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Cynthia McKinney: "Die US-Regierung hat keine Glaubwürdigkeit mehr"
Samstag, 10. November 2007
Das war Elevate 2007

Vier Tage lang Musik vom Feinsten, Praxis-Workshops für die Musikszene und hochkarätige Diskussionen zum Schwerpunkt „Demokratie" – das war das Grazer „Elevate"-Schlossbergfestival 2007. KORSO war Medienpartner und live dabei.


Als Eröffnungssprecherin des ELEVATE-Festivals 2007 zum Schwerpunkt Democracy! trat die amerikanische Politikerin Cynthia McKinney auf. Ihre kämpferische Haltung, die sie auf ihre, in der Bürgerrechtsbewegung engagierte, Familie zurückführt, hat ihr unter einer von „Patriotismus" getragenen Stimmung in den USA nicht nur Sympathien eingetragen.

Sie war als Kongressabgeordnete der Demokraten gegen den Krieg im Irak aufgetreten, hatte eine Aufklärung der Hintergründe um 9/11 gefordert und in einer Anfrage an Donald Rumsfeld rund um im Pentagon versickerte Milliarden für Aufsehen gesorgt. Vom TV-Sender Fox News wurde sie dafür diffamiert, während der Dokumentarfilm American Blackout von Ian Inaba ihren Kampf gegen Wahlbetrug und für Demokratie schildert. Josef Schiffer sprach für KORSO mit McKinney über ihre weiteren politischen Pläne.

 

 

Was läuft in der US-Politik zurzeit in Ihren Augen falsch?

Die sozialen Probleme werden von der Regierung nicht angepackt. Es gibt extrem hohe Arbeitslosigkeit unter den Minderheiten und krasse Mängel im Gesundheitssystem: Wir geben am meisten pro Kopf aus, belegen aber in der Lebenserwartung weltweit nur den 42. Platz.
Anstatt eine vernünftige Beschäftigungspolitik zu betreiben, die vernünftige Löhne garantiert, wird eine Handels- und Subventionspolitik verfolgt, die nur auf die Interessen der Konzerne Rücksicht nimmt und die viele Arbeitsplätze in den USA gekostet hat. Illegale Beschäftigung von Immigranten wird stillschweigend geduldet, weil sie gewinnträchtig für die Arbeitgeber ist, und Krieg ersetzt die Energiepolitik. Der Staat sollte die Menschen schützen, aber die Anschläge von 9/11, die Hurrikans Rita und Katrina haben gezeigt, dass die Regierung in dieser Hinsicht völlig versagt hat.

 

Befindet sich demnach die US-Regierung in einer Legitimationskrise?

Die Politik der USA kostet viele Leben von Unschuldigen, nicht nur durch ihre Kriege, sondern durch die Weigerung, sich den klimapolitischen Herausforderungen zu stellen. Die Menschen in den USA beginnen diese Entscheidungen in Frage zu stellen und haben erkannt: Hier handelte es sich nicht darum, die Werte der USA zu verteidigen, sondern einen Kurs zu verfolgen, der nur den Interessen weniger Reicher nützt.

In Österreich habe ich beim Parlament keine Soldaten und Sperren gesehen, während in New Orleans private Söldner im Auftrag der Regierung durch die Straßen patrouillieren. In Washington wurde die Polizeipräsenz drastisch verstärkt. Die schwarze Minderheit war diesen Repressalien durch die Polizei schon immer ausgesetzt, aber die Gewaltbereitschaft der Polizei nimmt zu: In Florida wurde ein 14-jähriger schwarzer Junge durch Fußtritte getötet, der Täter später durch das Gericht freigesprochen. Die Haftraten sind in den USA die höchsten der Welt, höher als jene von China, weil die private Gefängnisindustrie fette Gewinne abwirft. Die Kriminalisierung beginnt schon innerhalb der Schule, wo das Wachpersonal Jugendliche wegen kleinster Vergehen verhaftet oder vor Gericht bringt.

 

 

Wie kann die Demokratie in den USA wieder an Glaubwürdigkeit gewinnen?

Die Erosion der Stimmen durch die elektronischen Abstimmungsmaschinen hat zu Verbitterung geführt. In den sechziger Jahren hat das geeinte Auftreten der Civil-Rights-Bewegung für ein Aufbrechen der verkrusteten Strukturen gesorgt. Sie hat nicht nur erfolgreich für die Rechte der Afroamerikaner, sondern auch für jene der Frauen und Behinderten gekämpft. Diese Erfolge können wiederholt werden, wenn die BürgerInnen ihre Stimmen erheben und ihre Rechte gemeinsam einfordern.

 

 

Ist das Bewusstsein der Menschen in den USA reif für Veränderung?

Unsere Nachrichten sind fast ausschließlich auf die USA zentriert, im Gegensatz zu Europa. Außerdem gibt es immer weniger echte Nachrichten, immer mehr Entertainment. Hier liegt auch ein zunehmendes Versagen des Journalismus vor, die Öffentlichkeit kritisch zu informieren. Unser Bild von der Welt ist verzerrt, sonst würden wir die Sanktionen gegen Kuba nicht aufrechterhalten. Die afrikanischen Staaten sollten das Recht behalten, ihre Kulturpflanzen zu nutzen, ohne von Gentechnik-Konzernen gegängelt zu werden. Auch in Malaysia, wo ich mich kürzlich aufhielt, wurde ein Bauer von Monsanto verklagt, weil sich genetisch verändertes Saatgut auf seinem Grund ausgebreitet hat.

 

 

Was hat Sie bewogen, als Präsidentschaftskandidatin für die Grünen anzutreten?

Es steht noch nicht fest, aber die Chancen stehen gut, dass ich mich den Argumenten nicht verschließen werde. Mit den Grünen verbindet mich das Ideal von den USA als friedlicher Partner für die Welt sowie der Kampf gegen Diskriminierung. Mein Vater war als heimgekehrter Soldat von einem öffentlichen Trinkbrunnen weggejagt worden. Er kämpfte später als Polizist gegen die Apartheid und ließ seine Familie daran teilhaben. Er zeigte mir, dass man vieles erreichen kann. Die Grünen werden oft als Idealisten gesehen, aber derselbe Idealismus hat den schwarzen Studenten im Süden zu ihren Rechten verholfen.

Sie werden sich jedoch auf einer breiteren Basis organisieren müssen, als das bis jetzt der Fall ist, dann werden sie die Erfolge bei den lokalen Wahlen auf das ganze Land ausdehnen können.

 

 

Was würden Sie an der amerikanischen Außenpolitik ändern?

Die „Supermacht" USA sollte wieder Moral, Respekt vor den Menschenrechten und die Werte der Demokratie verteidigen. Unsere Werte sprechen eindeutig dagegen, z.B. die Wahlen in anderen Staaten zu manipulieren, wie es in Venezuela oder beim Sturz des haitianischen Präsidenten Aristide geschehen ist. Die Außenpolitik der USA muss demilitarisiert werden. Ich würde die Auflösung des Africa Command erwirken und ein Friedensministerium einrichten, das Agenden des Außenamtes übernehmen könnte. Das Pentagon müsste Rechenschaft über die Verwendung seiner riesigen Budgets legen, die unrechtmäßig zur Bildung von Privatarmeen eingesetzt wurden.


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