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Augenbagatellen, Sprachturbulenzen und ein Meta-Roman |
Mittwoch, 11. Juli 2007 | |
manuskripte 176, Graz 2007, 172 Seiten, 10,- Euro „Der eine sucht den Sinn, der andre das Moderne“, heißt es zum Auftakt der neuen manuskripte-Ausgabe in einem Sonett, mit dem Ludwig Harig und die manuskripte-Redaktion Paul Wühr zum 80. Geburtstag gratulieren. Von der Suche nach (neuem) Sinn und adäquaten modernen Ausdrucksformen sind die weiteren Texte geprägt. Angelika Reizer präsentiert „Augenbagatellen“, mäandernde Assoziationen zu Fotos, die Horst Stein von RömerInnen machte, der Ich-Erzähler Josef Winklers wird in Sätzen, die lang sind wie Leichenzüge, von Kärtner Totenglocken bis Indien verfolgt und Gerhild Steinbuch hat Material zu ihrem Stück „verschwinden oder Die Nacht wird abgeschafft“ in Prosaform gesammelt. Ein Satz, der als Motto für die darauffolgenden Kurzerzählungen Gerhard Zeilingers dienen könnte, findet sich in der dritten Erzählung mit den Titel „Mauriac“, dem Namen eines französischen Internierungslagers während des Zweiten Weltkriegs. Hier heißt es: „Immer noch ging vorbei, was zu Ende gegangen war, lautlos, um das Vergessen zu üben“. Unter dem Titel „Im Schlaf“ bringt Antonio Fian einen bunten Reigen von skurrilen, oft komischen und manchmal erschreckenden Traumeinfällen. Mit den für Träume typischen unerwarteten Wendungen wird ein Dichter von der „Spedition Luchterhand“ abgelehnt, weil er keinen Führerschein hat, Max Droschl verschenkt ein in Laubsägearbeit gebasteltes Falt-Buch, Rudolf Burger wird Bundeskanzler und Robert Menasse Bundespräsident. Der Lyrik-Teil des Heftes wird von zwei Aufsätzen begleitet, die sich auf die abgedruckten Gedichte beziehen: Eine ausführliche Begründung von Klaus Siblewski, weshalb die Gedichte Ron Winklers, die mit ihrem neuen, „unpoetischen“ Wortmaterial hier als „Sprachturbulenzen“ bezeichnet werden, mit dem Mondseer Lyrik-Preis ausgezeichnet wurden sowie eine Laudatio auf Ferdinand Schmatz von Jörg Drews, die direkt auf Schmatz’ Gedichte folgt. Im Essay-Teil bespricht Andreas Puff-Trojan die Gedichtbände „Tröstliche Parallelen“ von Alfred Kolleritsch und „brinnen“ von Anja Utler, indem er sie metaphorisch als Züge in einem „Kunstbahnhof“ betrachtet, Hedwig Wingler nennt Anselm Glücks „Die Maske hinter dem Gesicht“ einen „Meta-Roman“, in dem der „geneigten Leserin“ die Rolle der Komplizin und Versuchsperson gleichermaßen zukommt und Felix Philipp-Ingold setzt seine Serie „Mitgelesen“ fort, in der, wie schon im vorhergehenden Lyrik-Teil, Übersetzungen dominieren, wobei hier die Qualität der Übersetzung auch selbst zum Thema wird. Mit dem dritten und letzten Teil seiner Laudatio auf Oswald Wiener schließt Peter Weibel das Heft, und zwar mit der überraschenden Erkenntnis, dass Wiener nach eingehender Beschäftigung mit der experimentellen Erkenntnispsychologie auf der Grundlage einer automatenbasierten Erkenntnistheorie zum Schluss gekommen sei: „Denken ist nicht an Sprache gebunden“. Hannes Schwab
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