Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Im Auge der Sonne – Ökologisch und sozial engagierte Kunst von Klaus Schrefler
Mittwoch, 11. Juli 2007
Während einer Reise durch Ecuador im Jahr 2001, kam der 1969 in Linz geborene Grazer Klaus Schrefler nach Ingapirca, einer in den Anden gelegenen indigenen Kultstätte. In Ingapirca befindet sich ein aus der Inka-Zeit stammendes Sonnensymbol, Zeichen der Verehrung von Vater Sonne, Inti Tayta, und Mutter Erde, Pacha Mama. Wie Schrefler zum Titel seiner in Ingapirca entstandenen Idee gekommen war, ein „Gesamtwerk“ vor dem Hintergrund des Kreislaufdenkens um Entstehen und Vergehen zu beginnen, ist auch für ihn heute nicht mehr ganz klar. Er jedenfalls fand zunächst den Titel Im Auge der Sonne. Ein Freund aus Ecuador übersetzte Schreflers Titelidee mit dem Quechua-Wort Intiñahui und genau so wiederum nennen die Indigenen jenes Sonnensymbol in Ingapirca.

Kreislauf von Leben und Tod. Kontinuierlich erweiterte Schrefler die erste Idee zum Konzept, das getragen von Zahlensymbolik um die Ziffern 1 bis 9 der Inka-tradition – und auffallend ähnlich anderen Weltkulturen – zum Skript für einen dreißig Minuten langen Animationsfilm mit dem Titel Intiñahui – Im Auge der Sonne reifen sollte. Über sechs Jahre nun entwickelte er assoziative Bilder für neun Sequenzen, in denen etwa die Zahl Eins die aktive Kraft der Sonne als den Ursprung allen Lebens symbolisiert; Zwei ist die umhüllende, passive Kraft, das weibliche Prinzip, Sinnbild für die Dualität des Lebens; Drei bezeichnet die Schöpfung, das Entstehen von Leben; Vier sind vier Jahreszeiten, vier Himmelsrichtungen und Vier steht für das Ganze des Irdischen – bis schließlich Neun die Transformation symbolisiert, die Auflösung der Geschlechter und den Tod.

Die Arbeit am Film – seit der Erstellung des Storyboards im Juni 2001 und dem Beginn der Umsetzung im Herbst 2002 – sollte sich bis zur gerade erfolgten Fertigstellung auch als Monsterprojekt hinsichtlich Organisation und Arbeitsaufwand erweisen: Neben Schrefler waren Thomas Siegl, Martin Schemitsch (Animation) und Elmar Ranegger (Kamera, Schnitt) ständig am Werk, Paulino Alejo und Lorenzo Maza bearbeiteten die Texte und Übersetzungen ins Quechua, das Management besorgten Georg Brandenburg und Eva Gütlinger der Linux & Server-Support kommt von Peter Gartner. Zu Performances und Präsentationen während der Produktion wurde der aus Quito / Ecuador stammende Künstler, Pädagoge und Schamane Luis Virachocha eingeflogen. Allein die Renderzeit für Intiñahui betrug 13.000 Laufstunden, das entspricht durchgehend etwa 18 Monaten. Gefördert wurde das Projekt durch Mittel des Bundeskanzleramtes, des Landes Steiermark, der Stadt Graz, Cinestyria, des Landes Oberösterreich und des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten. – Das „Gesamtwerk“, wie Klaus Schrefler Intiñahui nennt, ist aber nicht allein ein Film.

Das Rad der Zeit. In Zusammenarbeit mit dem schon erwähnten Luis Virachocha und dem steirischen Künstler Walter Ackerl entstand eine Skulptur aus Sölkner Marmor mit dem Titel Das Rad der Zeit, die am 1. September 2005 nahe der Schlosskirche St. Martin enthüllt wurde. Die Skulptur mit einem Durchmesser von 180 Zentimetern und einem Gewicht von 2,38 Tonnen trägt auf ihrer Schauseite Symbole der vier Himmelsrichtungen mit deutlicher Nähe zu jenen des Films; wieder treten die Zahlen Eins bis Neun im inneren Zirkel auf. Und „zufällig“, erzählt Schrefler, treffen die Strahlen der auf- und untergehenden Sonne jeweils bei Tag- und Nachtgleiche durch eine zentrale Öffnung in diesem Zeitrad. Denkt man sich die Sonnenstrahlen zum besagten Zeitpunkt in einer Achse verlängert, träfen sie genau auf Ingapirca, dem Ausgangsort für Intiñahui: „Wir hätten diesen Effekt nicht berechnen können …“.

