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„Die Freiheit der Kunst wird in den Mund genommen und durch den After wieder abgeführt“
Archiv - Rezensionen
Dienstag, 14. März 2006
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Bei einer Forum-Stadtpark-Diskussion über Kunstfreiheit im öffentlichen Raum wurden schwer wiegende Vorwürfe laut.

Die Vorgeschichte ist bekannt: Nach Pornografie-Vorwürfen der Kronenzeitung gegen Werke von Carlos Aires und der aus Serbien/Montenegro stammenden und in Deutschland lebenden Tanja Ostojic’ wurden diese aus dem „Rolling-Boards"-Gesamtprojekt „euroPART. Aktuelle Kunst aus Europa" entfernt. Eine besonders in Bezug auf die zweite Arbeit skurrile Vorgangsweise, handelte es sich dabei doch um eine (wesentlich entschärfte!) Paraphrase auf Gustave Courbets L’Origine du Monde (1866).

Erlaubt ist nur mehr, was mehrheitsfähig ist. Anton Lederer, Vorsitzender des Forum Stadtpark, holte im Jänner mit der Affichierung eines Plakates mit Ostojic’ diskreditiertem Sujet an der Forum-Fassade zum Konter aus. Eine öffentliche Diskussion zum Thema Die Freiheit der Kunst im öffentlichen Raum anlässlich der EU-Plakate folgte am 14. Februar.

Die aktuelle Kunst-Demontage rund um die „EU-Plakate" sei symptomatisch dafür, dass die „Freiheit der Kunst" in Österreich immer mehr eingeschränkt werde – so die Prämisse. Bald werde in der Öffentlichkeit nur mehr erlaubt sein, was mehrheitsfähig ist. Und: „Wir entfernen uns immer mehr von der Übereinkunft, dass die Förderungspolitik der öffentlichen Hand genau für jene Kunst da sein sollte, die experimentell, kritisch und gewagt ist", stellte Lederer in einer Aussendung der Diskussion voran.

„Wir beugten uns dem Druck." 75 KünstlerInnen aus dem EU-Raum, erzählte euroPART-Kurator Walter Seidl in der Podiumsdiskussion, hätten er und Co-Kuratorin Ursula Maria Probst nach ihrer Auswahl zum Projekt euroPART geladen. Eine Intention als Werbekampagne für die EU habe nicht bestanden, vielmehr galt es, sich der Rolling Boards als neues Präsentationsmedium im Kontext öffentlicher Kunst anzunehmen. Im Vorfeld wurde seitens des Bundeskanzleramtes keiner der Beiträge kritisiert und man wusste dort sehr wohl, so Seidl, welche Sujets zur Veröffentlichung gelangen sollten. Infolge der Skandalisierung stellten aber Sponsoren und Bundeskanzleramt die KuratorInnen vor die Wahl, die zwei inkriminierten Sujets zu entfernen, andernfalls werde das gesamte Projekt zurückgezogen. Nach telefonischer Absprache mit Aires und Ostojic’ „beugten wir uns diesem Druck" (Seidl) und die kritisierten Beiträge wurden entfernt.

Das Gute tun ohne es tun zu müssen. Der Wiener Rechtsanwalt Alfred J. Noll bemerkte dazu, dass seit 1982 die „Kunstfreiheit in Österreich eingeführt wurde, seitdem wird sie in den Mund gesteckt und durch den After wieder abgeführt. Die Justiz dient als entsprechendes Verdauungsmittel." Der Grund dafür sei, dass es kein Subjekt der Kunstfreiheit gebe und die Politik auch nie auf der Suche nach einem solchen Subjekt gewesen sei, vielmehr bediente man sich der Kunstfreiheit als ideologisch hegemoniales Mittel, um das Gute zu tun, ohne es je tun zu müssen. Der Unmöglichkeit absoluter Freiheit begegnen Juristen mit „immanenten Schranken der Kunstfreiheit", die man je nach tagespolitischen Aktualitäten, nach Beleidigungs- und Erregungsgrad realisieren kann. Beispiele sind das bestehende österreichische Aufführungsverbot für Herbert Achterbuschs Das Gespenst oder das zeitweilig verfügte Verkaufsverbot für Thomas Bernhards Holzfällen.

Vorher diskutieren? Katharina Blaas-Pratscher, Publizistin und als Kuratorin tätig in der Abteilung für Kunst im öffentlichen Raum der niederösterreichischen Landesregierung, sprach sich hinsichtlich einer Realisierung von Kunst im öffentlichen Raum für die Diskussion um die zu realisierenden Projekte mit den KünstlerInnen schon während des Entwicklungsprozesses aus. Dem widersprach Noll vehement: „Die Kunst hat die Aufgabe, Kunst zu schaffen und sie diskutiert nicht [um Bedingungen der Veröffentlichung], schon gar nicht mit der Politik."

Armin Thurnher, Herausgeber der Wiener Stadtzeitung „Falter", sieht die Entfernung der Sujets von Aires und Ostojic’ als „Ausübung der Definitionsmacht eines Auftraggebers". Der derzeitigen österreichischen Regierung wirft er eine Mischung aus „Renaissance eines repräsentativen Kulturalismus und der Kommerzialisierung unter dem Schlagwort Creative Industries" vor.

Versagen der KuratorInnen? Aus dem Publikum meldete sich Margarethe Macovec (<rotor>) zu Wort. Sie warf dem Kuratorenpaar vor, dem politischen Wunsch entsprochen zu haben, anstatt sich vom Gesamtprojekt zu distanzieren. Eine solche Haltung hätte wohl eine öffentliche und inhaltlich wertvollere Diskussion um Kunst im öffentlichen Raum ausgelöst. Alfred Noll stimmte zu: „Eine Lektüre des Paragrafen 6 des Urheberrechtsgesetzes hätte den KuratorInnen gut angestanden: Sie sind Urheber eines ,Sammelwerkes‘. Wer dieses nutzt, macht das nur mit Zustimmung derer, die es geschaffen haben, dem Kuratorenteam. Wer deren Werk beeinträchtigt, entstellt oder geistige Interessen beeinträchtigt, der wird vor österreichischen Gerichten geklagt. Dass diese Überlegung im öffentlichen Raum nicht thematisiert worden ist, ist ein schweres Versagen der Kuratoren."

In Zusammenarbeit mit dem Institut für Kunstgeschichte veranstaltet die Akademie Graz nach einem Konzept von Univ.-Doz. Dr. Werner Fenz, Dr. Astrid Kury und Prof. Dr. Götz Pochat ein Symposium zum Thema Kunst im öffentlichen Raum vom 11. bis 13. Mai 2006 im Hörsaal des Instituts für Kunstgeschichte der KF-Uni Graz. Details unter www.akademie-graz.at
Wenzel Mračekk

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