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Von Täuschung zur Ent-Täuschung - Timm Ulrichs’ Camouflage
Samstag, 10. November 2007
Über das Denken sei Timm Ulrichs (geb. 1940 in Berlin) zur Kunst gekommen, hielt Kunsthistoriker Werner Fenz in der Eröffnungsrede zur Ausstellung Camouflage – zwischen täuschung und enttäuschung fest. In der Tat beschäftigen den Meister der deutschen Konzeptkunst seit Anfang der 1960er Jahre die Verhältnismäßigkeiten zwischen wahrnehmbarer Welt und dem Künstlerindividuum, das vorzugsweise zumeist Timm Ulrichs selbst ist. Im Ansinnen, sein Alltags- und Privatleben zum Gegenstand seiner künstlerischen Auseinandersetzung zu erheben, gründete er schon 1961 die Werbezentrale für Totalkunst, womit er bewusst einen ambivalenten sprach- wie geschichtskritischen Aspekt des Künstlerdaseins unter dem Motto „Wollt ihr die totale Kunst?" evozierte. 1969 eröffnete er eine Kunstpraxis mit „Sprechstunden nach Vereinbarung" und verhandelte in der Folge Brechungen eines als konservativ oder konventionell zu bezeichnenden Kunst- und Subjektbegriffs in spektakulären Performances, Antiskulpturen und Videoaktionen.

Sprache als Kunstgegenstand. Ein großer Teil seines Œuvres behandelt in Konzeptwerken die Polyvalenz des Mediums Sprache als bewusstseins- und wahrnehmungskritisches Werkzeug in Sprachspielen, wie etwa in der Verkehrung von Descartes’ „Ich denke, also bin ich" in „ich bin also, denke ich./ich denke also: bin ich?". Im Rahmen seiner Selbsterforschung als Werk stellte sich Timm Ulrichs 1966 als 1. lebendes Kunstwerk, auf einem Stuhl in einer Vitrine sitzend, in der Frankfurter Galerie Patio aus.

In darauf basierenden Multiples und auf einer Fotografie führt Ulrichs ein Sprachspiel vor, das zwar nicht Teil der aktuellen Ausstellung im Grazer Museum der Wahrnehmung Muwa ist, das aber im Kontext des Tarnens und folgenden Ent-Täuschens der in etlichen Paradoxien angelegten Schau vielleicht als schlüssiges Initial gelesen werden kann: Besagte Fotografie aus dem Jahr 1975 zeigt Timm Ulrichs mit Blindenschleife, Stock und dunkler Brille. Um seinen Hals hängt eine Tafel, darauf der Satz „Ich kann keine Kunst mehr sehen".

 

 

Tarnmuster in neuen Zusammenhängen. Als Camouflage wird eine Technik der sozialpsychologischen Abwehr bezeichnet, bekannter sind vielleicht die Camouflage-Muster auf militärischer Tarnkleidung. In der Muwa-Ausstellung unter diesem Titel wird aber gerade der Tarneffekt in mehrfacher Hinsicht ins Gegenteil verkehrt, wenn Objekte und Installationen aus dem Zeitraum von 1968 bis 2007 zwar mit den in anderem Zusammenhang bewährten Tarnmustern ausgestattet sind, im Galerie- und Kunstraum aber gerade dadurch als Kunstwerke hervorgehoben werden. Schon die Fassade des oktogonalen Museums der Wahrnehmung wird durch das ironisch-kaschieren-wollende Tarnnetz betont. Über die raumgreifende Installation Kriegsschauplatz – ein Wimmelbild bewegen sich Besucher auf einem ebenso auffälligen Steg hinweg. Bezüge werden hier zur Tradition niederländischer Malerei des 16. Jahrhunderts mit ihren unzähligen Figuren im Bild hergestellt. 500 mechanische Spielzeugsoldaten robben in Tarnanzügen unter akustischem Dauerfeuer durch den Raum und geraten in Konflikt mit Objekten wie Das getarnte Frühstück im Grünen I, das wiederum auf Manet rekurriert. Ein bewegliches Sandkastenspiel – Birnams Wald – und ein in Tarnfarben ausgeführtes Schachspiel lassen an den Ursprung kriegsstrategischer Werkzeuge wie das indische Chaturanga – der Sandkasten als Modell kriegerischer Auseinandersetzung – denken. Indem Timm Ulrichs vorgibt, die Objekte und damit die Kunst zu verbergen, werden Betrachter zu Ent-deckern – als Reaktion auf das inhärente Täuschen folgt das Ent-Täuschen.

