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Tatjana Kaltenbeck-Michl und Wilfriede Monogioudis: Die Bilanz
Samstag, 10. November 2007
Zwei Mitglieder der Grazer Stadtregierung haben von sich aus erklärt, sich nach den kommenden Gemeinderatswahlen nicht mehr für diese Funktionen zu bewerben: Tatjana Kaltenbeck-Michl, SP-Stadträtin mit den Ressorts Jugend, Familie und Frauen und Soziales und Wilfriede Monogioudis, KP-Stadträtin mit den Ressorts Gesundheit und Wirtschaftsbetriebe der Stadt Graz. Beide konnten mit solider Arbeit über die gesamte letzte Legislaturperiode hinweg punkten; dass diese sich nicht immer in irgendwelchen Rankings von Gratisblättchen niederschlägt, sei hier nur am Rande bemerkt.

Für KORSO sprach Christian Stenner mit den beiden scheidenden Stadträtinnen und bat sie um eine Bilanz ihrer Tätigkeit.

Monogioudis: Die Wirtschaftsbetriebe zu einem erfolgreichen Leitbetrieb entwickelt

Die erste Frage an PolitikerInnen, die sich aus ihrem Amt zurückziehen, gilt naturgemäß den Erfolgen und Highlights, an die man/frau sich gerne erinnert …

Der größte Erfolg, den ich denke für mich in Anspruch nehmen zu können ist sicherlich die Entwicklung der Wirtschaftsbetriebe der Stadt zu einem erfolgreichen kommunalen Leitbetrieb, die Hand in Hand mit einer Ausweitung und Verbesserung der Leistungen in fast allen Bereichen ging. Ich nenne da zum Beispiel den differenzierten Winterdienst, der die Feinstaubbelastung senkt und à la longue auch Einsparungen bringt. Oder die Schaffung unseres Veranstaltungsservices und des Pflanzenverleihs, die beide gut angenommen werden.

Eine weitere Verbesserung wird gerade ausgearbeitet, nämlich ein Managementsystem für die Straßenerhaltung, das einen effizienten Sanierungsplan ermöglicht. Und die Baumpflege wurde ebenfalls intensiviert, wir haben einen zweiten Baumpflegetrupp eingerichtet.

 

 

Die radikale Sanierung der Stadtparkalleen ist auch nicht überall auf Zustimmung gestoßen.

Das Problem war, dass jahrzehntelang nichts unternommen wurde. Lange vor meiner Amtszeit hatte schon die damals von den Grünen nominierte Stadträtin Dagmar Grage vor, die Alleen zu sanieren, sie war aber zu kurz im Amt um ihr Vorhaben verwirklichen zu können. Das Risiko für die vielen Menschen, die den Stadtpark nützen, war zu groß, um die Sanierung länger auf die lange Bank zu schieben. Und nachdem das Denkmalamt sich auf den verständlichen Standpunkt stellte, dass man nicht einzelne Bäume stehen lassen kann, mussten eben ganze Allee-Abschnitte erneuert werden. Die neuen Bäume werden jedenfalls dieses Schicksal nicht erleiden, weil sie richtig gepflegt werden.

 

 

Die Diskussion um eine Privatisierung der Wirtschaftsbetriebe scheint abgeebbt zu sein …

Das hängt sicherlich auch mit der Verbesserung des Images zusammen und auch damit, dass wir sehr rationell arbeiten. Sicher ist jedenfalls, dass die Auslagerung der Leistungen an Private nicht billiger käme und dass ihre Qualität abnehmen würde.

 

Wie war die Zusammenarbeit mit den Beamten? War es da störend, dass Sie der Kommunistischen Partei angehören?

Zunächst: Ich bin nicht Mitglied der KPÖ, fühle mich aber ihr zugehörig. Die Zusammenarbeit mit den Beamten war jedenfalls davon nicht berührt, im Gegenteil: Sie war hervorragend. Die MitarbeiterInnen haben sehr schnell gemerkt, dass es mir ein großes Anliegen ist, einerseits das Image der Wirtschaftsbetriebe zu verbessern – was auch gelungen ist – und auch ihre Leistungen in der Öffentlichkeit entsprechend zu würdigen.

 

 

Im Gesundheitsbereich mussten Sie Kürzungen hinnehmen …

Ja, um so mehr zählen die Erfolge. Zum Beispiel, dass es gelungen ist, den Streetwork-Kontaktladen weiterzuführen, abzusichern und auszubauen.

 

 

Dennoch ist die Zahl der Drogentoten in Graz gestiegen …

Nein, das muss ich korrigieren; sie ist – leider – nicht gesunken, aber ungefähr gleich geblieben. Der Kontaktladen kann hier aber ohnehin wenig helfen, dazu müsste ein Konsumraum eingerichtet werden. Dazu gab es aber keinen politischen Konsens – ich hoffe aber sehr, dass dieser noch hergestellt werden kann.

