Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Forschungsland Steiermark: Geballte Kompetenz
Mittwoch, 10. Oktober 2007
Image Die positive Nachricht aus Wien dürfte selbst den als sonst eher nüchtern bekannten Technikern und Naturwissenschaftlern ein freudiges „Heureka!“ entlockt haben: Die Steiermark hat bei der Vergabe der Gelder für ihre Forschungseinrichtungen durch das COMET-Programm des Bundes einen phänomenalen Erfolg erzielt.

Die international besetzte Fachjury empfahl alle sechs steirischen Kompetenzzentren, die sich im Auswahlverfahren um Bundesförderungen aus COMET-Projektmitteln beworben haben. Ergänzend dazu wird das Land Steiermark basierend auf einem Entscheid der Landesregiering in den kommenden zehn Jahren den Ausbau der K-Zentren mit rund 100 Mio Euro unterstützen.


„Forschungsland Nummer 1“. Das Bundesland Steiermark war schon bisher mit 18 von 45 Kompetenzzentren absoluter Spitzenreiter in Österreich. In der Nachfolge der 1998 initiierten Programme Kplus und K_ind/K_net fördert COMET (Competence Centers for Excellent Technologies) den Aufbau von Kompetenzzentren, deren Herzstück ein von Wirtschaft und Wissenschaft gemeinsam erarbeitetes Forschungsprogramm auf anspruchvollem Niveau ist. Das ehrgeizige Ziel, zwei der insgesamt drei Super-Kompetenzzentren (K2), die international vernetzte Forschung auf höchstem Level leisten, in die Steiermark zu holen, wurde zur Freude der Antragsteller noch weit übertroffen. Denn auch bei den K1-Zentren konnten sich alle steirischen Kandidaten gegenüber den Konkurrenten aus den Bundesländern durchsetzen. „Die Steiermark bleibt damit ganz klar Forschungsland Nummer 1“, lautet die stolze Reaktion von Wirtschaftslandesrat Dr. Christian Buchmann auf die Entscheidung der Jury, verkörpern doch die Kompetenzzentren als „ideale Verbindung von Wissenschaft und Wirtschaft“ die Umsetzung der Wirtschaftsstrategie „Innovation serienmäßig“. Die Steiermark liegt, so Buchmann, mit 3,55 % Ausgaben für Forschung und Entwicklung bereits jetzt bundesweit an der Spitze – „dieser Anteil soll auf mindestens 4% gesteigert werden“.

Exzellente Universitäten als Grundlage des Erfolgs. Nicht weniger begeistert zeigt sich von dieser Kür Landeshauptmann Mag. Franz Voves: „Die Tatsache, dass sechs steirische Forschungszentren den Zuschlag erhalten haben, ist eine großartige Anerkennung für alle jene Menschen, die in dem für unser Bundesland so wichtigen Bereich der Forschung und Entwicklung tätig sind. Das enge Zusammenwirken von öffentlichen Einrichtungen, wie den Universitäten oder der Joanneum Research, mit den Partnerunternehmen der Industrie ist ein Garant für innovative Forschung.“
Eine wesentliche Rolle unter den steirischen Forschungseinrichtungen nehmen die Montanuniversität Leoben und die Technische Universität Graz ein, die an den beiden großen K2- sowie an mehreren der kleineren K1-Zentren beteiligt oder als wissenschaftlicher Partner mit an Bord sind. „Die Entscheidung der Jury bedeutet einen enormen Aufschwung für die steirische Forschung, die damit in ihren Stärkefeldern zur Spitze aufrückt und sich zukunftsweisende Forschungsfelder erschließen kann“, freut sich TU-Rektor Dr. Hans Sünkel. Der besonderen Stärken und Alleinstellungsmerkmale des Forschungsstandortes ist man sich auch in Leoben wohl bewusst, wie Dr. Reinhold Ebner, Geschäftsführer des Materials Center Leoben, betont: „Es gibt weltweit kaum ein Zentrum wie das MCL, in dem alle Prozessschritte der gesamten Kette in der Werkstoffentwicklung und -prüfung so umfassend abgedeckt werden.“

