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Madame Butterfly - elegante Aktualität |
Mittwoch, 12. Dezember 2007 | |
Giacomo Puccinis Oper „Madame Butterfly" ist noch eine inszenatorische Hinterlassenschaft des allzu früh verstorbenen Regisseurs Dietmar Pflegerl für Klagenfurt. Sein Mitarbeiter Michael Eybl hat die Oper über das traurige Geschick der Geisha in Nagasaki nun für das Grazer Opernhaus adaptiert. Das Hauptmerkmal der Inszenierung ist eine kühle Sachlichkeit, die aber keinesfalls als „neuer Schlauch" dient, in dem der Wein eines alten Opernverständnisses vor sich hingärt. Andererseits benutzt Pflegerl Puccinis Oper auch nicht als „alten" Schlauch für neue Inhalte. Die Oper erzählt die Geschichte von Cio-Cio-San, der schönen Geisha, die zum Christentum übertritt, um dem amerikanischen Marineoffizier Benjamin Franklin Pinkerton eine „richtige" Frau zu werden. Allerdings verlässt sie der Pragmatiker auf Außendienst nicht nur bald, sondern verlangt von seiner Geisha, dass sie nach Jahren zermürbenden Wartens seiner „richtigen" amerikanischen Frau auch noch das Kind überlässt. Dass sie daraufhin Selbstmord begeht, lässt sich durchaus realpolitisch lesen. Die 1904 uraufgeführte Oper ist also ein Paradebeispiel für zweifachen Kolonialismus: Einerseits jenen historischen durch Europa und dann Amerika am Rest der Welt. Andererseits geht es auch um den Kolonialismus der Männer an den Frauen. Ob Goro, der Heiratsvermittler (in der Rolle entsprechend wendig Manuel von Senden), der von Konstantin Sfiris mit mächtigem Bass gesungene Onkel Bonzo, der romantische Fürst Yamadori oder der naiv egoistische Pinkerton – die Frau fungiert entweder als Verdienst- bzw. Lustquelle oder als Projektionsfläche ihrer Obsessionen. Der amerikanische Tenor William Joyner, groß und etwas plump als Marineoffizier Pinkerton, kann also als Idealbesetzung gesehen werden. Allerdings gehören Joyners schematische, zeichenhafte Gesten und Haltungen noch ziemlich zu jener Opernästhetik, für die allein der Gesang das Spiel und das Spiel allenfalls visuelle Markierung bedeutete. Auch der Regie ist gerade im ereignislosen, langen ersten Akt außer einigen Zigarren und Drinks wenig für Pinkerton eingefallen. Gesanglich hat es Joyner nicht immer leicht, sich gegen das anfangs etwas laute und nicht besonders federnde Orchester unter Johannes Fritzsch durchzusetzen. Sowohl spielerisch als auch hinsichtlich ihres Gesanges überzeugten dagegen die Armenierin Karine Babajanyan in der Titelrolle der Cio-Cio-San und kongenial an ihrer Seite die Dienerin Suzuki von Andrea Ulbrich.
Variationsfähige Bühne. Die Bühne mit ihren großen, halb transparenten Paravents nimmt zwar das Motiv japanischer Schiebetüren auf. Sie mutiert aber über das folkloristische Zitat hinaus zu einer bei aller Opernhausgröße ungemein eleganten, äußerst variationsfähigen Bühne, die intime Liebesszenen, Massenauftritte und naturhaft anmutende Lichtmalereien gleichermaßen zulässt. Zeichen werden sparsam, aber nachdrücklich gesetzt. Etwa der Spielzeugdampfer mit US-Flagge im Zierbecken; der Kampf der Kulturen, Shintoismus versus Christentum, wird präzise herauspräpariert. Giovanni Meoni als Konsul Sharpless sorgt in diesen kulturellen Wirbeln mit seinem soliden Bariton allerdings für den emotionalen Ausgleich.
Die nicht zuletzt wegen der Kostüme von Annette Zepperitz elegante, zurückhaltende Aufführung ruft Erinnerungen an Bilder einer kolonialen Welt wach, die, ähnlich den Tieren in den Zoos, vor allem koloniale Gier und Exotismus präsentieren. Aber da diese Erinnerungen noch vor der allgegenwärtigen Verfügbarkeit der Fernsehbilder entstanden, war mit ihnen noch ein naives Staunen verbunden. Puccinis „Madame Butterfly" im Grazer Opernhaus ruft die Erinnerung an das Staunen über diese unschuldig-kindlichen Bilder, aber auch an die bittere Gegenwart zurück. Ein Grund mehr, die Aufführung zu besuchen.
Noch am 20. und 29. Dezember 2007, am 9., 20., und 23. Jänner und am 3. und 10. Februar 2008. Willi Hengstler
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