Als Camouflage wird eine Technik der sozialpsychologischen Abwehr bezeichnet, bekannter sind vielleicht die Camouflage-Muster auf militärischer Tarnkleidung. In der Muwa-Ausstellung unter diesem Titel wird aber gerade der Tarneffekt in mehrfacher Hinsicht ins Gegenteil verkehrt, wenn Objekte und Installationen aus dem Zeitraum von 1968 bis 2007 zwar mit den in anderem Zusammenhang bewährten Tarnmustern ausgestattet sind, im Galerie- und Kunstraum aber gerade dadurch als Kunstwerke hervorgehoben werden. Schon die Fassade des oktogonalen wird durch das ironisch-kaschieren-wollende Tarnnetz betont. Über die raumgreifende Installation bewegen sich Besucher auf einem ebenso auffälligen Steg hinweg. Bezüge werden hier zur Tradition niederländischer Malerei des 16. Jahrhunderts mit ihren unzähligen Figuren im Bild hergestellt. 500 mechanische Spielzeugsoldaten robben in Tarnanzügen unter akustischem Dauerfeuer durch den Raum und geraten in Konflikt mit Objekten wie , das wiederum auf Manet rekurriert. Ein bewegliches Sandkastenspiel – – und ein in Tarnfarben ausgeführtes Schachspiel lassen an den Ursprung kriegsstrategischer Werkzeuge wie das indische Chaturanga – der Sandkasten als Modell kriegerischer Auseinandersetzung – denken. Indem Timm Ulrichs vorgibt, die Objekte und damit die Kunst zu verbergen, werden Betrachter zu Ent-deckern – als Reaktion auf das inhärente Täuschen folgt das Ent-Täuschen.

 

 

Timm Ulrichs’ Camouflage – zwischen täuschung und enttäuschung im Grazer Muwa ist bis 31. Jänner zu sehen. Informationen unter www.muwa.at

 

 

Wenzel Mraček

Ein großer Teil seines Œuvres behandelt in Konzeptwerken die Polyvalenz des Mediums Sprache als bewusstseins- und wahrnehmungskritisches Werkzeug in Sprachspielen, wie etwa in der Verkehrung von Descartes’ „Ich denke, also bin ich" in „ich bin also, denke ich./ich denke also: bin ich?". Im Rahmen seiner als Werk stellte sich Timm Ulrichs 1966 als , auf einem Stuhl in einer Vitrine sitzend, in der Frankfurter Galerie Patio aus. Als Camouflage wird eine Technik der sozialpsychologischen Abwehr bezeichnet, bekannter sind vielleicht die Camouflage-Muster auf militärischer Tarnkleidung. In der Muwa-Ausstellung unter diesem Titel wird aber gerade der Tarneffekt in mehrfacher Hinsicht ins Gegenteil verkehrt, wenn Objekte und Installationen aus dem Zeitraum von 1968 bis 2007 zwar mit den in anderem Zusammenhang bewährten Tarnmustern ausgestattet sind, im Galerie- und Kunstraum aber gerade dadurch als Kunstwerke hervorgehoben werden. Schon die Fassade des oktogonalen wird durch das ironisch-kaschieren-wollende Tarnnetz betont. Über die raumgreifende Installation bewegen sich Besucher auf einem ebenso auffälligen Steg hinweg. Bezüge werden hier zur Tradition niederländischer Malerei des 16. Jahrhunderts mit ihren unzähligen Figuren im Bild hergestellt. 500 mechanische Spielzeugsoldaten robben in Tarnanzügen unter akustischem Dauerfeuer durch den Raum und geraten in Konflikt mit Objekten wie , das wiederum auf Manet rekurriert. Ein bewegliches Sandkastenspiel – – und ein in Tarnfarben ausgeführtes Schachspiel lassen an den Ursprung kriegsstrategischer Werkzeuge wie das indische Chaturanga – der Sandkasten als Modell kriegerischer Auseinandersetzung – denken. Indem Timm Ulrichs vorgibt, die Objekte und damit die Kunst zu verbergen, werden Betrachter zu Ent-deckern – als Reaktion auf das inhärente Täuschen folgt das Ent-Täuschen.
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