 

 

Sie galten schon während ihrer Tätigkeit als grüne Gemeinderätin als Budget-Expertin und sind jetzt als Mitglied der Exekutive besonders mit Sparzwängen konfrontiert gewesen. Wie schätzen Sie die Entwicklung der Stadtfinanzen ein?

Das Ergebnis der Finanzausgleichsverhandlungen ist absolut enttäuschend – nicht nur für Graz, sondern für alle Städte. Solange die Konjunktur gut ist, wird es ein wenig mehr Einnahmen aus den Ertragsanteilen geben, aber die Finanzprobleme werden damit nicht gelöst werden können.

Auf der anderen Seite helfen die Kürzungen der Stadt-Ausgaben kaum die Lücken zu stopfen. Mit dem Immobilienpaket – also dem Verkauf städtischer Immobilien an die stadteigene GBG – wurde zwar eine größere Finanzlücke geschlossen, aber die GBG kann wiederum mit den von der Stadt bezahlten Mieten kaum mehr als die Zinsen ihrer Kredite bedienen. Das ist trotz euphorischer Aussagen des Finanzstadtrates eine beunruhigende Entwicklung. Zudem werden der Stadt vom Bund immer neue Aufgaben zugeteilt, ohne dass diese finanziell gedeckt wären. Eine nachhaltige Sanierung ist nur dann möglich, wenn der Finanzausgleich zugunsten der Städte geändert wird und diese einen ihren Leistungen entsprechenden Anteil an den Erträgen erhalten.

 

 

Ihre persönlichen und politischen Zukunftsperspektiven?

Zunächst möchte ich meine Diplomarbeit über die Geschichte der Wirtschaftsbetriebe fertig schreiben. Und natürlich werde ich politisch aktiv bleiben; ich werde der KP weiterhin verbunden bleiben und darüber hinaus wie auch bisher an Plattformen und Komitees teilnehmen, die Ziele verfolgen, die auch meine sind.

 

 

Kaltenbeck-Michl: „Ich hab mir nie ein Blatt vor den Mund genommen"

Ihre Amtszeit ist in eine Zeit gefallen, die dem Sozialbereich ganz eindeutig kein Primat gegenüber der Ökonomie einräumt. Wo haben sie selbst primär die Reibungsflächen erlebt?

Ja, das ist genau jener Bereiche, wo ich mich am stärksten im Gegensatz zu anderen Haltungen in der Stadtregierung befunden habe, vor allem im Widerspruch zu diesem ständigen Ruf, der da lautet: Wir können uns das alles nicht mehr leisten! und damit eigentlich nur sagen will: Wir können uns den Sozialstaat nicht mehr leisten. Bei den Budgetverhandlungen bestand für mich die große Herausforderung darin, deutlich zu machen, dass sich ein reiches Land wie Österreich soziale Wohlfahrt sehr wohl leisten kann; es ist nur eine Frage des politischen Willens und der Prioritätensetzung.

Meine persönliche und politische Herausforderung als Sozial- und Frauenpolitikerin habe ich darin gesehen, massiv die Gegenstimme zu erheben und zu sagen: Gerade wenn der Spardruck so groß ist, müssen wir endlich die Prioritätendiskussion führen. Das ist mir trotz sehr schwieriger Diskussionen gelungen. Ich habe keine Einsparungen im Sozialbereich vornehmen müssen. Im Gegenteil, ich habe deutlich machen können, dass es wegen der ständig wachsenden Armut und Arbeitslosigkeit und vieler anderer Begleiterscheinungen der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklung ein höheres Ausmaß an Unterstützung geben muss – und dass ich deshalb mehr Sozialbudget brauche und nicht Millionen einsparen kann.

Noch einmal, ich bin überzeugt, dass wir uns den Sozialstaat leisten können – allein, wenn ich sehe, wie viel wir für GAK und Sturm ausgegeben haben. Da werden die falschen Prioritäten gesetzt. Da lass ich einfach nicht locker, das kann nicht sein.

 

 

Inwieweit war Ihnen dabei von Nutzen, dass die Mehrheitsverhältnisse im Gemeinderat doch anders waren als jene innerhalb der Koalition?

Das war mir von großem Nutzen, wenn es in den Ausschüssen um die Umsetzung konkreter Projekten gegangen ist. Aber die eigentlich großen Entscheidungen sind natürlich in den Budgetverhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP gefallen. Der Bürgermeister hat einmal wortwörtlich während einer Budgetverhandlung gemeint, dass es schwierig sei mit mir über Einsparungen zu reden, weil ich gleich genügend Lebensgeschichten parat hätte, die einen betroffen machen und davon überzeugen, dass genau im verhandelten Bereich nicht eingespart werden kann. Ein gutes Leben für alle Menschen zu erreichen war immer die Grundlage meiner Entscheidungen.

