Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Der Mandelblüten-Effekt: Biokatalyse mit Hilfe von Mutter Natur
Mittwoch, 11. Juli 2007
Die Steiermark hat sich bei der Entwicklung von zukunftsträchtigen Technologien auf den verschiedensten Forschungsfeldern in den vergangenen Jahren bereits einen ausgezeichneten Ruf erworben. Eines der eindruckvollsten Beispiele ist das Kompetenzzentrum „Angewandte Biokatalyse“, das seit fünf Jahren das europaweit führende Zentrum für industrielle Biotechnologie ist.

Vor dem sorgfältig vorbereiteten Sprung in die nächsthöhere Liga haben die Initiatoren eine eindrucksvolle Bilanz gezogen. An ihrem bewährten Erfolgsrezept, der Zusammenarbeit mit Partnern aus der Wirtschaft, wollen die Grazer Forscher, die sich mit der Analyse der „Katalysatoren der Natur“ – der Enzyme beschäftigen, auch weiterhin festhalten.

Investition in Forschung ist der Schlüssel zum Erfolg. Das Ziel der Forschungsförderung ist, die Steiermark zur Meisterin der am Markt umgesetzten Innovationen zu machen. „Um diese Rolle auszubauen und auch künftig als Innovationstreiber fungieren zu können, unterstützt das Land Steiermark die Kompetenzzentren mit 100 Millionen Euro in den nächsten Jahren“, verspricht Wirtschaftslandesrat Dr. Christian Buchmann. Diese Investition ist ein deutliches Bekenntnis zum Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Steiermark, in dem als eine Speerspitze die Human- und Biotechnologie weiterhin gestärkt werden soll. Das Kompetenzzentrum „Angewandte Biokatalyse“ trägt einen wichtigen Teil zu dieser erfolgreichen Entwicklung der letzten Jahre bei.

Mehr Erfolg durch Innovation. Die neue Wirtschaftsstrategie des Landes Steiermark trägt mit voller Berechtigung den Titel „Innovation serienmäßig“. Die Steiermark kann mit Stolz darauf verweisen, die größte Anzahl von Kompetenzzentren aller österreichischen Bundesländer zu besitzen. Den Kompetenzzentren als Innovationstreibern zwischen Wissenschaft und Wirtschaft kommt in der Strategie eine besondere Rolle zu.
Ein Indiz für die Innovationsfreudigkeit steirischer Unternehmen ist auch der Fakt, das 19% des Umsatzes mit „jungen“ Produkten, die nicht älter als drei Jahre sind, erzielt werden, hebt Buchmann hervor.
Insbesondere mit dem Kompetenzzentrum Biokatalyse will man in der Zukunfts- und Wachstumsbranche Biotechnologie ein weltweit anerkanntes Standbein weiter ausbauen. Die hohe fachliche Kompetenz des Forschungszentrums schlägt sich auch darin nieder, dass selbst US-amerikanische Firmen ihre Europaniederlassung in den Raum Graz verlegt haben.

Aus Projekten werden Produkte. Die Zusammenarbeit mit Unternehmen, aber auch die hohe Anzahl von geförderten Forschungsprojekten garantieren einen entsprechend dichten Output an praxisorientierten Anwendungsmöglichkeiten. „Wir versuchen aus unseren Projekten Produkte zu machen“, erklärt  DI Dr. Markus Michaelis, Geschäftsführer des Kompetenzzentrums, den Erfolg des interuniversitären Forschungsclusters.
„Elf Patente und fünf industrielle Prozesse – das ist das stolze Zwischenergebnis nach fünf Jahren Kompetenzzentrum“, verweist Univ.Prof. Dr. Herfried Griengl, der wissenschaftliche Direktor des Biokatalysezentrums, stolz auf die Forschungsergebnisse seines 94-köpfigen Teams. Die Aussichten für Absolventen seien ebenfalls hervorragend, betont Griengl, „in den vergangenen Jahren haben acht Doktoranden Anstellungen bei Unternehmen bekommen.“
„Diese Entwicklung trägt auch dazu bei, den Effekt des ‚Brain-Drain‘, d.h. dem Abwandern fähiger Wissenschaftler nach Übersee, wirkungsvoll zu begegnen“, ergänzt Michaelis.

Wirkstoffe aus der Natur für industrielle Prozesse. Die Forscher am Kompetenzzentrum Angewandte Biokatalyse untersuchen primär die Rolle von Enzymen, die an chemischen Vorgängen beteiligt sind. Diese speziellen Eiweißstoffe ermöglichen erst die Umwandlung von Substanzen bzw. beschleunigen die Reaktion, wie etwa Hefe bei der Vergärung von Bier. Den Anwendungsspektren für Produkte aus diesen Prozessen sind nahezu keine Grenzen gesetzt, erklärt Griengl: Die chemische Industrie nutzt die Biokatalyse zur Vermeidung von Abfall und giftigen Lösungsmittel. Weitere Anwendungsfelder sind in der Lebensmitteltechnologie (probiotische Stoffe) sowie der Pharmaindustrie gegeben. „Mit Hilfe der Enzyme kann man z.B. einen in Mandelblüten enthaltenen Wirkstoff naturidentisch herstellen, der als umweltfreundliches Insektizid Verwendung findet“, beschreibt Griengl.
Ersatz von fossilen Grundstoffen. In den kommenden Jahrzehnten wird der Substitution der Petrochemie wachsende Bedeutung zukommen, prophezeit Griengl: „Die weiße Biotechnologie steht am Vorabend einer Revolution. Den Biopolymeren kommt als Ersatz für Kunststoffe aus Erdölprodukten eine stark zunehmende Bedeutung zu.“
Mit Hilfe nachwachsender Rohstoffe können dann Folien oder Gebrauchsgegenstände hergestellt werden, die eine ganze Reihe von Vorteilen für Konsumenten und Umwelt haben, betont Griengl: „Zum einen handelt es sich um nachhaltige Produktionsketten, die klimaneutral wirken, weiters bedarf es keiner Müllverbrennung, weil diese Stoffe natürlich verrotten. Außerdem ist es gerade auf dem Lebensmittelsektor entscheidend, dass es sich um naturidente Produkte handelt, die keine allergischen Reaktionen herbeiführen.“

Weiterer Ausbau mit COMET. Griengl hält eine intensivere Unterstützung für die Wachstumsbranche für unverzichtbar: „Wenn Österreich in dieser Schlüsseltechnologie nicht mithält, dann geht der Aufschwung an uns vorbei. Und diese einzigartige Chance ist vertan.“ Finanziert wird das Kompetenzzentrum bisher vom Kplus-Programm der Bundesregierung, das die Bundesländer, also auch die Steiermark, mittragen. Die internationalen Erfolge stimmen Michaelis und Griengl äußerst zuversichtlich, im kommenden Jahr erfolgreich einen Antrag für das Nachfolgeprogramm COMET zu stellen. In Form eines K2-Zentrums streben sie 2008 die Bündelung der österreichweiten Kompetenz in industrieller Biotechnologie in Graz an. Das würde den nötigen Schub im Forschungspotenzial gewährleisten, um jene kritische Masse zu erreichen, um sich endgültig als international führendes Forschungszentrum zu positionieren, erklärt Griengl: „Als K2-Zentrum würden sich die verfügbaren Mittel im Vollausbau von derzeit fünf auf zwölf Mio Euro erhöhen und die Anzahl der Mitarbeitenden auf 120 Forscher fast verdoppeln.“
Josef Schiffer
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