Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Auto-Mobil bis in den Klima-Tod (I)
Dienstag, 10. Juli 2007
ImageUnangenehme Nachrichten brauchen lange, bis sie ins Bewusstsein der Menschen einsickern – und noch länger, bis eine durch Lobbyismus gelähmte Politik darauf auch nur ansatzweise reagiert. Der Klimawandel ist ein solches Phänomen, und wirksame Maßnahmen zur Eindämmung seiner Ursachen treffen nicht nur den Lebensnerv mächtiger Interessengruppen in der Industrie, für die Flexibilität nur dann kein Fremdwort ist, wenn sie andere trifft, sondern auch die jahrzehntelang antrainierten Gewohnheiten breiter Bevölkerungsschichten. Wenn diese beiden Faktoren zusammentreffen, beißt Reformwille auf Granit. Besonders deutlich wird dies im Fall des Verkehrs. Eine Systemumstellung, die Mobilität garantiert statt „Fahrspass“ – ein Euphemismus  – rückt erst gar nicht mehr ins Blickfeld, dafür werden oft Alternativen propagiert, deren einziger Vorzug bei genauerem Hinsehen jener ist, dass sie ihrem Anwender ein gutes Gewissen verschaffen. Wirksam im Sinn des Klimaschutzes sind sie kaum oder gar nicht. KORSO untersucht in einer zweiteiligen Serie die so genannten „Treibstoff-Alternativen“ und ihr reales Potenzial.


Klimakiller Nummer eins. Immer mehr entwickelt sich der Kraftfahrzeugverkehr zum Klimakiller Nummer eins. In Österreich ist er laut Umweltbundesamt inzwischen für die Emission von 24 Mio Tonnen – das sind 31% der Gesamtemissionen – von Treibhausgasen verantwortlich, der Anteil des PKW-Verkehrs liegt bei 53%, jener des LKW-Verkehrs bei  Besonders erschreckend ist, dass die Menge der Treibhausgase, die von den Kraftfahrzeugen auf Österreichs Straßen ausgestoßen werden, zwischen 1990 und 2004 um 87% zugenommen hat, während er in den anderen Sektoren stagniert bzw. – wie in den Bereichen Landwirtschaft oder Raumwärme – sogar abgenommen hat.

Mehr, weiter, schneller, stärker – in der Freizeit. Die Gründe für diese gigantische Zunahme liegen klar auf der Hand: EU-weit hat der PKW-Verkehr zwischen 1995 und 2004 um 73,5% zugenommen, der LKW-Verkehr um 44,5%, zitiert DI Anton Plimon, GF von Arsenal Research, den Bericht der Generaldirektion Energie und Verkehr von 2006.
In Österreich nahm die Verkehrsleistung bei den PKW zwischen 1990 und 2005 um 30% zu – vor allem durch den Freizeitverkehr, der nunmehr fast 60% der Gesamtkilometerleistung ausmacht; allerdings zählen Einkäufe und Erledigungen ebenfalls zum Freizeitverkehr. Ein Hinweis darauf, dass die Wege zwischen Konsument und (Einzel)Handel immer länger werden – und dass der vermeintlichen Ersparnis beim Einkauf im Shopping-Center immer höhere Wegekosten gegenüberstehen.
Angesichts dieser gewaltigen Verkehrssteigerung verwundert es nicht, dass die Menge des in Österreich verkauften Kraftstoffs zwischen 1990 und 2005 laut dem achten Umweltkontrollbericht des Umweltbundesamtes um 80% gestiegen ist. Dafür gibt es aber auch noch einen zweiten Grund, nämlich die in Österreich wegen der im internationalen Vergleich geringfügigen Besteuerung niedrigen Kraftstoffpreise. Ein Drittel der in Österreich getankten Kraftstoffmenge im Ausland verfahren, das betrifft vor allem den Güterverkehr. Die daraus resultierenden Treibhausgas-Emissionen werden – zu Recht – Österreich zugeschlagen.
Verbesserungen, die neue Motortechnologien mit sich bringen, werden durch den Trend zu Vans und Geländewagen zunichte gemacht. Das durchschnittliche Fahrzeuggewicht neu in Österreich zugelassener PKW hat von 2000 bis 2005 um 11% zugenommen, die durchschnittliche Leistung um 7%, bei Dieselfahrzeugen sogar um 12,3%. Entsprechend lag der durchschnittliche Treibhausgasausstoß neuer Pkw 2005 bei Benzinfahrzeugen bei 165g CO2/km und bei Dieselfahrzeugen bei 161g CO2/km. Das ist deutlich mehr als der Flottenverbrauchs-Grenzwert von 140g CO2/km, zu dessen Einhaltung sich die Autoindustrie freiwillig verpflichtet hatte.

