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Bildung für wirklich alle: Am Retzhof fallen die Barrieren
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ImageDie traditionsreiche Landes-Bildungsinstitution wird zum behindertengerechten Vorzeigehaus.„Die Inhalte allein sind es nicht mehr, wodurch sich eine Bildungsinstitution von den anderen abheben und unentbehrlich machen kann", sagt der Pädagoge Dr. Jochim Gruber, Leiter des landeseigenen Bildungshauses Retzhof. „Wir müssen auch verstärkt Zielgruppen ansprechen, die bisher zu wenig im Blickpunkt der Bildungsarbeit gestanden sind." Eine dieser Zielgruppen – und vielleicht die wichtigste – sind Menschen mit Behinderung.

ImageLRin Drin Bettina Vollath und Architekt Ferdinand Certov präsentieren das Projekt.

Was für Sehbehinderte und Blinde, Menschen mit Hör- und anderen körperlichen Behinderungen schon immer galt, trifft nun auch auf Menschen mit mentaler Behinderung zu: „Bildungsinstitutionen müssen mehr so genannte niederschwellige Bildungsangebote und Bildungsangebote für behinderte Menschen in ihrem Portfolio führen. Mit der Integration und der neuen Gesetzeslage zur Berufsausbildung entsteht ja auch in dieser Bevölkerungsgruppe ein Bedarf nach Weiterbildung", sagt Gruber. „Dem muss stärker Rechnung getragen werden; derzeit gibt es ja kaum einschlägige wissenschaftliche Literatur."

Beratung durch Behindertenorganisationen. Am Retzhof waren allerdings immer wieder Veranstalter mit einschlägigen Angeboten zu Gast, „daher haben wir uns immer bemüht, möglichst behindertengerecht zu agieren – aber das stößt an die Grenzen der baulichen und infrastrukturellen Gegebenheiten." Für Gruber stand daher bald fest: Das Landesbildungshaus Retzhof muss auch baulich an die Bedürfnisse der neuen Zielgruppe angepasst werden. Und er fand rasch tatkräftige Unterstützung bei der zuständigen Landesrätin Dr.in Bettina Vollath: „Die Landesrätin hat sofort positiv auf unser Konzept reagiert und sich hinter unsere Vorschläge gestellt."
Das Ziel sei nicht, ein Haus für Behinderte zu bauen, stellt Gruber klar, sondern eines „ohne Barrieren, das ,userfreundlich‘ für alle BenützerInnen ist". Ein Architektenwettbewerb wurde beschlossen; im Vorfeld wurde das Areal mit VertreterInnen von Behindertenverbänden begangen um die dabei gewonnenen Erkenntnisse in den Ausschreibungstext einfließen zu lassen.

Umfassende Barrierefreiheit. Das Ergebnis: Das 50 Jahre alte Gästehaus wird abgerissen und durch ein neues ersetzt, das 26 Einzel- und zehn Doppelzimmer umfassen und umfassende Barrierefreiheit für RollstuhlfahrerInnen, Gehörlose, Blinde und sonstig körperlich Behinderte, aber auch für Menschen mit mentalen Behinderungen gewähren wird. Erreicht werden soll dies durch besondere optische und akustische Leitsysteme, Klarheit und Einfachheit in der Architektur und – auch in Hinblick auf die Bedürfnisse von AllergikerInnen – durch die Verwendung natürlicher Baustoffe.
Ein besonderer Wunsch der die Bauherren beratenden Behindertenorganisationen war eine große, lichterfüllte, zentrale Lobby, die der Orientierung und dem Verweilen dient.

Auch das Schloss wird adaptiert. 75 Architekten und Architekturbüros folgten der Wettbewerbseinladung. Als Siegerprojekt ging jenes des Grazer Architekten Ferdinand Certov hervor: Die schlichte, kubische Architektur fügt sich unaufdringlich ins Ensemble ein und lässt dem Schloss, das in seiner heutigen Gestalt auf das späte 16. Jahrhundert zurückgeht, weiterhin die dominante Rolle. Bauherr ist die Landesimmobiliengesellschaft LIG, die Bausumme allein wird 1,3 Mio Euro betragen, die Gesamtkosten des Projekts 1,98 Mio Euro. Denn parallel zum Neu bau des Gästehauses, der im Frühjahr 2008 beginnen und ein Jahr dauern wird, werden auch die Seminarräume im Schlossgebäude behutsam adaptiert, Schwellen entfernt, Leitsysteme – u.a. mit Informationen für Blinde in Brailleschrift – installiert und die Akustik optimiert.

Das nächste Projekt folgt. Der Umbau wird, ist Gruber überzeugt, nicht nur Kosten verursachen – die sich angesichts der Komplexität des Projektes ohnehin in eher bescheidenem Rahmen halten –, sondern auch Mehreinnahmen hereinspielen: „Wir erschließen damit eine Klientel, die mitteleuropaweit gut organisiert ist und solche Häuser für Veranstaltungen sucht und braucht."
Und das nächste Ziel nach der Fertigstellung steht für den rührigen Retzhof-Chef bereits fest: „Wir wollen ein wissenschaftliches Projekt durchführen, eine grenzüberschreitende Erhebung des Bedarfs an Erwachsenenbildungsangeboten für Menschen mit Behinderung, auf die sich die Praxis dann in Zukunft stützen kann." cs


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