Fahrzeugtechnik der Zukunft. Das in Graz angesiedelte Kompetenzzentrum Mobility SVT Sustainable Vehicle Technologies baut auf das vereinigte Know-how, das bislang in den Kompetenzzentren Virtuelles Fahrzeug (ViF), Akustikzentrum ACC und Verbrennungsmotoren der Zukunft gesammelt worden ist. Dr. Jost Bernasch, Geschäftsführer des ViF und zugleich Koordinator des Projektantrages Mobility sieht in dem Werkzeug des „virtuellen Engineering“ einen vielverspre


chenden Ansatz für eine zeit- und kostensparende Fahrzeugentwicklung, die im Übrigen auch dem Schienenbereich zugute kommt: „Das Schwergewicht des Forschungsprogramms von K2 Mobility liegt auf der Entwicklung neuer wissenschaftlicher Methoden und Technologien, um mit deren Hilfe die Optimierung des Gesamtfahrzeuges als System zu realisieren.“ Als die Industriepartner der insgesamt mit rund 63,5 Mio Euro dotierten Projekte zeichnen u.a. AVL List, Magna Steyr Fahrzeugtechnik, Siemens Transportation Systems und BMW. „Eine der großen Herausforderungen wird dabei neben verbesserter Sicherheit die Reduzierung des Schadstoffausstoßes der Fahrzeuge sein, auf die die Autoindustrie möglichst schnell mit neuen Entwicklungen reagieren wird müssen“, betont Bernasch.

Neue Werkstoffe auf Grundlage von Nanotechnologie. Das in Leoben ansässige K2 MPPE Materials Center führt das traditionell wichtige Stärkefeld der Werkstoffentwicklung in die Sphären zukunftsträchtiger Anwendung und Produkte. Das im Gegensatz zum K2 Mobility aus einem Stamm gewachsene Center wird durch die neue Einstufung auf die zweieinhalbfache Größe anwachsen und damit rund 180 Mitarbeiter beschäftigen und ein Gesamtvolumen von 53 Mio Euro an Projektmitten umsetzen. Damit will man sich, so GF Ebner, nun auf die volle Produktionskette konzentrieren: „Bis jetzt haben wir vorrangig bei der Mitte, der klassischen Werkstofftechnik, angesetzt. In Zukunft wollen wir uns auf den Anfang, also die Synthese vom Materialien etwa auf der Basis von Nanotechnologie, sowie schließlich den Bereich des Maschinenbaus für die eigentliche Produktion, insbesondere deren elektrokeramische Komponenten, konzentrieren.“ Die Bedeutung dieser Sparten kann gar nicht überschätzt werden, so Ebner, „die Herstellung und Verarbeitung von Werkstoffen macht 10 bis 12 % des Bruttoinlandsprodukts aus, insgesamt profitieren jedoch rund zwei Drittel der in Österreich ansässigen Unternehmen von diesen Entwicklungen“.

Strategische Forschungsprojekte erfordern langfristiges Denken. Unter den 47 Projektpartnern des MCL aus der Industrie – darunter illustre Namen wie Böhler-Uddeholm, VOEST, RHI, VAE und EPCOS – befinden sich elf auf internationalem Level agierende Konzerne. Einen besonders hohen Stellenwert in der Werkstoffbranche hat laut Ebner die Grundlagenforschung, die langjährige Projektketten in der strategischen Forschung erfordert: „Die Entwicklung bis zur Produktreife nimmt nicht selten bis zu zehn Jahre in Anspruch – hier kommt es nicht nur auf eine Unterstützung durch die Industrie, sondern auch auf eine laufende interne Evaluierung an, um Sackgassen zu vermeiden.“
Auch die Vorbereitung der Anträge nahm die volle Aufmerksamkeit der leitenden Verantwortlichen in Anspruch, die Ausschreibungsfrist für die Kurzanträge endete am 1. Dezember 2006. Anschließend galt es den Kernteil mit einer Gesamtzahl von 60 zeitlich gestaffelten Projekten ausführlich formuliert werden, bevor er den Gutachtern in einem zweiten Durchgang präsentiert wurde, wobei „es natürlich schmerzlich ist, wenn ein Teil der Projekte nicht durchgeht“. Erfreulich ist für Ebner der Zustrom an neuen wissenschaftlichen Mitarbeitern, die sich auch zunehmend international zusammensetzen und offensichtlich Gefallen am Leben in Österreich finden.

