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Alle Macht den Bildern |
Samstag, 10. November 2007 | |
Kopfzeile von Martin NovakMit Fotos lässt sich wunderbar schwindeln. Sogar, wenn sie authentisch sind. „Alle Macht für Molterer?" titelte jüngst die Kleine Zeitung und zerzauste den Vizekanzler wegen des ÖVP-Entwurfs zum Gesamtschulversuch in Bericht und Kommentar. Doch mochte Politikredakteurin Eva Weissenberger noch so scharfe Worte gefunden haben, irgendwie stand sie auf verlorenem Posten. Denn das Cover des Blatts schmückte das idyllische Foto eines fast selig lächelnden Volkspartei-Vorsitzenden im Kreise fröhlicher Kinder. Wilhelm Molterer hatte einfach den besseren Anfang für sich. Das Bild war zwar authentisch. Und doch irgendwie geschwindelt. Zwar wirkte die Aufnahme wie das Sujet aus einem Klassenzimmer, in dem die Welt noch in Ordung ist, tatsächlich war sie aber bei einem Weltspartagtermin entstanden.
In den Presseabteilungen politischer Mitbewerber wird ein bisschen darüber gegrübelt worden sein, wie dieses Bild auf das Titelblatt gelangen hatte können. Da mag man so auch manche Verschwörungstheorie erwogen haben. Vermutlich war es jedoch einfach so banal: Jemand hatte die Suche „Molterer UND Kinder" in der Suchmaske der Bilddatenbank eingetippt und schon war es da, das nette Foto. Ein krasser Gegensatz zwar zum Inhalt im Blattinneren, aber kein Vorsatz – es passte einfach zum Thema, war querformatig und bot ausreichend leeren Platz, um eine Schlagzeile hineinzumontieren. Normalerweise werden Fotos aber nicht eingesetzt, um die Dramatik der eigenen Geschichten zu entschärfen, sie sollen sie schärfer machen. 1996 hatte das TIME Magazine am Cover ein Polizeifoto von O. J. Simpson so abgedunkelt, dass der des Mordes Verdächtige weit düsterer wirkte als am Originalbild, blöd war nur, dass Newsweek sich dieses Tricks nicht bediente – der Leser konnte also vergleichen. Die Möglichkeit des Vergleichs sorgt dafür, dass auch im digitalen Zeitalter Veränderungen entdeckt werden. Da war das Speckfältchen von Nicolas Sarcozy auf einem Agentur-Foto, das Paris Match freundlicherweise wegretuschiert hatte – die Konkurrenzzeitschrift L‘Express brachte das präsidiale Körperfett um so besser zur Geltung. Die Online-Redaktion des Bayrischen Rundfunks entfernte einen Schweißfleck unter der Achsel der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, der ebenfalls erst dadurch breites mediales Interesse fand.
„Wer glaubt, mit der Fotografie objektive Zeugnisse zu liefern, entlarvt sich als visueller Analphabet", hatten Lars Bauernschmitt und Alfred Büllesbach, Geschäftsführer der renommierten deutschen Bildagentur Visum, schon 1995 gewarnt. Bildmanipulationen gab es, das weiß jeder Geschichtestudent, auch schon bei Stalin, Hitler und Franco. Bloß: In Zeiten der analogen Fotografie genügte in der Regel eine Lupe, um sie zu entlarven. Heute bemühen sich Physiker und Computerwissenschaftler um geeignete Analysewerkzeuge. Aber auch sie werden die unmittelbare Wirkung von Bildern, echten oder falschen, kaum dämpfen können. Noch immer sind vermutlich Millionen Amerikaner davon überzeugt, dass der ehemalige US-Präsidentschaftskandidat John Kerry 1970 gemeinsam mit „Hanoi-Jane" Fonda bei einer Anti-Vietnam-Kriegs-Demo aufgetreten ist, obwohl die beiden Einzelbilder, die im Wahlkampf 2004 zur Fäschung zusammengefügt wurden, in einem der größten Fotoarchive der Welt für jedermann zugänglich sind. Und die Nacktfotos, die Krone, Sun, Bild oder die kroatische Styria-Zeitung 24 sata täglich veröffentlichen, werden immer begierige Betrachter finden, auch wenn man ihnen nachweist, dass die abgebildeten Frauen professionelle Models sind, und nicht die netten Mädchen von nebenan, wie es die Bildtexte gerne behaupten.
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