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Duncan: Alles ist eins |
Sonntag, 10. Februar 2008 | |
Duncan sitzt mir gegenüber. In den Händen hält er ein rechteckiges Stück Leinen mit einem Loch in der Mitte. Auf beiden Seiten des Stoffes tummeln sich Strichmännchen. Er dreht und wendet das Stück Stoff in seinen Händen. „Alles ist eins“, das ist der Leitgedanke seiner Arbeiten. In seinen Transitionsbildern stellt er die Existenz eines Menschen bzw. der gesamten Menschheit dar, vom Ursprung bis zum Ende. Die Arbeiten zeigen das Leben, das durch die Zeit sichtbar gemacht wird, die von den beiden Seiten eines Bildes symbolisiert wird. Duncan streicht über die Seiten des Stoffes: „Das ist das ganze Leben. Das ist die Vergangenheit, das ist die Zukunft. Das ist das Jetzt.“ Er fährt mit dem Finger die Kante entlang. „Das Loch ist, wo wir herkommen. Das ist der Anfang der Menschheit, dann bewegen sich die Menschen vor auf der Zeitfläche und kommen in der Gegenwart an. Wenn man da bleibt, hört die Zeit auf. Und dann klappt man in die Zukunft um und geht wieder zum Loch, wo man herkommt. Wenn man in der Gegenwart verweilt und das Licht von da drinnen kommt, wo man herkommt, dann fallen die Ecken weg und es wird ein Kreis, denn es gibt keinen Schatten mehr. An der Kante löst sich die Zeit auf. Diese Erfahrung hat man, wenn man etwas macht, worin man sich ganz vertieft. Dann lebt man im Moment.“ Symbolische Lebenshilfe. Duncan erblickte 1969 in den Niederlanden zum ersten Mal das Tageslicht, wo er auch seine Kindheit und Jugend verbrachte. Während seines Psychologiestudiums in Leiden begann der Autodidakt als freischaffender Künstler zu arbeiten. Er lebte in den Vereinigten Staaten, Frankreich, und Deutschland, ehe er 2005 nach Graz kam. Auf der Zukunftsseite des Transitionsbildes sind fünf Symbole wie ein Rettungsring um das Loch angeordnet. Sie sollen eine Lebenshilfe sein, wenn man sie sich manchmal ins Bewusstsein ruft. Vertrauen, Schlichtheit, Teilen, Eintracht und Selbstauflösung symbolisieren sie für den Künstler. Doch er lässt die Bedeutung für den Betrachter offen. „Es sind schöne Gedanken. Es geht um Dinge, die den Menschen viel bedeuten und ihnen eine Stütze sind.“ Das Auge des Bewusstseins. „Als junger Künstler hatte ich das Gefühl, dass bei meinem Bildern immer etwas fehlte. Ich habe versucht, die Perspektive zu erweitern, weil mein Bewusstsein alles rund um mich erfasst.“ So entstanden Anfang der 90er Jahre die für Duncan so charakteristischen Rundherum-Bilder. Sie befassen sich auf eine wunderbare Weise mit der sichtbaren, uns um-gebenden Welt und geben so dem Bewusstsein Augen. Auch hier ist der Leitgedanke „Alles ist eins“ allgegenwärtig: Alles was mensch denkt und tut hat Folgen – wie klein oder groß diese auch sind, und wie weit Taten und Gedanken auch von ihren Folgen, in Zeit und räumlicher Entfernung, getrennt sein mögen. Was auf der einen Seite des Bildes passiert, hat Einfluss auf das Geschehen auf der anderen Seite. Doch Duncan bleibt mit seinen Überlegungen nicht im Künstlerisch-Philosophischen: „Was heute mit den Ausländern geschieht, ist beispielsweise eine Folge der Kolonialpolitik von vor hundert Jahren. Man soll sich dessen bewusst sein, dass das, was man jetzt tut, Folgen auf später hat.“ Das erste Rundherum-Bild entstand 1991, und zeigt Duncans Studentenzimmer. Erst etwa zwei Jahre danach machte Duncan die Rundherum-Perspektive zu seinem Stil. Leben auf dem Entwurfstisch. Ganz am Anfang waren es nur Gegenstände, die in seinen Rundherum-Bildern Niederschlag fanden. Dann allmählich kamen Menschen hinzu. Zuerst waren es einfache Strichmännchen, im Laufe der Zeit wurden sie größer und haben an Volumen gewonnen. Die neuesten Arbeiten zeigen das Leben wie auf einem Reißbrett. Alles rundherum ist im Blickfeld des Betrachters und er kann zusehen, wie Teile des Geistes, des unbekannten, großen Geheimnisvollen zu Materie werden. So werden Duncans Bilder immer komplexer und vielschichtiger. Mittels Fotos arbeitet er einige Teile genauer heraus, während andere verschwimmen und durchsichtig werden. „Ich möchte bewusst machen, dass die Materie vergänglich ist. Wir leben mit der Materie, weil sie da ist, aber sie ist nicht die heilige Kuh.“ Man braucht Zeit, um sich in Duncans Bilder einzuleben. Im schnellen Vorbeigehen übersieht man viel. Die Bilder haben viele Schichten und entfalten sich erst beim genaueren Hinsehen. Man kann in ihnen immer etwas Neues entdecken, verweilen, über einen Platz flanieren, Runden gehen, ohne von der Bildfläche zu fallen. Transition. Als Anfang 2004 die Menschen immer mehr Gewicht in seinen Rundherum-Bildern bekamen und sich die Gegenstände langsam auflösten, nahm Duncan für eine Weile Abschied von dieser Darstellungsweise und entwickelte die Tansitionsbilder. Die neue Generation der Rundherum-Bilder ist eine Synthese der vorherigen Rundherum-Arbeiten mit den Transitionsarbeiten. Die so genannten spezifischen Transitionsbilder zeigen auf der einen Seite die Erlebnisse einer Person in Rundherum-Perspektive. Diese Erlebnisse sind die spezifische Vergangenheit des Betrachters, die andere Seite stellt die Zukunft dar, auf der sich die Menschen in Richtung des Ursprungs, den das Loch symbolisiert, bewegen. Die Schattenrissbilder schließlich können als Visualisierung eines kürzer oder länger andauernden psychischen Zustandes des Künstlers betrachtet werden. Sie entstehen in unregelmäßigen Abständen als Reaktion auf die durch den Künstler erlebte Umwelt. Am Ende unseres Gesprächs schenkt mir Duncan ein Lesezeichen: ein kleines Transitionsbild. Ich fahre über die Kante und be-greife das Stück Stoff mit dem Leben eines Menschen. Die Gegenwart ist nur ein schmaler Grad. „Wer lebt im Moment? Man lebt im Geist, man lebt in der Vergangenheit oder in der Zukunft“, meint Duncan. Aus den Tansitionbildern hat er auch Handschuhe, eine Hose, eine kleine Handtasche und eine Geldbörse genäht, und sogar auf einer Geige und einer Kuh hat er die Spuren eines Lebens hinterlassen. In diesem Jahr wird Duncan bei Axel Staudinger am Hasnerplatz ausstellen, und für das Frühjahr 2009 ist eine Ausstellung am Flughafen Graz geplant. Einige der für diese Schau bestimmten Bilder sind auch am Flughafen entstanden. In ihnen materialisieren Flugzeugteile aus dem Nebel, im Hintergrund ist durchscheinend die Empfangshalle des neuen Flughafengebäudes zu erkennen, überlagert von Silhouetten von abfliegenden und ankommenden Menschen. Duncan, duncan-art@gmx.net Tel: 0316/ 42 13 41 www.duncan-art.com
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