 

 

Was war Ihr größter politischer Erfolg?

Der rasche Ausbau der Kinderbetreuung und die Sanierung der Schulen, die in einem erbärmlichen Zustand waren. Ich bin schon stolz auf mich, wenn ich durch die Stadt fahre und sehe, was ich da bewirken konnte. In der Frage, wie wir Räume für Kinder und Jugendlichen gestalten, tritt ja auch die Wertschätzung zutage, die wir ihnen zumessen. Mir war auch wichtig dafür zu sorgen, dass gerade in benachteiligten Bezirken und Regionen die schönsten Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen stehen.

Als allein erziehende Mutter hab ich da einiges an Erfahrung mit eingebracht. Nicht nur meine, sondern auch die anderer Mütter. Und ich war natürlich als Lehrerin immer ganz nahe an dem, was Kinder und Eltern brauchen.

 

 

Mit der Sozialraumorientierung haben Sie auch die Sozialpolitik der Stadt modernisiert.

Das Amt für Jugend und Familie war das erste Amt, das lange, bevor der gesamtstädtische Prozess begonnen hat, auf meine Initiative hin als Pilotprojekt eine Verwaltungsreform im Sinne von New Public Management eingeführt hat. Denn trotz aller gerechtfertigten Kritik, dass die Instrumente des NPM auch für neoliberale Zwecke genützt werden können, halte ich Dinge wie Aufgabenkritik und Produktkatalogentwicklung für durchaus hilfreich. Durch die neuen Steuerungsinstrumente mit Zielvereinbarungen und strategischen Vorgaben der Politik für die Ämter sind die Umsetzungsprozesse viel klarer geworden. Daraus entwickelte sich dann eigenständig und ohne besondere Initiative von meiner Seite die Sozialraum-
orientierung als völlig neue Arbeitsweise in der Jugendwohlfahrt. Sie setzt im Unterschied zur Einzelfallhilfe nicht bei den Defiziten der Menschen, sondern bei den Ressourcen des Sozialraumes an.

 

 

Ihr Lieblingsprojekt?

Das Kindermuseum. Es ist genau das geworden, was ich mir immer vorgestellt habe: Ein Haus, das alle Sinne anspricht – und in das Kinder, wenn sie einmal dort waren, immer wieder zurückkehren wollen. Bei seiner Verwirklichung hab ich auch das politische Geschäft gelernt – da ist es mir zum ersten Mal gelungen ein Thema so im öffentlichen Bewusstsein zu verankern, dass sich niemand von den anderen Parteien getraut hat nein zu sagen.

 

 

A propos Nein sagen – wünschen Sie sich nicht auch manchmal etwas widerständigere Politik von Seiten Ihrer ParteigenossInnen gegenüber dem neoliberalen Zeitgeist?

Es gibt so wie im Leben von Menschen auch im Leben von Parteien markante Stationen, wo sich entscheidet, was ihr Gesellschaftsentwurf und Menschenbild eigentlich wirklich ist. Für mich hat es das mehrmals gegeben, zum Beispiel in der Frage des Umgangs mit Randgruppen. Da hab ich sehr viel Überzeugungsarbeit gebraucht. Ich erinnere mich auch an die Diskussionen im Zusammenhang mit dem Sicherheitsgesetz, die mich sehr besorgt gemacht haben – ähnlich wie jetzt das Alkoholverbot am Hauptplatz. Dafür bekomme ich auch aus den inneren Reihen der Partei keinen einhelligen Applaus.

Und ich würde mir auch – Justizministerin Berger geht ja zum Glück schon in diese Richtung – eine sehr klare Aussage der Sozialdemokratie für eine Änderung des Fremdengesetzes wünschen.

Meine SPÖ hat’s mir nicht immer leicht gemacht, aber ich hab mir auch nie ein Blatt vor den Mund genommen. Irgendwie ist es doch wie in einer Liebesbeziehung, wo man ja auch so manche Enttäuschung aushält, wenn das Gesamte noch stimmt.

 

 

Wie sehen Sie Ihre zukünftige Rolle? Stehen Sie noch für Funktionen zur Verfügung?

Ich bin für alles offen. Jetzt wird einmal wahlgekämpft, und ich werde mich bis März, bis die neue Regierung steht, noch unterstützend einbringen. Ich möchte auf jeden Fall weiterhin politisch aktiv bleiben, ich bin ja noch ganz und gar nicht pensionsreif.

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