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Österreich auf dem Weg in Militärbündnisse?
Donnerstag, 11. Oktober 2007
Eine zweitägige Konferenz der Alfred Klahr Gesellschaft und des Bildungsvereins der KPÖ Steiermark beschäftigte sich mit der Militarisierung der Europäischen Union und der Frage nach ihrer Vereinbarkeit mit der österreichischen Neutralität.

Javier Solana, Beauftragter für die EU-Sicherheitspolitik, hob bereits im Jahr 2000 hervor, dass die EU-Militärpolitik „mit Lichtgeschwindigkeit“ vorankomme. Seit Beginn 2007 läuft die Aufstellung der so genannten „battle groups“ auf Hochtouren, mit dem aktuell diskutierten so genannten EU-„Reformvertrag“ soll diese Entwicklung in Richtung einer Verteidigungsgemeinschaft irreversibel gemacht werden. Der Beitritt Österreichs zur EU und NATO-Partnerschaft für den Frieden wiederum hat vor allem die Frage nach der Vereinbarkeit der österreichischen Sicherheits- und Militärpolitik mit der Neutralität aufgeworfen.



Zur Analyse dieser Entwicklungen fand am 28./29. September ein zweitägige Konferenz der Wiener Alfred Klahr Gesellschaft und des Bildungsvereins der KPÖ Steiermark statt, wobei Graz als Veranstaltungsort nicht zuletzt vor dem Hintergrund gewählt wurde, dass sich hier der Standort des Kommandos für Auslandseinsätze befindet. Eröffnet wurde die Tagung mit einer gut besuchten Podiumsdiskussion in der „Gotischen Halle“ des Stadtmuseums, in deren Verlauf das ganze Spektrum aktuell diskutierter Auffassungen deutlich wurde: Während Univ.-Prof. Heinz Gärtner die Entwicklung der EU zu einem Militärbündnis dementierte und die neuen Herausforderungen – Kampf gegen den Terrorismus, humanitäre Hilfeleistungen usw. – in den Mittelpunkt rückte, verwiesen Ernest Kaltenegger (KPÖ Steiermark) und Boris Lechthaler (Werkstatt Frieden & Solidarität) auf die im EU-Grundlagenvertrag formulierte Beistandsverpflichtung und die Demontage der Neutralität. Beiden ging es darum, den allgemeinen gesellschaftlichen Hintergrund der Sicherheitspolitik – ökonomische Entwicklungen und Interessen, sowie sozialpolitische Fragen – stärker zu berücksichtigen. Auch Bundesminister a.D. Erwin Lanc stellte klar, dass die „Petersberger Aufgaben“, die 1992 in einer „Phase der Überschätzung“ definiert worden seien, nicht als friedensbewahrende Maßnahmen interpretiert werden könnten.



Erich Reiter, bis 2006 Leiter des Büros für Sicherheitspolitik und Beauftragter für strategische Studien des Bundesministeriums für Landesverteidigung, plädierte für mehr Offenheit in der Diskussion: Natürlich gehe es bei den „battle groups“ auch um kriegerische Einsätze, natürlich sei die EU auf dem Weg zu einem Militärbündnis mit einer gemeinsamen Armee auf „supranationaler Ebene“, was mit der österreichischen Neutralität nicht vereinbar sei, so Reiter. Der Unterschied zu den anderen Diskutanten sei, dass Reiter diese Entwicklung begrüße, da die EU in einer „ungeordneten, schwer berechenbaren Welt“ eine positive Gestaltungsrolle in der Sicherheitspolitik wahrnehmen müsse. Österreich seit wissend einer Verteidigungsunion beigetreten und könne nun im internationalen Krisenmanagement eine wichtige Rolle spielen.



Die Frage Neutralität stand auch im Mittelpunkt des Symposiums am Folgetag: Lechthaler forderte die Bezugnahme auf die Neutralität in konkreten gesellschaftlichen Auseinandersetzungen, beispielsweise bei der Forderung nach Durchsetzung einer Volksabstimmung über den EU-Reformvertrag. Der Völkerrechtler Franz Leidenmühler (Universität Linz) plädierte dafür, weniger auf die Aushöhlung der Neutralität hinzuweisen, sondern aufzuzeigen, inwieweit Österreich noch neutral ist, um daraus politische Forderungen abzuleiten. Einigkeit herrschte darüber, dass die Ratifizierung des „Reformvertrages“ mit seiner Beistandsverpflichtung das Neutralitätsgesetz verdrängen würde. Profunde Analysen des Militarisierungsprozesses und der österreichischen Sicherheits- und Militärpolitik seit dem EU-Beitritt lieferten Gerald Oberansmayr und Manfred Sauer. Die sich daraus ergebenden Herausforderungen für die österreichische Friedensbewegung – etwa für die „Steirische Friedensplattform“, deren Ziele und Aktivitäten Veronika Rochhart darstellte – wurden zum Abschluss der Konferenz in mehreren Referaten und Beiträgen erörtert.

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