Placebo Wasserstoff. Da heute weder der Treibhauseffekt noch die Tatsache geleugnet werden können, dass der KFZ-Verkehr maßgeblich zu seiner Entstehung beiträgt, sucht die Automobilindustrie nach Möglichkeiten, ohne wesentliche und kostenintensive Produkt-Umstellungen „grüne“ Fahrzeuge auf den Markt zu bringen – die sich bei näherem Hinsehen oft als umweltschädlicher erweisen als ein herkömmliches diesel- oder benzinbetriebenes Fahrzeug.
Den Vogel hat dabei zweifelsohne BMW abgeschossen. „Vorn unter der Haube verbrennt ein 260 PS starker Zwölfzylinder reinen Wasserstoff und aus dem Auspuff gelangt fast nur Wasserdampf in die Berliner Luft“ schreibt Auto-Tester Hans-Joachim Rehg im deutschen Boulevard-Blatt „Super“-Illu enthousiasmiert über seine Testfahrt mit dem BMW750hL, dem ersten serienreifen Wasserstoffauto der Welt. „Wasserstoff hat großes Potenzial, der Kraftstoff der Zukunft zu sein“, sagt BMW-Entwicklungschef Klaus Draeger, der umweltbewusste Promis als Werbeträger für sein Hydrogen-Statussymbol gewinnen will. Da sich in dieser Gattung unbedarftes Öko-Gutmenschentum gerne mit gut situiertem Hedonismus paart, werden die potenziellen ErstfahrerInnen auch wohl nicht allzu viele Fragen über die Sinnhaftigkeit eines 2,5-Tonners mit Pseudo-Ökoantrieb stellen, der mit zwei Kilo Wasserstoff à 8 Euro gerade mal 40 Kilometer weit fährt. Für die Gewinnung von Wasserstoff muss nämlich erheblich mehr Energie aufgewandt werden als dieser selbst enthält. Zur Herstellung von einem Kilo Wasserstoff, dessen Energieinhalt dem von 3,5 Litern Benzin entspricht, werden 9 Kilo Wasser sowie 100 Kilowattstunden Strom benötigt, rechnet der international renommierte Schweizer Energie-Experte Dr. Ulf Bossel, Gründer des „European Fuel  Cell Forum“, vor. „Man hat die wesentliche Frage stets ausgeklammert – nämlich woher die Energie kommen soll, aus der man Wasserstoff produziert.“
Energie benötigt dabei nicht nur die Elektrolyse, sondern auch die Verflüssigung, der Transport, die Lagerung und die Verteilung, die wegen der Flüchtigkeit des Gases auch noch eine ganze Reihe technischer Probleme stellen. Die zweite, billigere und etwa weniger energieaufwändige Möglichkeit der Herstellung von Wasserstoff, nämlich aus Erdgas, scheidet aus:  Zum einen kann Erdgas ohne teure und Energie verschlingende Umwandlungsprozesse selbst als Treibstoff Verwendung finden und zum Zweiten verschlechtert seine Verbrennung, nachdem es sich dabei um einen fossilen Energieträger handelt, die Klimabilanz.

Milliarden in eine Sackgassen-Technologie. Neben dem von BMW eingeschlagenen Weg des Wasserstoffmotors, dessen Vorzug es in der Tat ist, dass er auch mit Benzin betrieben werden kann, besteht auch noch die Möglichkeit, Wasserstoff in Brennstoffzellen zur Stromerzeugung kontrolliert zu verbrennen und damit einen Elektromotor anzutreiben. Auch keine besonders gute Idee, sagt Bossel: Denn während herkömmliche Elektrofahrzeuge bis zu 80% der in ihren Akkus gespeicherten Energie den Rädern zuführen und diese zudem beim Bremsen wieder aufladen können, wird im Brennstoffzellen-Fahrzeug der Wasserstoff, der doppelt so teuer ist wie der Strom aus der Haushaltssteckdose, mit einem Wirkungsgrad von nur 40% genutzt. „Wasserstoff ist keine neue Energiequelle, sondern ein unter hohen Verlusten aus anderer Energie künstlich erzeugter Energieträger.“ Warum die Automobilindustrie so begeistert auf den Wasserstoff-Zug aufgesprungen ist, erklärt Bossel so: „Automobil- und Ölgesellschaften haben ein verständliches Interesse an chemischen Energieträgern für die eingeführte Antriebstechnik. Der Einsatz von Wasserstoff und Brennstoffzelle ist im Grunde eine technische Variante von Benzin und Ottomotor, nur mit einem anderen chemischen Energieträger.“ Damit wird auch das Engagement erklärbar, das die öffentliche Hand bei der Förderung dieser Sackgassentechnologie zeigt. Ähnlich wie bei der Erforschung der Kernfusion diktieren die Bedürfnisse der kapitalschwersten und zugleich unflexibelsten Teile der Industrie die Verwendung öffentlicher F&E-Mittel. „Die Blase platzt, sobald d er Geldhahn zugedreht wird“, ist Bossel überzeugt.

Christian Stenner

Lesen Sie in der nächsten Ausgabe: Was es mit Biogas, Biodiesel und Bio-Ethanol auf sich hat – und warum die Armen hungern sollen, damit die Reichen mit gutem Öko-Gewissen in ihren SUVs durch die Gegend fahren können.
» Keine Kommentare
Es gibt bisher noch keine Kommentare.
» Kommentar schreiben
Nur registrierte Benutzer können Kommentare schreiben.
Bitte melden Sie sich an oder registrieren Sie sich.
 
< zurück   weiter >