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Faits Divers oder Bloggt das Theater |
Donnerstag, 18. Oktober 2007 | |
Unter „Bloggt das Theater" stellten LH-Stellvertreter Kurt Flecker und Anna Badora, Intendantin des Schauspielhauses Graz, im September ein EU-Theaterprojekt unter Federführung der Grazer vor, das mit den Partnerländern Ungarn, Rumänien, Polen und Italien durchgeführt wird. So genannte Blogscouts suchen im Internet Blogs, „die in besonderem Maße das Lebensgefühl der jeweiligen jungen Generation zum Ausdruck bringen" und daher zur Grundlage von Theaterinszenierungen gewählt werden. Blogs gelten als Nachfolger der Homepages: online geführte Tagebücher plus Öffentlichkeitsarbeit für sich selbst, unbezahlte Reaktionen auf journalistische Texte oder zu öffentlichen Anlässen, auf die mittels Link verwiesen wird.
Blogs als Internetphänomen sind unmöglich zu systematisieren, gelten als besonders authentisch und prägen mittlerweile die öffentliche Meinung so sehr, dass sich auch Politiker ihrer gerne bedienen. Laut Schätzungen existieren augenblicklich weltweit rund hundert Millionen Blogs – Tendenz steigend. Den Scouts des Projektes „Bloggt das Theater", die pro Teilnehmerland drei Texte auswählen, droht eine harte Zeit. Auf Grundlage dieser Blogs und in Zusammenarbeit mit jungen, nationalen Theaterautoren werden Theatertexte und Szenen entwickelt. Die knappen Inszenierungen, die an den Partnertheatern in Krakau, Budapest, Palermo und Bukarest entstehen, werden dann im Mai 2008 auf einem Festival in Graz gemeinsam präsentiert, die besten prämiert. Die Kosten des Projektes werden sich auf 400.000 Euro belaufen, eine Hälfte zahlt die EU, die andere kommt von Kulturreferent Kurt Flecker und vom Bund. Der Sponsor Beepworld.de steuert die technische Betreuung und eine Website bei, in der „the making of…" multimedial und lückenlos dokumentiert wird. sind unmöglich zu systematisieren, gelten als besonders authentisch und prägen mittlerweile die öffentliche Meinung so sehr, dass sich auch Politiker ihrer gerne bedienen. Laut Schätzungen existieren augenblicklich weltweit rund hundert Millionen Blogs – Tendenz steigend. Den Scouts des Projektes „Bloggt das Theater", die pro Teilnehmerland drei Texte auswählen, droht eine harte Zeit. Auf Grundlage dieser Blogs und in Zusammenarbeit mit jungen, nationalen Theaterautoren werden Theatertexte und Szenen entwickelt. Die knappen Inszenierungen, die an den Partnertheatern in Krakau, Budapest, Palermo und Bukarest entstehen, werden dann im Mai 2008 auf einem Festival in Graz gemeinsam präsentiert, die besten prämiert. Die Kosten des Projektes werden sich auf 400.000 Euro belaufen, eine Hälfte zahlt die EU, die andere kommt von Kulturreferent Kurt Flecker und vom Bund. Der Sponsor Beepworld.de steuert die technische Betreuung und eine Website bei, in der „the making of…" multimedial und lückenlos dokumentiert wird.