The Syndicate.
Klaus Schrefler ist promovierter Botaniker. Sein Arbeitsschwerpunkt als Lehrbeauftragter an der Uni Graz und als freier Wissenschafter behandelt vorwiegend ökologische Fragen. Im Rahmen von EU-Projekten beispielsweise war er beschäftigt für ein Österreichisches Programm zur Förderung einer umweltgerechten, extensiven und natürlichen Lebensraum schützenden Landwirtschaft. Als Künstler Autodidakt, stammen die Anstöße, Fragen um die menschliche Existenz auf dem Planeten im Kontext spartenübergreifender Kunst zu behandeln, wohl in erster Linie aus seiner wissenschaftlichen Tätigkeit, die etwa Biotopkartierungen im alpinen Raum, Vegetationsaufnahmen auf der Turracherhöhe oder einen Konsulentenauftrag für Natura 2000 in den Niederen Tauern umfassen. Schrefler ist auch als Erwachsenenbildner und Trainer tätig. In enger Beziehung zu Erfahrungen aus dieser Arbeit entstand ein Filmprojekt mit dem Titel Rhythmen der Gewalt, das auf zwei chronologisch gegenläufigen Spuren im selben Bild von Gewalt in der Familie handelt. Gewalt, meint Schrefler, entsteht bereits im Bewusstsein des Individuums, im disparaten Denken und Handeln im weitesten Sinn gegen eigenes Wohlbefinden. So beschreibt er die Motivation seiner Arbeiten auf das ideelle Ziel ausgerichtet, „Ängste und Erwartungen der Menschen zu reflektieren und sie damit zu konfrontieren, eigene Existenz vor gesellschaftlichem Kontexten zu hinterfragen“. Themen wie Armutsbekämpfung, Umweltschutz und der Einfluss des Konsumverhaltens auf die Ausprägung der Zustände in der Welt bestimmen, wie er erzählt, sein Denken. Überzeugt davon, dass Kunst ein probates Mittel ist diesen Prozesses menschlicher Entwicklung zu unterstützen, gründete er The Syndicate - intercultural network for transforming arts, eine Vereinigung von KünstlerInnen und ManagerInnen, die disziplin- und länderübergreifende Kunstprojekte umsetzt. „Zentrales Ziel ist es mit den Mitteln der Kunst jene Wert- und Weltbilder zu transformieren, die einer friedvollen Welt im Wege stehen, nach dem Motto: Wie können Einzelne die Fülle genießen, so lange ein Großteil im Kollektiv der Menschheit von Armut, Hunger und Krieg geprägt wird“.
In diesem Sinn waren Klaus Schrefler und Eva Ursprung auch mit der Organisation eines vom Afroasiatischen Institut in Graz initiierten Projekts zugange, in dessen Rahmen nigerianische Künstler im Frühsommer dieses Jahres ihre Uli-Malerei im ESC im Labor vorstellten. Reibungsfrei ging naturgemäß auch diese Organisation nicht vonstatten: Den Nigerianern wurden in einem ersten Ansuchen die Ausstellung von Visa zur Einreise nach Österreich verweigert – mit der Begründung, sie könnten, einmal in Österreich, eventuell um Asyl ansuchen.

Mehr zu Klaus Schrefler unter http://karasu.mur.at, www.schrefler.org und http://kulturserver-graz.at/v_en/schrefler.html

Wenzel Mraček




KURZBIOGRAFIE


Klaus Schrefler: Künstler, Wissenschafter – 1969 in Linz geboren,
Lebensmittelpunkt derzeit in Graz.
Visual Media Artist: Transdisziplinäre Kunstprojekte, Animationsfilme, Foto-, Video- und Installations-Arbeiten [zahlreiche internationale Präsentationen Deutschland, Frankreich, Dänemark, Slowenien, USA, Ecuador, Japan (zB Metropolitan Museum of Tokio; Fukuoka Art Museum) u. a.]; Studienreisen in rund 30 Länder. Schrefler begann in den 80-ern mit fotografischen Medien, verlagerte sich später zunehmend auf Visuelle Kunst i. w. S., Video unter Einbindung performativer Aktionen; Animationsfilm, Skulpturen und Werke im Öffentlichen Raum; Lehraufträge an der Universität Graz und freie wissenschaftliche Tätigkeit.
2003 Gründung von The Syndicate – intercultural network for transforming arts -  http://syn.mur.at.

