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Der Neoliberalismus als neodarwinistische Veranstaltung
Archiv - Arbeit und Wirtschaft
Montag, 13. März 2006
Image Foto: WiFo-Forscher Ewald Walterskirchen, Diskussionsleiter Christian Stenner (KORSO)

Der WiFo-Forscher Ewald Walters-kirchen ist Ökonom und Soziologe – und damit in der Lage, den im neoliberalen Kontext zu einem Naturgesetz erhobenen Marktfetischismus aus humanwissenschaftlicher Sicht zu relativieren.

Er hat dies jüngst in seinem Buch „Der Weg in die Informationsgesellschaft" (Passagen Verlag 2005) getan, in dem er ein Entwicklungsgesetz postuliert, das Kosmos, Leben und Gesellschaft gleichermaßen von kleinen isolierten Entitäten über Zwischenphasen hin zu großen, durch Informationsprozesse kooperierenden Zusammenschlüssen voranschreiten lässt; im Gegensatz zu den neodarwinistischen Erklärungsmodellen sieht er die Makro-Entwicklung durch
Koordination und nicht durch Zufall und Konkurrenz vorangetrieben.

Biologismen in der Wirtschaftstheorie. Bei einer Veranstaltung der Akademie Graz am 8. Februar vertiefte Walterskirchen seine Thesen: Der Neoliberalismus sei nichts weiter als eine Spielart neo-darwinistischen Denkens: „Die OECD – Hort des Neoliberalismus – interpretiert die wirtschaftliche Krise in Europa einfach als mangelnde Anpassungsfähigkeit an Schocks – ganz ähnlich wie die Neodarwinisten das Aussterben von Tierarten."
Und schon der Guru der Neoliberalen, Friedrich von Hayek, habe von der „Aussiebung" durch den Markt gesprochen und Arbeitslosenquoten von 20% empfohlen, um den Selektionsdruck auf die ArbeitnehmerInnen zu erhöhen – „eine klar biologistische Ausdrucksweise".

„Steuerwettlauf nach unten" muss gestoppt werden.
Auf die Spitze getrieben wurde das neoliberale Modell von den USA; „an Europa wird es liegen, ihm ein Modell entgegenzustellen, das die Möglichkeiten der neuen Informationstechnologien mit den humanistischen Traditionen der westlichen Welt verbindet und dem Menschen seinen Stellenwert gegenüber den Wirtschaftsinteressen wiedergibt."
Das europäische Sozialmodell könne aber nur überleben, wenn es gelingt, den „Steuerwettlauf nach unten" durch Mindestsätze für Körperschaftssteuer und Kapitalertragssteuer zu stoppen.

Die Rückkehr der Bourbonen. Für alle, die angesichts der Hegemonie neoliberaler Praxis entmutigt sind, hat Walterskirchen noch eine tröstliche Analogie aus der Geschichte parat: Vielleicht, räsonniert er inseinem Buch, sei die neoliberale Phase nach den blühenden, von keynsianischen Wirtschaftsauffassungen dominierten Jahrzehnten nichts anderes als eine Art kurzzeitiger Rückfall im Rahmen einer allgemein vorwärts weisenden Entwicklung – ähnlich der Rückkehr der Bourbonen 1814.

Christian Stenner

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