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Percy Schmeiser: „Saatgutfirmen treiben die Landwirte in den Ruin“
Sonntag, 10. Februar 2008
Der Kanadier Percy Schmeiser erhielt 2007 gemeinsam mit seiner Frau den Alternativen Nobelpreis (Right Livelihood Award) für seine unermüdliche Aufklärungsarbeit gegen die negativen Folgen der „Grünen“ Gentechnik.

Der Bauer aus Saskatchewan mit bayrisch-österreichischen Wurzeln war weltweit zu einer Galionsfigur im Widerstand von Landwirten gegen die Willkür der Saatgutkonzerne geworden. Seit er 1998 vom Chemie-Multi Monsanto auf Zahlung von Lizenzgebühren verklagt worden war, weil auf seinen Feldern – vermutlich durch von Wind eingetragene Pollen – GVO-Rapspflanzen wuchsen, kämpft er gegen die ungehemmte Ausbreitung von gentechnisch veränderten Pflanzen, die insbesondere in seiner Heimat Kanada die konventionelle Landwirtschaft entgegen aller anders lautenden Versicherungen massiv bedrohen.


Mitte Jänner machte er auf Einladung von Manfred Grössler und der Plattform gegen Gentechnik auf seiner mehrwöchigen Europatour einen Zwischenstopp in der Steiermark, um sich in das Goldene Ehrenbuch der Stadt einzutragen. Am Abend referierte der fit wirkende 77-Jährige im Josef-Krainer-Haus über die Gefahren der Gentechnik sowie die skrupellosen Methoden der Saatgutkonzerne. Der mit rund 300 Zuhörern heillos überfüllte Vortragssaal legte ein beredtes Zeugnis dafür ab, wie viele Menschen hierzulande einem Einsatz von gentechnisch veränderten Pflanzen mit großer Skepsis begegnen. Im Vorfeld der Veranstaltung sprach Josef Schiffer für KORSO mit Percy Schmeiser über seinen jahrelangen Rechtsstreit mit Monsanto und die unabschätzbaren  Gefahren der GVO-Saaten.

Wie verläuft Ihr neuerlicher Prozess gegen Monsanto, Sie haben ja vor kurzem eine Klage eingereicht, dass die Firma Monsanto die Ihnen durch ausgewilderten Roundup-ready Raps entstandenen Schäden ersetzen soll?
Darüber wird erst in einigen Wochen entschieden werden, aber ich bin nach wie vor sehr zuversichtlich, dass wir einen Erfolg erzielen können; aber selbst im Falle eines negativen Ausgangs werde ich den Kampf weiterführen, um die vielen tausend Farmer, denen falsche Versprechen gemacht wurden, zum Widerstand gegen die Konzerne zu ermutigen.
Auf rechtlich fragwürdiger Basis wurde leider 2004 das Patentrecht der Firma Monsanto auch auf vom Farmer ungewollt auf seinem Grund gewachsene Pflanzen bestätigt – entgegen dem in Kanada gültigen Grundsatz, dass niemand ein Patent auf höhere Lebensformen haben darf.

Wie haben Sie diese Auseinandersetzung über all diese Jahre gegen einen übermächtigen Gegner durchgestanden?
Meine Frau und ich haben beinahe 50 Jahre lang an der Züchtung verbesserter Rapssorten für unsere klimatischen Bedingungen gearbeitet. Durch die Vermischung mit den GVO-Sorten war deren Einsatz auf konventionellen Ackerflächen von einen Tag auf den anderen illusorisch geworden. Ich war verständlicher Weise sehr verbittert darüber, dass Monsanto unser Lebenswerk zerstört hat, ohne sich dafür auch nur ansatzweise zu entschuldigen. Im Gegenteil: wir erhielten immer neue Drohungen. Außerdem hätten uns die immensen Schadensersatzforderungen von Monsanto und die Prozesskosten in den finanziellen Untergang getrieben, wenn diese nicht vom Gericht abgewiesen worden wären.
Aber auch im aktuellen Prozess hat mich Monsanto unter Druck zu setzen versucht: Ich hätte die von ihr stammenden Pflanzen entfernt, wenn ich einen so genannten „Release“-Vertrag unterzeichnet hätte, der gesagt, dass ich Monsanto nie wieder verklagen darf, alle eingereichten Klagen zurückziehen muss und Zeit meines Lebens mit keinem Menschen mehr über Monsanto sprechen darf. Außerdem hätte mir dieser Vertrag verboten, Raps und verwandte Arten, wie Senf, anzubauen.

