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Patientenanwaltschaft des Primarärzteverbandes
Mittwoch, 11. Juli 2007
Kopfzeile
von Martin Novak

Österreich hat ein fragiles Nachfolgemodell für den Presserat gefunden. Besser als nichts, könnte man sagen. Oder auch schlechter als nichts, wenn sie sich nicht weiterentwickelt.

Nach fünfjähriger Zwangspause hat Österreich ein Nachfolgemodell des früheren Presserats. Es heißt Leseranwaltschaft, was ja nicht unschick klingt. Die Anwaltschaft hat namhafte Repräsentanten, die stellvertretende Innenpolitik-Ressortleiterin der Salzburger Nachrichten, Sylvia Wörgetter, den pensionierten APA-Chefredakeur Gerhard Mayer und den früheren  ORF-Hauptabteilungsleiter Alfred Payrleitner. Und sie hat einen Initiator: den österreichischen Verein der Chefredakteure.
Selbst definierte schöne und wichtige Aufgabe: „Die Leseranwaltschaft … beobachtet im Rahmen der Selbstkontrolle die Einhaltung des Ehrenkodex und bietet jenen Hilfe an, die sich von möglichen Verletzungen des Ehrenkodex durch Printmedien betroffen wähnen. Dabei versteht sich die Leseranwaltschaft in erster Linie als Mediator zwischen Beschwerdeführer und dem betreffenden Printmedium.“
Unumstritten ist die Leseranwaltschaft beileibe nicht:  Wenn man sich die ersten Reaktionen des, anhört, ist das nicht gelungen. „Mit einer Selbstkontrolle hat dieser Verein nichts zu tun“, zitieren Medien den Vorsitzenden der Journalistengewerkschaft, Franz C. Bauer. Anders die Sichtweise des Verbandes Österreichischer Zeitungen (VÖZ): Es handle sich um einen ersten wichtigen Schritt, der für eine Weiterentwicklung der Medien-Selbstkontrolle offen ist. „Einen staatlichen Eingriff, wie ihn  –  fast unglaublich  –  die Journalistengewerkschaft verlangt, lehne ich nachdrücklich ab, weil er den Druck auf die in Österreich ohnedies belastete Pressefreiheit weiter erhöht“, so VÖZ-Präsident und Styria-Vorstandsvorsitzender Horst Pirker.
Da hört neben man dem Konflikt auch Einigkeit heraus: Die Selbstkontrolle hat noch Verbesserungspotenzial. Das ist auch das Fazit der „Medienhaus Wien“-Expertinnen Astrid Zimmermann und Daniela Kraus, die die Schaffung des Selbstkontrollorgans wissenschaftlich begleitet haben: Das ursprüngliche Ziel, unter Mitwirkung aller Stakeholder „ein implementierungsfähiges Modell zu entwickeln, scheiterte“.
Ob die Leseranwaltschaft besser oder schlechter als nichts ist, wird wohl erst der Entwicklungsprozess der kommenden Jahre zeigen.
Ein Vergleich der Leseranwaltschaft mit dem 1977 etablierten Schweizer Presserat zeigt jedenfalls, wie weit der Weg zu einem ausgereiften Modell noch ist. Träger der Schweizer Einrichtung ist eine gemeinsame Stiftung von Journalistenverbänden und Mediengewerkschaften. Die Erweiterung um die Verleger wird gerade verhandelt. Trägerschaft und Finanzierung über eine Stiftung sind transparent und öffentlich. Der Schweizer Presserat hat 21 Mitglieder, darunter sechs Publikumsvertreter. Und die braucht er auch, um rund 100 Beschwerdefälle pro Jahr zu bewältigen. Inhaltlich tut er das auf Basis des Schweizer Journalistenkodex, dem Pendant zum österreichischen Ehrenkodex. Er besitzt dazu aber ein präzises Reglement für die Abwicklung. Und: Er ist sowohl für Print- als auch elektronische Medien zuständig, während die österreichische Anwaltschaft tatsächlich nur eine für Leser, nicht aber für Hörer und Seher ist.
Um breite Glaubwürdigkeit zu bekommen, wird sich die Leseranwaltschaft nicht mit namhaften journalistischen Persönlichkeiten als Repräsentanten begnügen können  –  sie wird auch eine breitere Basis brauchen als den Chefredakteursverein. Man stelle sich vor, welcher Kommentar Sylvia Wörgetter zu einer vom österreichischen Primarärzteverband initiierten Patientenanwaltschaft einfiele.
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