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„Am Ziel“ im Grazer Schauspielhaus |
Mittwoch, 12. März 2008 | |
Möglicherweise befriedigen gerade Wortvirtuosen wie Schwab oder Bernhard, bei aller Radikalität (oder gerade deretwegen), das Bedürfnis nach klassischem Sprechtheater. Die Premiere von Thomas Bernhards „Am Ziel“ im Schauspielhaus bietet jedenfalls hervorragendes, unbedingt empfehlenswertes Theater für den kultivierten, aufgeschlossenen Geschmack. Nach einem Premierenerfolg, im Überschwang allgemeiner Begeisterung, hat die Mutter den jungen Dramatiker eingeladen, sie und ihre Tochter auf die alljährliche Reise in das Sommerhaus am Meer zu begleiten. Der erste Akt geht für ihre Lebenssuada auf, während die Tochter das Packen der Koffer übernimmt. Steffi Krautz als besitzergreifende, dominierende Mutter spricht virtuos das Bernhard-typische Lamento, während die beinahe stumme, unterdrückte Tochter von Carolin Eichhorst eine nicht weniger starke Performance gibt. Schließlich taucht der Jungdramatiker auf, ungreifbar und mit leicht höhnischer Aufmerksamkeit von Max Mayer gespielt, und es geht ab in den zweiten Akt und ins Sommerhaus. Abgesehen von der rhythmisierten Sprachmacht beeindruckt Bernhards Text durch seine transparente Vielschichtigkeit. Da ist einmal das Drama der begabten Mutter, die ihre Tochter ein Leben lang mit mehr oder weniger Liebe unterdrückt. Man kennt das ja. Dann natürlich das bissige Thematisieren des Theaters von einem für seine unerbittlichen Ausfälle gegen den Theaterbetrieb berüchtigten Autor. Und wie immer geht es auch um das Leben, das bei Bernhard nicht anders als ein an leere Rituale verlorenes sein kann. Zuletzt verbergen sich unter der Folie der Mutter-Tochter-Beziehung autobiografische Elemente Bernhards selbst, sei es nun die Ablehnung durch seine eigene Mutter oder die Beziehung zu einer älteren Frau wie Bernhards „Lebensmensch“ Hedwig Stavianicek. Kognak mit Bedeutung. Wenn eine Pistole im 1. Akt gezeigt wird, kann man sich darauf verlassen, dass sie im 3. losgeht, sagt Puschkin. Und wenn in Patrick Schlössers sorgfältiger Inszenierung die Mutter der Tochter im ersten Akt einen Kognak anbietet, aber lange zögert, ehe sie den Schwenker aus der Hand gibt, wird dieser Kognak noch zum bösen Ausgang der Geschichte beitragen. Dass der junge Dramatiker ein freieres Leben riskiert, auch der erotisch viel versprechende Umgang der jungen Leute erregt den Neid der Mutter. Sie drängt sich angetrunken dazwischen, gefangen zwischen ausweglosem Ritual, Lebensgier und Selbsthass. Patrick Schlösser hat seinen Darstellern viel Raum gelassen, ohne dass die Aufführung „leer“ geworden wäre. Die leicht mätzchenhaften Wiederholungen im zweiten Akt gehen zumindest auf Kosten von Bernhards durchkomponiertem Sprachfuror. Die Bühne von Katja Wetzel und die Kostüme von Uta Meenen gehen von der (falschen) Annahme aus, dass die Erben eines stillgelegten Gusswerks die Möbel bei BAN und ihre Kleidung bei der „Caritas“ kaufen. Dafür ist der Text der Dramaturgieassistenz (Elisabeth Tropper) im Programmheft ziemlich griffig. Sehr empfehlenswert, noch am 14. und 29. März und am 3., 9. und 29. April. Willi Hengstler
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