Gegen „Bloggt das Theater" lässt sich schwerlich etwas einwenden. Politisch auf das Korrekteste werden fünf EU-Staaten in einem innovativen, junge Talente fördernden Theaterprojekt verbunden, das Internet künstlerisch genützt und mit den ausgewählten Blogs ganz nah an Publikum und Bürgerbasis gearbeitet. Aber einiges fällt doch auf – keinesfalls als Attacke, eher als Reaktion auf allgemein sich abzeichnende Trends zu verstehen. Politisch auf das Korrekteste werden fünf EU-Staaten in einem innovativen, junge Talente fördernden Theaterprojekt verbunden, das Internet künstlerisch genützt und mit den ausgewählten Blogs ganz nah an Publikum und Bürgerbasis gearbeitet. Aber einiges fällt doch auf – keinesfalls als Attacke, eher als Reaktion auf allgemein sich abzeichnende Trends zu verstehen. Das Projekt präsentiert sich mehr oder weniger ohne Inhalte, gesponsert wird vor allem eine ziemlich aufwändige Struktur. Neben einer globalen Projektleiterin werden zunächst vier lokale installiert, dazu Scouts, die nach Blogs ausschwärmen, und irgendwann die unumgänglichen Dolmetscher. Dann durchlaufen die mit einigem bürokratischen Aufwand gesammelten Blogs die Maschinerie der Auswahl, der literarischen Bearbeitung, der Dramaturgie und Inszenierung. Im Endeffekt bekommen die „Theatermaschinisten" – also die Autoren, Dramaturgen, Regisseure, Schauspieler – mit großem Aufwand Blogs zugespielt, deren Authentizität in etwa jener der „faits divers", der „vermischten Nachrichten", entspricht, die Filmregisseure wie Francois Truffaut so gerne als Anregung für ihre Drehbücher nahmen.
Der Status der Blog-Autoren ist (bezeichnenderweise) bis jetzt noch nicht definiert worden. Ausgewählte Blogs werden in Lesungen vorgestellt. Aber wer liest die Texte? Die Blogger selbst? Werden sie überhaupt (und wo) als Autoren ausgeworfen? Bekommen Sie ein Honorar? „Bloggt das Theater" operiert auch insofern auf der Höhe der Zeit, als es einem regional und überregional beobachtbaren Trend entspricht, Werk und Autor hinter der Inszenierung des Organisationsprozesses verschwinden zu lassen. Dem entspricht irgendwie auch das Bild des Bloggers im Netz, dessen Person in Nullen und Einsen auftritt. Ausgewählte Blogs werden in Lesungen vorgestellt. Aber wer liest die Texte? Die Blogger selbst? Werden sie überhaupt (und wo) als Autoren ausgeworfen? Bekommen Sie ein Honorar? „Bloggt das Theater" operiert auch insofern auf der Höhe der Zeit, als es einem regional und überregional beobachtbaren Trend entspricht, Werk und Autor hinter der Inszenierung des Organisationsprozesses verschwinden zu lassen. Dem entspricht irgendwie auch das Bild des Bloggers im Netz, dessen Person in Nullen und Einsen auftritt.
Versuche, den Bürgerjournalismus beziehungsweise Citizen Journalism (stärkere Einbeziehung der Bürger, der „Betroffenen" in die Berichterstattung) als Gegengewicht zu den durch Phänomene wie Verfilzung oder Embedded Journalism in Misskredit geratenen Mainstream-Medien zu etablieren, waren bisher nicht besonders erfolgreich. Blogs gelten gelegentlich als Medienalternative. Aber sie sind nur scheinbar die demokratische Teilnahme an Medien und Öffentlichkeit, die so gern beschworen wird. Während E-Mails mit den Briefen und Essays noch ein Echo der Schriftkultur darstellen, repräsentieren Blogs vor allem PR-Techniken. Ratschläge für Blogger lauten z.B.: „Sorge dafür, dass die Artikel leicht zu erfassen sind, schreibe mit Leidenschaft, verlinke wie verrückt, 250 Worte sind genug, formuliere forsche Überschriften, übersäe den Artikel mit Schlüsselwörtern …"
In aller Regel sind Blogs improvisierte „freihändige" Überlegungen zu einem Thema oder Link, für sorgfältige Analysen und Recherchen fehlen meist Zeit und Geld. Ähnlich dem Konsumenten, dessen Kaufentscheid eine aus dem Unternehmen ausgelagerte, „kostenlose" Marktforschung abgibt, generieren Blogs ein kostenloses Feedback. Sie vermitteln den etablierten großen Medien, wie und wieweit ihre Kunden noch mitgehen. Die Meinungsindustrie nimmt diese Botschaft auf und reagiert mit entsprechend trivialeren Angeboten, unterhaltsameren Formaten, kürzeren Texten. zu einem Thema oder Link, für sorgfältige Analysen und Recherchen fehlen meist Zeit und Geld. Ähnlich dem Konsumenten, dessen Kaufentscheid eine aus dem Unternehmen ausgelagerte, „kostenlose" Marktforschung abgibt, generieren Blogs ein kostenloses Feedback. Sie vermitteln den etablierten großen Medien, wie und wieweit ihre Kunden noch mitgehen. Die Meinungsindustrie nimmt diese Botschaft auf und reagiert mit entsprechend trivialeren Angeboten, unterhaltsameren Formaten, kürzeren Texten.
