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Steirische Klimabilanz: Solar und Biomasse boomen – der Energieverbrauch leider auch
Sonntag, 10. Februar 2008
Auf den ersten Blick ist alles halb so schlimm: Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Steiermark sind zwar nicht vernachlässigbar, aber eine bewältigbare Herausforderung. Auch wenn im Wintersport bei der prognostizierten Erwärmung von 2 Grad bis 2020 nur mehr 17 von 34 Schigebieten übrig bleiben, die ohne Kunst-Beschneiung auskommen – „der Tourismus ist der Hauptverlierer des Klimawandels“, sagt Experte Franz Prettenthaler von Joanneum Research – sollte eine Umstellung auf Ganzjahres-Angebote die Einbrüche im Winter zumindest teilweise abfangen.

Die Landwirte in der Oststeiermark, die mit immer mehr Trockenzeiten rechnen müssen – in manchen Gebieten und vor allem bei Grünlandnutzung wird die Grundwasserneubildung völlig ausbleiben – werden ihre Produktion auf trockenheitsresistentere Pflanzen umstellen müssen; die schlimmsten Auswirkungen werden aber durch die Zuleitung von Wasser wie etwa durch die Raabtal-Wasserleitung kompensiert werden können. Innovative Formen des Risiko-Poolings für sensible Branchen wie eben Tourismus und Landwirtschaft und der Einsatz neuer Technologien wie der solaren Kühlung sollten helfen, den zu erwartenden Änderungen die Stirn zu bieten.

Die Klimaprobleme in der Steiermark sind allerdings nur eine Fußnote zu den globalen Entwicklungen. Wir emittieren pro Kopf und Nase zwar 40-mal so viel Treibhausgase wie ein durchschnittlicher Afrikaner, nämlich ca. 11,5 Tonnen, aber unsere günstige topografische Situation lässt die Armen des Südens für unsere Öko-Sünden büßen und hält für uns selbst die Konsequenzen in Grenzen.
Was durch die erwähnten Umstellungsmaßnahmen allerdings nicht in den Griff zu bekommen ist, sind die weltweiten Folgen des Klimawandels – Kriege um Wasser, Hungersnöte, Fluchtbewegungen und aus all dem folgend der drohende Rückfall in die Barbarei. Diesen Folgen können wir uns weder durch militärische Abschottungsphantasien à la Festung Europa noch durch herkömmliche Modelle der Entwicklungshilfe oder durch Emissionshandel entziehen. Was wir tun können: Vor Ort die Weichen für einen Ausstieg aus der fossilen Sackgasse stellen und gleichzeitig den Energiebedarf insgesamt dämpfen.

Für diesen Ausstieg gibt es in der Steiermark gute Voraussetzungen. Zum einen lässt sich auf bereits Erreichtem aufbauen; zum Zweiten gibt es ausreichend Know-how, einschlägig tätige Unternehmen und vor allem auch zivilgesellschaftliches Engagement. Schon jetzt liegen wir ja weit über dem EU-Schnitt, was den Einsatz von erneuerbaren Energien betrifft, nämlich bei 25% vom gesamten Energie-Aufkommen (dazu zählt auch Strom aus Wasserkraft, der naturgemäß einen großen Anteil ausmacht); im Unions-Schnitt sind es derzeit gerade 8,5%.
Zum Erreichten zählen Erfolgsstorys wie jene der thermischen Solarenergie; die Gesamtkollektorfläche ist zwischen 2005 und 2007 um 68.500 Quadratmeter angestiegen und beträgt nun im Wohnbereich ca. 420.000 Quadratmeter. Hauptgrund für diesen Boom: Die Installation einer solaren Warmwasserbereitungsanlage ist verpflichtend, wenn Bauherren in den Genuss der Wohnbauförderung kommen wollen; der hohe Amortisationsgrad solcher Anlagen würde es durchaus rechtfertigen, sie in der steiermärkischen Bauordnung verpflichtend vorzuschreiben, sagt Gerhard Ulz, Geschäftsführer des Landesenergievereins. Dann wären wir nur mehr wenig vom Idealzustand entfernt, den gesamten Warmwasserbedarf der SteirerInnen mit der Kraft der Sonne zu decken.
Der ressortzuständige Umweltlandesrat Ing. Manfred Wegscheider peilt eine Verdreifachung der bestehenden Fläche bis zum Jahr 2015 nach der Devise „Ein Quadratmeter Solarkollektor für jeden Steirer“ an. Die Förderungen, die im Bereich der thermisch genutzten Solarenergie im vergangenen Jahr 3,6 Mio Euro ausmachten, werden 2008 auf 4,8 Mio ansteigen – „und sie sind im Wachstumsbudget bereits enthalten“, betont Wegscheider.

