Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Absurde Maschine und Retrospektive – Eckart Schuster in der Neuen Galerie
Sonntag, 10. Februar 2008
Isidore Ducasse, der sich Comte de Lautréamont nannte, beschreibt den Protagonisten seiner 1868 erschienenen Prosadichtung Die Gesänge des Maldoror als schön „… wie die zufällige Begegnung einer Nähmaschine und eines Regenschirms auf einem Seziertisch!“ Die Gesänge und vor allem dieses Bild einer schwarzen Romantik sollten die Surrealisten im 20. Jahrhundert maßgeblich beeinflussen.

Zur Auseinandersetzung mit den Arbeiten eines jungen steirischen Künstlers der Gegenwart mag diese Erinnerung im ersten Moment vielleicht weit hergeholt erscheinen. Angesichts einer Plastik aber, einer Konstruktion mit dem Titel Geländer.Höher.Gestellter. des 1973 in Feldbach geborenen Karl Karner, sollte dieser Versuch, eine schwankende Behelfsbrücke über eineinhalb Jahrhunderte zu errichten, wenigstens bis zur besseren Erkenntnis erlaubt sein. Ziemlich ratlos also steht man diesem Objekt gegenüber; dieser Zustand allerdings mag, mangels auffallenden Vergleichs, in die Richtung einer originären Plastik weisen, vielleicht gerade noch in eine Nähe zu Harald Szeemanns Auseinandersetzung mit so genannten Junggesellenmaschinen zu bringen, die aber einmal mehr zu Lautréamont führt.
An den Hohlraum der Teile eines Balkongeländers hat Karl Karner einen umgepolten Haarföhn angeschlossen, der im Inneren des Profilrohres einen Sog erzeugt. Aus einer bereitgestellten Ablage kann man nun mittels asiatischer Essstäbchen Insektenkadaver in eine Öffnung am einen Ende des Geländers werfen, die daraufhin vom Föhn durch die Konstruktion gesaugt werden, und zwar so lange, bis die Menge der angesaugten Kadaver den Föhn verstopft. Dieser wird nun ausgebaut, die Insekten wieder in besagtem Behältnis deponiert und die Anlage ist wieder funktionsbereit …
Zwei Plastiken in Form eines hybriden Wesens zwischen Mensch und Tier sind ebenfalls Teil der Ausstellung und maskiert tritt offenbar Karl Karner als eben dieses Wesen in einem Video auf. Kurator Günther Holler-Schuster verweist auf den rituellen Aspekt in den Arbeiten Karners und bezeichnet die Ausstellung ohne Titel als „surrealen Heimatfilm mit dekonstruktivistischen Ansätzen“.
In der Kirche St. Andrä (Kernstockgasse, 8020 Graz) ist derzeit auch eine skulpturale Intervention des Künstlers zu sehen und eine choreographische Performance von Karl Karner und Linda Samaraweerová folgt ebendort am 1. und 2. März, jeweils ab 19.30 Uhr.

Life- und experimentelle Fotografie. Als „einen der herausragenden österreichischen Fotografen der Zweiten Republik“ bezeichnet Kurator Peter Peer den in Tirol geborenen und ab 1948 in Graz lebenden Eckart Schuster (1919-2006). Eine präzise Auswahl aus dem reichhaltigen fotografischen Werk vermittelt Einblicke in das Frühwerk, das eng mit den historischen und soziokulturellen Gegebenheiten der Nachkriegszeit verbunden ist, und führt weiter zu Entwicklungen experimenteller Fotografie, die Schusters Auslotung technischer Möglichkeiten der Schwarzweiß-Fotografie, der Doppel- und Mehrfachbelichtungen, Fotogramme und Solarisation, Variationen der Bildrasterung oder das Entstehen der Bilder im Labor dokumentiert.
Nach Kriegsgefangenschaft begann Eckart Schuster 1948 mit dem Studium der Architektur in Graz, das er aber nach wenigen Jahren zugunsten der intensiven Arbeit mit der Fotografie wieder abbrach. Er war Mitglied der Jungen Gruppe und der TVN-Fotogruppe um Erich Kees. Als Fotograf arbeitete er für Firmen wie Humanic, Moden Müller und Engelhofer, außerdem für die Kleine Zeitung und die Vereinigten Bühnen Graz. Eckart Schuster war Gründungsmitglied des Forum Stadtpark und unterrichtete Fotografie an der HTBL Ortwein.
Neben frühen Ansätzen der Life Fotografie an Beispielen, die vom Alltag in Graz handeln, stehen Arbeiten aus dem Bereich der Fotografik – Strukturen, Collagen, Entwicklungsverfahren – am anderen Ende eines Werkspektrums, in dem Eckart Schuster deutlich weiter ging als seine österreichischen Kollegen.
Die Ausstellungen Karl Karner (Studio) und Eckart Schuster (1919-2006) (Hofgalerie) sind bis zum 24. März in der Neuen Galerie Graz zu sehen. Informationen unter www.neuegalerie.at

Wenzel Mraček

» Keine Kommentare
Es gibt bisher noch keine Kommentare.
» Kommentar schreiben
Nur registrierte Benutzer können Kommentare schreiben.
Bitte melden Sie sich an oder registrieren Sie sich.
 
< zurück   weiter >