Welche Rolle spielt die Gentechnik in Kanada derzeit und welche Kulturen sind betroffen?
Vor rund zwölf Jahren wurde in Kanada für vier gängige Kulturen der Anbau von GVO-Pflanzen genehmigt: Raps, Mais, Soja und Baumwolle. Man ging davon aus, dass Gensaaten sich nicht auf konventionelle Felder ausbreiten können und schreib viel zu kleine Sicherheitsabstände von nur wenigen Metern vor. Heute weiß man, dass die Ausbreitung selbst über kilometerweite Distanzen erfolgen kann. Die so oft propagierte Koexistenz von GVO- mit konventionellen Pflanzen ist deshalb eine Chimäre, um deren Genehmigung zu erleichtern.
Monsantos Gen-Raps verseucht seit Jahren die Felder im westlichen Kanada, weil es unmöglich ist, die Verbreitung des Pollens der GVO-Pflanzen aufzuhalten. Mit dem GVO-Raps wurde eine letztlich unkontrollierbare Pflanze eingeführt, die sich als „Super-Weed“, resistent gegen alle Spritzmittel überall ausbreitet und praktisch nicht mehr eingedämmt werden kann. All dies ist geschehen, ohne dass sich Monsanto dafür gegenüber den Landwirten oder der Öffentlichkeit verantworten bzw. Schadenersatz leisten muss.

Welche konkreten Auswirkungen hat das auf die Landwirtschaft?
Es gibt bei den genannten Kulturpflanzen inzwischen kaum noch nicht verunreinigte Flächen: Das bedeutet, dass ein Biolandbau vielerorts praktisch unmöglich ist. Aber auch auf dem konventionellen Sektor brechen viele Exportmärkte weg, da nicht wenige Staaten, etwa Japan, die Einfuhr gentechnisch veränderter Produkte gänzlich verweigern.
In der landwirtschaftlichen Praxis brauchen jene Bauern, die GVO-Pflanzen anbauen, immer neue, mehr und stärkere Spritzmittel, um die Ausbreitung des Unkrauts unter Kontrolle zu halten. Die Rapserträge der kanadischen Bauern sind indessen zurückgegangen und von geringerer Qualität. Schließlich ist durch die flächendeckende Kontamination auch die Wahlfreiheit der Bauern verloren gegangen.

Was sind Ihre Pläne für die nächste Zukunft?
Ich möchte meinen Kampf gegen die Methoden der Gentechnik-Konzerne, solange es mir möglich ist, weiterführen. In wenigen Tagen werde ich in Australien sein, um gegen die dort geplante Genehmigung von GVO-Pflanzen aufzutreten. Wir haben jetzt seit zwölf Jahren in Kanada die Gentechnik und sehen die bedrückendem Ergebnisse: Deshalb möchte ich den Menschen hier und in anderen Ländern keine Ratschläge geben, sondern einfach berichten, was uns seit der Einführung der GVO-Kulturen widerfahren ist. Dabei geht es nicht nur um Umwelt und Gesundheit: Die Einführung von Gentechnikpflanzen treibt die Farmer in den ökonomischen Ruin, weil es das einzige Ziel der Saatgutkonzerne ist, ihren eigenen Gewinn zu maximieren.

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