Ähnlich positiv entwickelt sich die Nutzung von Biomasse-Heizungen: zwischen 2005 und 2007 hat sich ihre Gesamtleistung mehr als verdoppelt – von 23.170 auf 59.386 Kilowatt, 2008 sollen weitere 15.000 Kilowatt dazukommen. Die Förderungen werden von 3,45 Mio im vergangen Jahr auf heuer 4,2 ansteigen.
Hand in Hand damit geht der Ausbau der Nahwärme: Bis 2015 sollen entsprechend dem FEDARENE-Ziel der Europäischen Regionalen Energie und Umwelt-Agenturen 70 Prozent der 542 steirischen Gemeinden über Nahwärmenetze versorgt werden.

Trotz all dieser Erfolge: Energieverbrauch und CO2-Emissionen steigen weiterhin an. 2000 wurden in der Steiermark 42,9 Mrd Kilowattstunden Energie verbraucht, 2005 waren es bereits 46,95 Mrd. – das ist ein Anstieg um über 9% in fünf Jahren. Der Anteil an erneuerbaren Energieträgern an der verbrauchten Energie in diesem Zeitraum von 14 auf 12 Prozent gefallen (in dieser Zahl ist der Stromverbrauch nicht enthalten); aber auch bei der Stromerzeugung sinkt ihr Anteil merkbar: Der zusätzliche Energieverbrauch wird überwiegend aus fossilen Quellen abgedeckt.
Der steigende Energiebedarf steht somit nicht nur im Widerspruch zu den Kyoto-Zielen, sondern auch zu EU-Vorschriften, die eine jährliche Reduktion des Energieverbrauchs um 1% vorsehen.

Strengere Vorschriften im Baugesetz. Wo muss der Hebel angesetzt werden, um substanzielle Reduktionen des Energieverbrauchs zu erreichen? Bei den Raumheizungen konnte durch Dämmmaßnahmen, effizientere Heizungen und die Tatsache, dass die Wohnbauförderung Heizungen mit fossilen Energieträgern ausschließt, viel erreicht werden. Dennoch, sagt der Energiebeauftragte des Landes, DI Wolfgang Jilek, könnte eine entsprechende Novellierung des Baugesetzes mit einer Verschärfung der Wärmedurchlasswerte noch deutliche Zusatzeffekte bringen. „Allein durch entsprechende Maßnahmen im Baubereich könnte man den Gesamtenergieverbrauch bis 2020 um ca. drei bis fünf Prozent reduzieren.“

Potenziale in der Industrie. Den größten Anteil am Gesamtenergieverbrauch, nämlich 37%, beansprucht der Produktionssektor. Auch wenn in diesem Bereich der Verbrauch sogar leicht zurückgeht, bleibt noch viel zu tun – etwa was die Nutzung der industriellen Abwärme betrifft. Jilek: „Schon vor zehn Jahren wurden diesbezüglich die ersten Gespräche mit Böhler, Alpine und Sappi geführt, jetzt gibt es einen ersten Erfolg: Böhler stellt 1,5 Megawatt für die Nahwärme-Heizung eines Kapfenberger Stadtteils zur Verfügung. Das Gesamtpotenzial liegt dort bei sieben bis zehn Megawatt. Und Sappi und Alpine sind nun auch bereit diesem Beispiel zu folgen.“

Stromhunger der Haushalte wächst. Dringende Maßnahmen sind auch beim Stromverbrauch geboten – allein zwischen 2000 und 2005 ist der Verbrauch an elektrischer Energie in der Steiermark von 8,5 Mrd Kilowattstunden auf 9 Mrd angestiegen, also um über 10 Prozent; 1990 waren die SteirerInnen noch mit ca. 6,6 Mrd Kilowattstunden ausgekommen. Schuld daran ist unter anderem der steigende Stromverbrauch durch Haushaltsgeräte. Die steigende Energie-Effizienz von Waschmaschinen, Kühlschränken, Geschirrspülern und Gefriertruhen wird durch die zunehmende Zahl an Geräten – vor allem im Bereich EDV und Kommunikation – problemlos kompensiert.

Ökostrom: Bartensteins ungeliebtes Kind. Zudem hat sich Österreich verpflichtet, den Anteil von Strom aus erneuerbaren Energieträgern auf 78,1% anzuheben, derzeit liegt er aber in der Steiermark bei 65%. Tendenz: fallend, denn der zusätzliche Strombedarf wurde aus anderen Quellen gedeckt.
Mit Schuld daran ist das Ökostrom-Gesetz (bzw. dessen nun auf der politischen Tagesordnung stehende Novellierung), das u.a. die Förderbeiträge auf 21 Mio Euro für ganz Österreich und alle Ökostrom-Anlagen deckelt, die Laufzeiten der Einspeistarife dem Gutdünken des Wirtschaftsministers anheim stellt und damit Unsicherheiten für die Betreiber schafft, den Anteil der Fotovoltaik auf 12% bzw. 17 Megawatt begrenzt und die Einspeistarife dafür senkt, während unter dem Titel Ökostrom auch die Verwendung von fossilen Brennstoffen in der so genannten Kraft-Wärme-Kopplung – Kraftwerke, deren Abwärme zu Heizzwecken genützt wird – gefördert wird, ebenso die Erzeugung von Strom durch die Ablaugeverbrennung in der Industrie.

