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Nepal: Nach dem Bürgerkrieg ist mitten in der Globalisierung
Donnerstag, 11. Oktober 2007

2006: Nach einer bürgerkriegsähnlichen Situation verbünden sich die maoistischen Rebellen mit sieben Parlamentsparteien gegen den Despoten König Gyanendra. Diese Einigung legt den Grund für einen Volksaufstand im April des vergangenen Jahres, der den König entmachtet, obwohl er formal weiterhin Staatsoberhaupt bleibt. Seit damals haben die Maoisten eine parlamentarische Vertretung und wurden mit der Führung von fünf Ministerien betraut. Mitte September 2007 traten sie allerdings wieder aus der Regierung aus.


Zwei Tage nach diesem Ereignis, am 20. September 2007, sprach Christian Stenner für KORSO mit der Nepal-Verantwortlichen der Fair-Trade-Organisation Label STEP, Sherab Dolma Rana, über die aktuelle Situation in ihrem Land und über die Möglichkeiten fairer Teppichproduktion in Zeiten der Globalisierung.

Am 5. Oktober wurde bekannt, dass die für 22. November geplante Wahl zu einer verfassungsgebenden Versammlung nun wiederum auf Druck der Maoisten verschoben wurde.



Glauben Sie, dass der Bruch der Koalition zu weiteren Konflikten führen wird? Oder handelt es sich dabei bloß um eine Strategie, um eine bessere Position für die Wahlen zu haben?

Ursprünglich verlangten die Maoisten eine republikanische, demokratische, föderalistische Verfassung. Das entspricht dem Wunsch der Menschen, wie er bei den 19 Tage währenden Versammlungen vor einem Jahr geäußert wurde. Und das war auch das Ergebnis der friedlichen Verhandlungen zwischen den Maoisten und der Sieben-Parteien-Koalition. Allerdings herrscht der Eindruck, dass die Koalition und deren wichtigster Bestandteil, die Kongresspartei von Premierminister Koirala, nicht ernsthaft bereit für einen Systemübergang ist.

In diesen Verhandlungen wurde auch die Vereinbarung getroffen, dass die Monarchie in der ersten Sitzung der verfassungsgebenden Versammlung nach den Wahlen abgeschafft wird. Zu jenem Zeitpunkt plante man aber noch, dass die Wahlen im Juni oder Juli 2007 stattfinden sollten. Dann wurden die Wahlen auf November verschoben. Und die Maoisten haben nun den Eindruck, dass durch diese Verschiebung der König mehr Möglichkeiten hat seine Macht wieder zu festigen. Sie verlangten deshalb, dass die Regierung die Republik noch vor den Wahlen ausrufen soll, damit diese frei und fair stattfinden können. Der König und seine Verbündeten und die hinduistischen Fundamentalisten aus dem Süden versuchen dies aber trickreich hinauszuzögern. Das ist wohl der eine Grund, warum die Maoisten die Regierung verlassen haben.

Der zweite ist, dass die Maoisten eine große Armee haben, die unter UN-Monitoring steht. Es wurde ihnen versprochen, dass jeder Kämpfer 3000 Rupien im Monat für sein Überleben bekommen sollte. Laut dem, was in den Medien verbreitet wird, hält die Regierung dieses Übereinkommen nicht ein. Die Kämpfer stehen ohne jede Grundversorgung da.



Es sollen über 35.000 sein …

Ungefähr. Im Winter erkranken sie wegen der Kälte und im Sommer wegen der schlechten Hygiene. Die Führer der Maoisten verlangen, dass diese Kämpfer als Soldaten behandelt werden müssen, und wir als Bürger meinen, dass sie auch Söhne Nepals sind. In den Verhandlungen wurde auch ausgemacht, dass ein Teil der Kämpfer in die Armee integriert werden sollte. Aber das ist bisher nicht passiert.



Glauben Sie, dass es nach dem Scheitern der Koalition nun wieder zu gewaltsamen Konflikten kommen könnte?

Ich hoffe nicht, denn wir wurden in diesen 12 Jahren Bürgerkrieg um 100 Jahre zurückgeworfen. Prachanda [Vorsitzender der Kommunistischen Partei/Maoisten] und die führenden Kommunisten sollten ebenso wie die Regierung darüber nachdenken, was sie tun. Man darf nicht wegen des Egoismus und der Dummheit einer Hand voll Führer die Menschen leiden lassen.



Die Initiative Label STEP versucht ihren Teil zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung beizutragen, indem sie soziale und ökologische Standards in der Teppichproduktion verankert. Wie wichtig ist die Teppich-industrie für die nepalesische Wirtschaft?

Die Teppichindustrie beschäftigt in Nepal rund 120.000 bis 150.000 Arbeiter. Im Fokus unserer Bemühungen stehen faire Löhne, welche die Lebenshaltungskosten decken, „living wages“. Label STEP arbeitet in Nepal mit 30 größeren Fabriken, die insgesamt 3-4000 ArbeiterInnen beschäftigen.

Unser zweiter Schwerpunkt neben den Löhnen ist die Ökologie. Der Teppichproduktionsprozess benötigt sehr viel Wasser für das Färben und das Waschen. Das meiste davon wird im Kathmandu-Tal gemacht, wo es ohnehin schon ein großes Wasserproblem gibt. Wir versuchen das Bewusstsein zu wecken, dass Wassersparen und Kläranlagen Sinn machen, und manche Unternehmen haben schon Kläranlagen gebaut. Das kostet aber viel Geld. Wir vermitteln das technische Know-how; und wenn ein Betrieb wirklich nicht genug Profit macht, um diese Anlagen zu bauen, dann unterstützen wir ihn unter der Voraussetzung, dass er die Anlage auch erhält, mit ca. 20 bis 40% der Investitionssumme. Die Betriebskosten müssen sie selbst bestreiten.



Kooperiert Label STEP mit den Gewerkschaften?

Ja, ohne den Druck der Gewerkschaften können Lohnerhöhungen, die von Label STEP gefordert werden, nicht durchgesetzt werden. Im Gegensatz zu Pakistan oder Indien, wo die Teppiche hauptsächlich von kleinen HandwerkerInnen gefertigt werden, sind es bei uns große Fabriken, wo zwischen 20 und 600 Leute arbeiten. Diese zentralisierte Form der Arbeitsorganisation erleichtert uns natürlich die Arbeit.

Die den Maoisten nahe stehende Gewerkschaft Akhil hat sich innerhalb kurzer Zeit auch in der Teppichindustrie etabliert. Sie hat 11 Forderungen an die Regierung gestellt – aber: Würde die Teppichindustrie diese 11 Punkte umsetzen, könnte sie nicht lange überleben. Darüber führen wir Diskussionen mit Akhil. Wenn neue Gesetze eingeführt werden, müssen diese industriefreundlich sein und nicht nur ideologiebestimmt. Sonst werden wir im globalen Wettbewerb der internationalen Konkurrenz unterliegen – nicht nur am Teppichmarkt, sondern überall.



Wie ausschlaggebend ist die Höhe der Löhne, die im Land bezahlt werden, eigentlich für den Preis des Teppichs? Die Händlerspannen sind ja sehr hoch.

Für den Endpreis des Teppichs sind die Löhne in der Tat nicht so wichtig. Aber bis zum Export sind sie es schon. Denn derzeit leiden die Teppichexporteure auch stark an der Dollarabwertung. Bei einer Diskussion mit Exporteuren haben diese gemeint, dass der Verlust durch die Dollar-Depression größer ist als durch die steigenden Löhne. Aber dagegen kann ja keiner etwas tun …

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