Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Jüdische Lokalgeschichte.
Mittwoch, 11. Juli 2007
Gerald Lamprecht: Fremd in der eigenen Stadt. Die moderne jüdische Gemeinde in Graz vor dem Ersten Weltkrieg. Innsbruck / Wien / Bozen: Studienverlag 2007 (=Schriften des Centrums für Jüdische Studien. 8)

Dreihundert Jahre nach dem von Maximilian I ausgesprochenen strikten Aufenthaltsverbotes brachte das Toleranzpatent Kaiser Josefs II eine erste Lockerung der restriktiven Politik gegenüber Juden und Jüdinnen in Österreich, erst mit dem Staatsgrundgesetz 1867 erfolgte die Gleichstellung, die in der Folge auch die Renaissance der jüdischen Gemeinde in Graz ermöglichte. Gerald Lamprecht vom Centrum für jüdische Studien hat nun die Geschichte dieser zweiten jüdischen Gemeinde von ihrer Gründung bis zum Ersten Weltkrieg vorgelegt und einer detailreichen Schilderung der historischen Fakten einen ausführlichen Teil vorangestellt, der die Entwicklung jüdischer Identität in der Moderne im Spannungsfeld zwischen Antisemitismus und eigener Tradition, zwischen Emanzipation und Verbürgerlichung nachzeichnet.
Wir erfahren hoch interessante Einzelheiten über die Schwierigkeiten, die jeder einzelne Schritt der Etablierung einer jüdischen Minderheitenkultur im Umfeld einer ausschließenden, bereits stark deutschnational geprägten Mehrheitskultur mit sich brachte – von der Einrichtung einer Schächterei über die Eröffnung eines koscheren Gasthauses oder der Gründung von Sportvereinen bis hin zum Bau der Synagoge; ebenso von den „hausgemachten“ Problemen, die sich angesichts der Konkurrenzierung der schon länger bestehenden „israelitischen Corporation“ durch die neu gegründete IKG auftaten. Die Vereinstätigkeit zionistischer und anderer Vereine, die Siedlungsgeschichte – der Großteil der Grazer Juden ließ sich zunächst in den klassischen Immigrantenbezirken nieder, v.a. im Gries, die Herkunft – 60% der 1864 in Graz lebenden Juden stammten aus dem Burgenland, die Auseinandersetzung mit den Deutschnationalen, aber auch die – sehr seltene – Anerkennung durch die Mehrheitsbevölkerung, wie etwa anlässlich der Einweihung der Synagoge in „Withalms Coliseum“, an der der Grazer Bürgermeister und eine Reihe von Honoratioren teilnahmen – all dies und viel mehr findet in diesem Buch seinen Platz und wird ausführlich besprochen.                   
cs

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