie von 1918 bis 1928 lebte und wo sie ab November 1918 die erste Frau im Steiermärkischen Landtag war, fast vergessen. Hätte es damals nicht die von Ilse Wieser und Brigitte Dorfer durchgeführten Stadtspaziergänge auf den Spuren der Grazer Frauengeschichte gegeben, Martha Tausk wäre – wie viele andere auch – vergessen geblieben. Ein erster Aufsatz von Brigitte Dorfer 1996 im Buch „Über den Dächern von Graz ist Liesl wahrhaftig. Eine Stadtgeschichte der Grazer Frauen“ trug noch den Titel „Biografische Notizen zu Martha Tausk“. Seit damals hat dank Brigitte Dorfer Martha Tausk Schritt für Schritt ihren Platz im Grazer Stadtbild „erobert“. Im Kulturhauptstadtjahr 2003 wurde im Landhaushof eine Tafel für sie angebracht und im gleichen Jahr beschloss der Grazer Gemeinderat, eine Verkehrsfläche nach ihr zu benennen. Geworden ist es ein Park im Bezirk Geidorf, der nun ihren Namen trägt. Und nun hat Brigitte Dorfer mehr als eine biografische Skizze zu Martha Tausk vorgelegt.
In dem Buch „Die Lebensreise der Martha Tausk“ mit dem Untertitel „Sozialdemokratie und Frauenrechte im Brennpunkt“ folgt Dorfer den Lebenslinien von Martha Tausk, die am 15. Jänner 1881 als Martha Frisch in Wien als zweites Kind einer typischen Wiener Familie geboren wurde: „Vater Jude, Mutter Tschechin“. Über ihre Eltern, der Vater war Besitzer einer Druckerei, der die ersten Ausgaben von Karl Kraus „Fackel“ herausbrachte und einer der Mitbegründer der „Arbeiter-Zeitung“, die Mutter war innerhalb des „Allgemeinen Österreichischen Frauenvereins“ aktiv, wurde Martha Tausk bereits sehr früh mit jenen Bewegungen konfrontiert, die ihr weiteres Leben entscheidend prägen sollten; die Sozialdemokratie und die Frauenbewegung. Daneben schildert das Buch auch das private Glück und Unglück der Martha Tausk, das 1907 Inhalt eines Romans wurde: frühe Heirat mit dem aus Sarajewo stammenden Jusstudenten und späteren Freud-Schüler und Psychoanalytiker Victor Tausk (1900), gemeinsames und auch einsames Leben in Bosnien und Wien, zwei Kinder und schließlich 1908 die Scheidung. Mit dem Beitritt zur Sozialdemokratischen Partei 1911 und der Auseinandersetzung mit der Situation der Frauen beginnt das zweite Leben der Martha Tausk, das Brigitte Dorfer ebenso minutiös nachzeichnet, wie das private. So wirkte sie etwa gemeinsam mit Clara Zetkin und Friedrich Adler am „Manifest gegen den Krieg“ mit, das 1915 in der Schweiz veröffentlicht wurde. Auf Aufforderung der steirischen Sozialdemokraten Hans Resel und Adelheid Popp kam sie schließlich 1918 nach Graz, wo sie in der Folge u.a. Landtagsabgeordnete, Grazer Gemeinderätin, Vorstand der Arbeiter-Krankenkasse (heute Gebietskrankenkasse) und schließlich 1927 Bundesratsabgeordnete („Der Bundesrat ist eine ganz sinnlose, überflüssige Körperschaft ohne Existenzberechtigung“) wurde und sich als Rednerin landauf und landab für soziale und Frauenfragen einsetzte. 1928 holte sie Friedrich Adler als Frauenreferentin ins Sekretariat der Sozialistischen Arbeiter Internationale nach Zürich, wo sie bis zur ihrer Rückkehr nach Wien im Sommer 1934 u.a. die Zeitschrift „Frauenrecht“ herausgab. 1939 emigrierte sie zu ihrem Sohn nach Nijmegen (Niederlande), wo sie sich nach dem Ende der NS-Herrschaft für die Repatriierung der Österreicher engagierte. Nach Österreich wollte sie nach 1945 nicht mehr zurück, zumal weder von offizieller Seite noch von ihrer Partei eine Einladung erfolgte. Vor allem die steirische Parteipresse, für die sie in der Ersten Republik gearbeitet hatte, kritisierte Tausk wegen mangelnder politischer Stellungnahmen, woraufhin der damals junge Günther Nenning seitens der „Neuen Zeit“ antwortete, dass 40 Prozent der Leser der Zeitung Nicht-Sozialisten seien, auf die Rücksicht genommen werden müsse. Martha Tausk schrieb zurück: „Wenn die Rücksicht auf die 40% Nichtgenossen so weit geht, dass Sie sich nicht Sozialisten nennen dürfen, so bilden ja diese Leser Ihre Meinung, und nicht die Zeitung die Meinung der (noch oder auch dann noch) Andersdenkenden.“
Martha Tausk starb am 20. Oktober 1957 in den Niederlanden.
Heimo Halbrainer

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