Landes-Umweltpolitiker wehren sich. Die einseitig an den Interessen umstellungsfeindlicher Wirtschaftssektoren orientierten gesetzlichen Vorschriften haben auch in der Steiermark bisher die Entstehung einer relevanten Ökostrom-Produktion verhindert: 2005 wurden in unserem Bundesland 705.000 Kilowattstunden Strom aus Solarzellen ins Stromnetz eingespeist, 2006 waren es 830.000 – wahrlich kein großer Sprung nach vorn. Und von den 28 als geeignet identifizierten Standorten für Windkraftwerke in der Steiermark wurden bisher gerade sieben realisiert, dort sind 32 Anlagen mit einer Nennleistung von ca. 50 Megawatt in Betrieb, die 2007 insgesamt 100 Mio Kilowattstunden elektrische Energie lieferten. Allerdings werden nun auch innerhalb der Regierungsparteien Stimmen laut– wie etwa jene des steirischen Umweltlandesrates Manfred Wegscheider (SP) und jenes seines niederösterreichischen Amtskollegen Josef Plank (VP) – die gemeinsam mit dem oberösterreichischen grünen Landesrat Rudi Anschober eine Änderung des Ökostromgesetzes nach deutschem Vorbild verlangen. Und dabei betonen, dass diese Bestimmungen in Deutschland die Schaffung von 136.000 Arbeitsplätzen ermöglicht haben.

Der Steirer fährt gerne viel – und SUV. Die Hauptschuld am wachsenden Energieverbrauch trägt ein Sektor, in dem erneuerbare Energien eine völlig untergeordnete Rolle spielen, nämlich der Verkehr – der Anteil an den klimaschädigenden fossilen Treibstoffen liegt hier bei 94%. An erster Stelle liegt dabei der PKW, an zweiter der Straßengüterverkehr. Der jährliche Verbrauch von Benzin und Diesel ist in der Steiermark von 2000 bis 2005 von 764.000 auf 788.000 Tonnen gestiegen, bei einer Fortschreibung des bisherigen Szenarios werden es 2015 schon 821.000 Tonnen sein.
Von 1990 bis 2007 ist die Zahl der in der Steiermark an gemeldeten Personenkraftwagen um 44% – von 454.935 auf 655.000 – gestiegen, „15-mal so stark wie die Bevölkerung“, stellt VCÖ-Sprecher Christian Gratzer fest. Besonders frappierend ist die Modellwahl: SUVs und Geländewagen verbrauchen zwar rund ein Drittel mehr Benzin bzw. um die Hälfte mehr Diesel als ein PKW, werden aber immer beliebter. Allein 2006 wurden in unserem Bundesland 3759 Geländewagen verkauft, um 22% mehr als im Jahr zuvor.

Einschränkungen sind nötig. Wenn es auch wahr ist, dass eine verfehlte Raumordnung und eine jahrzehntelange Bevorzugung des Individualverkehrs gegenüber den öffentlichen Verkehrsmitteln durch die Politik vielen SteirerInnen gar keine andere Möglichkeit der Mobilität gelassen haben als jene, die pro Person mehrere Kubikmeter blechumhüllten Raums, einen Explosionsmotor und literweise Erdöl benötigt, so heißt das nicht, dass diese Mobilität zwingend mit an die zwei Tonnen wiegenden Gefährten mit über 200 PS und entsprechendem Umweltverbrauch realisiert werden muss. Ebenso wenig wie der freie Warenverkehr bedeuten darf, dass die Allgemeinheit über Gesundheits- und Klimaschutzausgaben die Praxis subventioniert, Nordseekrabben mit einem Verbrauch von 35 Litern Diesel und einem entsprechenden Ausstoß von 95 Kilo CO2 auf 100 km auf Kosten der Allgemeinheit mit dem LKW zum Schälen nach Marokko zu karren und dann wieder zurück nach Mitteleuropa.
Massive Angebotsverbesserungen (wie sie in der Steiermark nun endlich in Angriff genommen werden, etwa durch die endlich umgesetzten Straßenbahnverlängerungen, die S-Bahn und die Förderung des Radverkehrs) und Bewusstseinsbildung werden diesem Bereich offenbar mit klaren gesetzlichen Regelungen und Einschränkungen einhergehen müssen. Dass das mit ein bisschen Durchsetzungswillen funktioniert, beweist etwa der Londoner Bürgermeister Ken Livingstone: Nicht nur, dass er die City-Maut eingeführt hat: Der Tarif für protzige SUVs liegt beim Dreifachen der Normalgebühr, und seit kurzem zahlen besonders umweltschädigende LKWs trotz wütender Proteste der Frächterlobby eine Sondermaut von 270 Euro – täglich.

Christian Stenner

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