Ausbildung
Studium Botanik / Ökologie, K.-F. Uni Graz,
2002 Abschluss mit Doktorat.
Kunstprojekte mit konzeptionellem Schwerpunkt
2007 The Politics of Culture – re-engaging Uli, Nigerianische Kunst in Graz, ESC im Labor, Graz
2006 The Politics of Culture – Nigerianische Kunst im Nirgendort, Landesschülerheim, Graz
Film & Video (Auswahl)
2005 Das Rad der Zeit, Dokumentationsvideo zur interkulturellen Marmorskulptur, 20min, Graz, Austria
2001-2006 Produktion INTIÑAHUI - Im Auge der Sonne, 3D-Animationsfilm, 9 Sequenzen, 30min, Graz, Austria
2001 Rhythmen Der Gewalt, Double-Screen-Video, 11min, Graz, Austria
Film Festivals - INTIÑAHUI - Im Auge der Sonne
2007: Videoformes, Clermont-Ferrand, Frankreich
2007: 23rd. Chicago Latino Film Festival, USA
2007: International Aarhus Festival of Independent Arts (AFIA) Dänemark
Video Installationen (Auswahl)
2004 Bahnhofs-Non-Stop-Kino, Rhythmen Der Gewalt, Graz, Austria
2003 ORF Steiermark, Vernissage zur Benefizausstellung, Frauen bauen ihre Zukunft, Graz, Austria
1999 Theatro Graz, Back to the Bone, Graz, Austria
Multimedia Performances Kooperationen (Auswahl)
2004 Generalmusikdirektion, Sunsession Graz – Performance-Ritual, Im Auge der Sonne, Graz, Austria
2003 art.work, Kulturserver der Stadt Graz; NCC03 Netart Community Congress
2002 Tabor Violence Festival, A Virtual Memorial, Tabor, Czech Republic; 43rd International Film Festival, Thessaloniki, Greece; Computer Space, Sofia, Bulgaria; Liverarti Festival Biennale, Liverpool, UK [Koop. mit Violence Online Festival]
2001 Dom Im Berg, Rhythmen Der Gewalt, Graz, Austria
2000 Gromki, Graz Meets Metelkova Festival, Zum Abschied vom Vater, Ljubljana, Slowenien;ESC Im Labor, Graz Meets Metelkova Festival, Zum Abschied vom Vater, Graz, Austria;Kulturzentrum bei den Minoriten, Zum Abschied vom Vater, Graz, Austria; Stadtmuseum, Zum Abschied vom Vater, Feldbach, Austria
1999 Linz Posthof, CCP-Records Showcase, Linz, AustriaKulturzentrum Weiz, Faces/ Phases of War, Weiz, Austria
Werke im öffentlichen Raum
2005 Schloss St. Martin, Das Rad der Zeit, interkulturelle Marmorskulptur 2,4 Tonnen, Graz, Austria
Gruppenausstellungen & Kooperationen (Auswahl)
2003 ORF Steiermark, Frauen bauen ihre Zukunft, Graz, Austria
Universitätsbibliothek Graz, UNIversum Graz, im Rahmen von Graz 2003, Graz, Austria
2002 Linz Hospiz, Lebenswert, Linz, Austria
2000 Kulturzentrum bei den Minoriten, Himmlisches Jerusalem, Graz, Austria
1999 Fukuoka Art Museum, Natural Rhythms, Fukuoka, Japan
Einzelausstellungen (Auswahl)
2001 Theater im Kürbis, Zum Abschied Vom Vater, Wies, Austria
2000 Literaturhaus Wien, Fehlerlose Dunkelheiten, Wien, Austria; Theater im Kürbis, Tendenzen, Wies, Austria
1999 Theatro Graz, Back to the Bone, Graz, Austria;
Aktionen (Auswahl)
2005 Bahnhofskino, Rhythmen der Gewalt, Graz, Austria
1997 PAN Art Gallery, Faces/ Phases of War, Fukuoka, Japan
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