Humantechnologie und Bioenergie. Vier der etwas kleiner dimensionierten K1-Zentren haben ihren Hauptsitz in der Steiermark, in den zwei weiteren ist sie aber ebenfalls maßgeblich vertreten. Das breite Spektrum der wissenschaftlichen Arbeit zeigt sich unter anderem am K1 Competence Center for Pharmaceutical Engineering (CCPE), das sich mit der Revolutionierung von Herstellungsprozessen pharmazeutischer Wirkstoffe in der Humantechnologie auseinandersetzt. Ein Konsortium aus wissenschaftlichen Partnern, wie der Karl-Franzens-Universität, und 15 Top-Unternehmen der Branche hat Projekte im Gegenwert von 16,7 Mio Euro auf die Beine gestellt. GF Dr. Johannes Khinast, der jahrelang in führenden Institutionen in den USA tätig war, will mit Pharmaceutical Engineering die Grundlagen dafür legen, wie man Herstellungsprozesse und Produktentwicklung moderner Arzneimittel entscheidend beschleunigen kann: „Die Entwicklungszeiten können drastisch verkürzt und damit die enormen Entwicklungskosten von etwa 1,5 Milliarden Euro pro Medikament deutlich zu reduziert werden.
Aus dem Austrian Bioenergy Center und dem Kompetenznetzwerk RENET ist das Bioenergy 2020+ hervorgegangen, das auf die energetische Nutzung von Biomasse entlang der gesamten Wertschöpfungskette abzielt. Für Erwin Stubenschrott, Geschäftsführer von KWB, ist entscheidend für den Exporterfolg, gemeinsam mit anderen österreichischen Herstellern die Position als EU-weiter Technologieführer auf dem Sektor der Biomassekleinfeuerungen zu halten. „Ein KMU alleine kann es sich nicht mehr leisten, alleine die Kosten für eine eigene Infrastruktur mit Labors usw. aufzubauen und zu erhalten. Deswegen ist die branchenweite Bereitstellung des Know-hows in Formen eines solchen Knotenpunktes so immens wichtig.“ Sein Fazit ist eindeutig: „Programmorientierte Förderung, wie die K- Zentren, haben sich als deutlich schlagkräftiger herausgestellt als projektorientierte Förderungen, weil sie flexibler und eigenverantwortlicher gestaltet werden können.“

Informations- und Kommunikationstechnologien. Das stetige Anwachsen der Informationsflut erfordert neue Wege des Wissensmanagements, die vom K1 Competence Center for knowledge-base Application and Systems u.a. durch die Entwicklung von Software beschritten werden. Dr. Klaus Tochtermann, Leiter des Know-Centers, ortet ein gewaltiges Potenzial für die damit verbundenen Dienstleistungen für den KMU-Bereich: „Die Fülle des Wissens nimmt rapide zu, das Know-Center erarbeitet neue Methoden das benötigte Wissen aus diesem riesigen Angebot zu extrahieren und dem Nutzer zur Verfügung zu stellen. Dazu kommt die Analyse der Beziehung zwischen Wissenseinheiten, die identifiziert und hergestellt werden müssen, um durch Verknüpfungen zusätzliche Informationen zu gewinnen. Für viele Unternehmen wird es im Zeitalter von Web 2.0 überlebenswichtig sein, diese Dienste zu nutzen.“
Last but not least entwickelt das Kompetenzzentrum evolaris Technologien für die unterschiedlichste Medien umfassende interaktive Kommunikation in Kooperation mit der Wirtschaft – die Branchen übergreifende Arbeit schließt Unternehmen wie AVL, Mobilkom Austria, Raiffeisen-Landesbank, Spar mit ein. Dr. Otto Petrovic, Vorstand der Evolaris Privatstiftung: „Keine Technologie hat in den letzten 20 Jahren Wirtschaft und Gesellschaft so verändert wie das Mobiltelefon. evolaris entwickelt Technologien und Geschäftsmodelle für Unternehmen, um dieses zur Kundengewinnung und zur Verstärkung der Kundenbindung zu nutzen. Mit einem Gesamtprojektvolumen von 16 Millionen Euro kann man in diesem Bereich internationale Spitzenarbeit leisten.“

Innovation sichert Arbeitsplätze und Wohlstand. Die Impulse, die von den neu formierten Kompetenzzentren ausgesendet werden, fördern die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Steiermark in hohem Maße, wie LR Buchmann ausführt: „Im globalen Wettbewerb geht es darum, beim Know-how immer eine Nasenlänge voraus zu sein. Die Kooperation der Unternehmen – nicht zuletzt der kleineren und mittleren Firmen – mit den wissenschaftlichen Institutionen in den K-Zentren verschafft ihnen diesen innovativen Vorsprung. Die Kompetenzzentren sichern Arbeitsplätze und werden mittelfristig neue entstehen lassen“, resümiert Buchmann. Für die nächste Runde im kommenden Jahr stehen bereits weitere steirische K-Zentren in den Startlöchern, denen, wie dem Zentrum für Biokatalyse, ebenfalls gute Chancen auf eine erfolgreiche Bewerbung eingeräumt werden müssen.
Die gesamtgesellschaftlich positiven Effekte dieser Form nachhaltiger wissenschaftlicher Innovation sind jenen der Nachnutzung ehemaliger Rennstrecken mit Spektakeln der Motor-Eventkultur von auf relativ bescheidener Know-how-Stufe agierenden Herstellern angeblich belebender Koffeingetränke für ermüdete Geister zweifelsohne haushoch überlegen.

Josef Schiffer

Titielbild: Quelle: Materials Center Leoben, Montan Universität Leoben

» Keine Kommentare
Es gibt bisher noch keine Kommentare.
» Kommentar schreiben
Nur registrierte Benutzer können Kommentare schreiben.
Bitte melden Sie sich an oder registrieren Sie sich.
 
< zurück   weiter >