Mit den demokratisierten Meinungsabsonderungen durch Blogs geht direkt und indirekt „ein Sturz in die Banalität" (Heidegger) einher. Nachrichten werden als Waren konsumiert, die über Unterhaltungswert verfügen müssen. Die gedruckten, gesendeten oder gespielten Botschafen (des Theaters) haben ihren Wahrheitsanspruch und damit ihre magische Legitimation verloren. In diesem Spiel glaubt keiner mehr, was er liest, nicht einmal, was er selber schreibt. Im Blog spiegelt sich die unbarmherzige Unsicherheit des Alltags.
Blogger bewältigen also Risiken und Zwangslagen, die von immer fabelhafteren Modernisierungswellen verursacht werden, indem sie ausleuchten, worin sie selber gefangen sind. Mit rückhaltloser Veröffentlichung ihrer Subjektivität und massiver hyperindividueller Verlinkung reagieren Blogger symbolisch auf die individuelle Zuschreibung sozialer/medialer Ungleichheit. Ängstliche Verinnerlichung wird im paradoxen Paroxysmus zu radikaler Offenbarung und Selbstentäußerung, zum oszillierenden Kippbild von Konstruktion und Dekonstruktion des Sozialen. , die von immer fabelhafteren Modernisierungswellen verursacht werden, indem sie ausleuchten, worin sie selber gefangen sind. Mit rückhaltloser Veröffentlichung ihrer Subjektivität und massiver hyperindividueller Verlinkung reagieren Blogger symbolisch auf die individuelle Zuschreibung sozialer/medialer Ungleichheit. Ängstliche Verinnerlichung wird im paradoxen Paroxysmus zu radikaler Offenbarung und Selbstentäußerung, zum oszillierenden Kippbild von Konstruktion und Dekonstruktion des Sozialen. Jetzt kommt natürlich die Frage, wie man EU-Kunst besser macht. Mit weniger Bürokratie und mehr Aufmerksamkeit für Inhalte vermutlich.
Mikolaj Grabonski, Intendant des teilnehmenden Stary Teatr Krakau, beispielsweise ist berühmt für die Theatralisierung theaterfremder Texte. Unter anderem soll er das Krakauer Telefonbuch inszeniert haben. Für das europäische Theater wären die 400.000 Euro interessanter angelegt, wenn man ihn diesen (oder einen ähnlichen) Ansatz über die EU ausdehnen ließe. Und wenn er sich dafür einiger Blogs bedient, wäre das seine Sache. , Intendant des teilnehmenden Stary Teatr Krakau, beispielsweise ist berühmt für die Theatralisierung theaterfremder Texte. Unter anderem soll er das Krakauer Telefonbuch inszeniert haben. Für das europäische Theater wären die 400.000 Euro interessanter angelegt, wenn man ihn diesen (oder einen ähnlichen) Ansatz über die EU ausdehnen ließe. Und wenn er sich dafür einiger Blogs bedient, wäre das seine Sache.
Weitere Informationen auf www.blogtheatre.net
W. H.
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