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Rifkin: „Habt mehr Zuversicht in die sanfte Macht Europa!"
Archiv - Politik
ImageJeremy Rifkin: „Der europäische Traum hat es geschafft wirtschaftlichen Erfolg mit einem ausgewogenen Sozialmodell zu verbinden – die Europäer müssen lernen, die positiven Seiten ihres Modells zu würdigen."

Den fulminanten Auftakt zu den Pfingstgesprächen in Seggauberg lieferte der amerikanische Visionär und Zukunftsforscher Jeremy Rifkin, der die Zuhörer ermahnte, mehr Zuversicht und Optimismus für ihr gemeinsames Europa aufzubringen.

Gerade die Entwicklung der letzten 15 Jahre seien der schlagende Beweis für die positiven Qualitäten der europäischen Einigung, betonte Rifkin. Josef Schiffer sprach für KORSO mit dem charismatischen Vordenker über seine unverhohlene Neigung für Europa.

Warum halten Sie das europäische Modell für überlegen?
Es ist wesentlich besser auf die Erfordernisse einer globalisierten Welt abgestimmt als das amerikanische Modell, das ganz stark durch eine Mischung aus Wildwestsiedlermentalität und protestantischem Arbeitsethos gekennzeichnet ist, das heißt von extremem Individualismus, dem maßlosen Streben nach Geld und Erfolg sowie wenig Rücksichtnahme auf die Umwelt.

Welche Unterschiede sehen Sie zwischen den beiden Systemen?
Die USA setzen auf wirtschaftliches Wachstum um jeden Preis, während der europäische Kontinent auf eine nachhaltige Entwicklung setzt. Aufs engste damit verknüpft ist der Faktor der Lebensqualität, die in Europa einen kollektiven Wert bildet und ein in den USA ein wenig gewürdigter Wert ist. In den USA genießt das Privateigentum die höchste Priorität, während in Europa soziale und Menschenrechte eine immens wichtige Rolle spielen. Die Amerikaner setzen auf geopolitische Dominanz, während sich Europa in seiner Außenpolitik als „sanfte" Macht positioniert.

Aber der amerikanische Traum scheint nach wie vor das weltweit dominante Gesellschaftskonzept zu sein?
Der amerikanische Traum von individueller Freiheit, der in der Nachkriegszeit als das Vorbild der westlichen Welt diente und viele Einwanderer in die Vereinigten Staaten lockte, hat in den achtziger Jahren seine Strahlkraft zu verlieren begonnen.
Die neoliberale Ideologie des Marktes dominiert inzwischen den gesellschaftlichen Kontext, während das natürliche Gegengewicht der Zivilgesellschaft mit einer breiten sozialen Mittelschicht weitgehend verloren gegangen ist. Dazu nur eine Zahl: Heute liegen die USA bei der Einkommensgleichheit nur knapp vor Russland an 24. Stelle der OECD-Staaten.

Kann die europäische Vision eine bessere Weltordnung schaffen helfen?
Das europäische Modell ist noch in einem sehr embryonalen Stadium. Wegen der heterogenen Situation ist es nicht immer auf den ersten Blick in seiner transnational verbindenden Qualität erkennbar, aber es entwickelt sich stetig weiter und verspricht zum Erfolgsmodell des 21. Jahrhunderts zu werden. Die europäische Vision gewinnt an Realität und in vielerlei Hinsicht ist sie das reine Gegenteil des amerikanischen Traums.
Auf jeden Fall glaube ich, dass es sich im Umfeld der dynamischen Prozesse der Globalisierung besser bewähren wird, auch wenn ich nicht prophezeien kann, ob es letztlich erfolgreich sein wird. Hier will ich nicht naiv erscheinen: Die Möglichkeit eines Fehlschlags ist immer gegeben, denn Europa selbst ist sich als politische Einheit noch nicht einig über den Weg, den es gehen möchte. Es gibt zuviel Zweifeln und Skepsis am eigenen Tun. Die Europäer sollten mit Zuversicht und Selbstvertrauen ihre Aufgabe in die Hand zu nehmen und an ihrer Vision weiterbauen. Das wäre eine der Eigenschaften, die sie von den Amerikanern lernen können.

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