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Shock Corridor auf der Probebühne |
Mittwoch, 12. März 2008 | |
Der US-Regisseur Samuel Fuller hat in dem Film „Shock Corridor“, der in einer Irrenanstalt spielt, die Wahnbilder der Insassen „wie wirklich“ gedreht – deshalb auch der Titel. Mit dem gleichen Schockeffekt arbeitet Bernadette Sonnenbichler in ihrer ausgezeichneten Inszenierung von „Elling“, in der Claudius Körber und Franz Solar zwei, nun ja, nicht ganz gewöhnliche Typen spielen. Aber während bei Fuller der Journalist, der sich einliefern lässt, um einen Mord aufzuklären, am Ende selber wahnsinnig wird (soviel zur Effizienz von Irrenanstalten), ist Ingvar Ambjörnsen, der norwegische Autor von „Elling“, menschenfreundlicher. Seine beiden Helden auf der Grazer Probebühne schaffen es nicht nur raus aus der Anstalt, sie bekommen auch unter der Voraussetzung, dass sie ihr Leben selber meistern, eine gemeinsame Wohnung. So viel Freiheit war nicht mehr seit den späten Siebzigerjahren und Basglias Antipsychiatrie. Geniale Hauptrollen. Dabei ist Claudius Körber in der Titelrolle – auch wenn das aufgetragen klingt – geradezu genial. Er spielt den introvertiert-schizoiden Elling bis in die Kleinmotorik genau, ohne dabei je ins Schwitzen zu geraten. Wie er schräg, mit leicht eingezogenen Armen, dasteht, zäh und zugleich kraftlos, in seiner eigenen, sinnlosen Klugheit gefangen, macht große Lust auf eine nächste Begegnung mit ihm. Franz Solar als sein familiär schwer traumatisierter, aber antiintellektueller Mitbewohner ist ein idealer Gegenspieler. Die Schritt für Schritt unter steter Gefährdung durchgeführte „Eroberung des Alltages“ – Wohnungstür öffnen, telefonieren, einkaufen, Kaffeehausbesuch, (Frauen-)Bekanntschaften machen – hat eine spannende Menschlichkeit. Schön ist die Idee, dass die Geräuschkulisse von Ellings „Shock Corridor“, in dem seine weißen Wahngespenster auftauchen, von Mal zu Mal weniger bedrohlich ist. Die Bühne von Sabine Freude, eine Wohnung mit fernen Anklängen an expressionistische Bühnenarchitektur, ist von konsequenter, schon wieder komischer Sparsamkeit. Und die Kostüme von Tanja Kramberger, für Elling beispielsweise der blaue, gerade e t w a s zu kleine Anzug, sind einfach fabelhaft und ergänzen den menschenfreundlichen Realismus. Es ist bei diesem Genre unvermeidlich, dass die „Normalen“ – Andrea Wenzl in den Frauenrollen und Thomas Frank als Pfleger – gelegentlich ebenfalls leicht irr und komisch wirken. Als Nebendarsteller machen sie ihre Sache gut, aber um sich den beiden exzellenten Protagonisten anzugleichen, hätte man mehr Arbeit in ihre Rollen investieren müssen. Großartiger, im Kleinen erhebender Abend. Noch am 17. und 20. März 2008. Willi Hengstler
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