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Hohes Einkommen und gute Ausbildung bleiben das beste Gesundheitsförderungs-Programm
Archiv - Soziales
Montag, 13. März 2006
ImageGesundheitsförderung ist ein Politikziel, dessen Sinnhaftigkeit wohl kaum von irgendjemand angezweifelt wird. Doch auch das scheinbar Selbstverständliche verdient hinterfragt und evaluiert zu werden. Zwei ForscherInnen vom Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie der Medizinuniversität Graz haben in Kooperation mit „Styria Vitalis" – der wichtigsten steirischen Initiative zur Gesundheitsförderung – die Auswirkungen gesundheitsfördernder Programme in steirischen Gemeinden untersucht: Das Ergebnis: Gesundheitsförderungsmaßnahmen sind wirksam – aber nicht für alle im gleichen Ausmaß.

 


ImageImageGebildetere und Wohlhabende profitieren stärker davon als Angehörige unterer Einkommensschichten. Als Ausgangsbasis diente Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Freidl und Dr. Christine Neuhold dabei eine Befragung, die zwischen 1995 und 1998 im Auftrag des Fonds „Gesundes Österreich" in 27 ländlichen Gemeinden stattfand. In 10 Gemeinden wurde zwischen 2001 und 2005 mit Unterstützung durch den Fonds Gesundes Öster-
reich eine erneute Befragung durchgeführt. Dabei konnten von der ursprünglichen Stichprobe von 2235 Personen nahezu die Hälfte neuerlich erreicht werden.
In den betroffenen Gemeinden hatte Styria Vitalis in der Zwischenzeit Gesundheitsarbeitskreise unter Einbezug möglichst vieler GemeindebürgerInnen etabliert und verschiedene Gesundheitsförderungsprogramme wie Workshops, Seminare und Kurse durchgeführt.

Gesundheitsfördernde Maßnahmen wirken – aber nicht für alle im gleichen Ausmaß. Das Ergebnis war, so Neuhold: „Wo’s ohnehin schon gut läuft, läuft’s nach den Maßnahmen noch besser." Oder, um es mit den Worten von Neuholds und Freidls Studie mit dem sperrigen Titel „Ein psychoszialer Gesundheitssurvey in gesunden Gemeinden der Steiermark: Zeitliche Verläufe und Evaluation von Gesundheitsförderung" zu sagen: „Studiengemeinden, die das Programm Gesunde Gemeinde mit Unterstützung durch Styria Vitalis gemäß den oben genannten Qualitätskriterien etablieren konnten und sehr umfangreiche Interventionen gesetzt haben, haben nachweislich zu einer Steigerung bzw. Verbesserung der oben genannten Dimensionen [der verschiedenen Gesundheitsindikatoren] in der Bevölkerung beigetragen. Am stärksten profitieren aber jene Bevölkerungsgruppen, die der mittleren und höheren Bildungsschicht angehören sowie über ein höheres Einkommen verfügen."
Das Ergebnis war, so Neuhold: „Wo’s ohnehin schon gut läuft, läuft’s nach den Maßnahmen noch besser." Oder, um es mit den Worten von Neuholds und Freidls Studie mit dem sperrigen Titel „Ein psychoszialer Gesundheitssurvey in gesunden Gemeinden der Steiermark: Zeitliche Verläufe und Evaluation von Gesundheitsförderung" zu sagen: „Studiengemeinden, die das Programm Gesunde Gemeinde mit Unterstützung durch Styria Vitalis gemäß den oben genannten Qualitätskriterien etablieren konnten und sehr umfangreiche Interventionen gesetzt haben, haben nachweislich zu einer Steigerung bzw. Verbesserung der oben genannten Dimensionen [der verschiedenen Gesundheitsindikatoren] in der Bevölkerung beigetragen. Am stärksten profitieren aber jene Bevölkerungsgruppen, die der mittleren und höheren Bildungsschicht angehören sowie über ein höheres Einkommen verfügen."
Ein Ergebnis, das auch Gesundheitslandesrat Mag. Helmut Hirt auf den Plan ruft: Diese Ergebnisse müssten in ein Redesign der Maßnahmen münden, fordert er.

Verdoppelung der Krankenstandstage. Dabei wären gerade für bildungsferne und einkommensschwache Menschen wirksame kompensatorische Programme besonders vonnöten: Ihr Gesundheitszustand ist nämlich signifikant schlechter als jener der besser Gebildeten und Wohlhabenden. So stieg etwa bei den Frauen mit niedriger Bildung die Zahl jener, die Bluthochdruck-Medikamente nehmen mussten, im Vergleichszeitraum von 24,5 auf 39,1% – bei Frauen mit hoher Bildung bloß von 0 auf 7%. Keine der Frauen mit hoher Bildung gab – weder bei der ersten noch bei der zweiten Befragung – an, Herzmedikamente zu nehmen; bei den Frauen mit geringer Bildung stieg die Zahl der Betroffenen von 13,4 auf 19,8%. Bei Männern wurden ähnliche Prozentsätze erhoben. Und die Zahl der Krankenstandstage hat sich bei niedrigen Einkommensschichten seit der ersten Befragung verdoppelt (von früher durchschnittlich 3,4 auf 7,3), bei gut Verdienenden stieg sie hingegen kaum.

Verhältnis- statt verhaltensorientierte Gesundheitsförderung. Die Annahme von gesundheitsfördernden Maßnahmen erscheint bildungsfernen Schichten mit geringem Einkommen als Luxus, postuliert Freidl. Wobei es nicht um die Kosten allein gehe: Oft werde der Konsum von Suchtmitteln oder wenig gesundheitsförderlichem Essen als einzige Abwechslung in einem öden Alltags- und Arbeitsleben empfunden. Eine Beobachtung, die etwa der Grazer Allgemeinmediziner Dr. Hans-Peter Meister bestätigt: „Ich bin immer wieder mit PatientInnen konfrontiert, die eine Lebensstiländerung bewusst und begründet ablehnen, weil Schweinsbraten und Bier nach ihren eigenen Worten das einzige Vergnügen sind, das ihnen in ihrer Lebenssituation geblieben ist."
Der Gasener Arzt Dr. Friedrich Ritter, der in Naintsch an der Umsetzung eines Gesunde-Gemeinde-Programmes beteiligt war, sieht einen weiteren Grund für die geringere Wirksamkeit dieser Maßnahmen bei bildungsferneren Menschen darin, dass „Lebensstilveränderungen eine gewisse Konsequenz benötigen; es geht schließlich darum, kognitive Lernprozesse ins tägliche Leben umzusetzen, und das fällt jenen, für die das ein Teil ihrer Ausbildung war, natürlich leichter."
Gesundheitsförderung sollte daher in Hinkunft weniger verhaltens- als verhältnisorientiert sein, sagt Freidl. „Die Gemeinden müssten stärker im Strukturbereich tätig werden – zum Beispiel mehr integrative Jugendarbeit anbieten. Und die Versorgungsstrukturen für ältere Menschen, die sozialen Netzwerke müssen verbessert werden." Damit fetter Braten und Alkohol nicht die einzigen Lustspender bleiben.

Christian Stenner

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