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Im Paradies? |
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„Shitty Paradise City" – so der verheißungsvolle Titel der Shortstory von Thomas Pletzinger über einen versifften, eiskalten und melancholischen Neujahrsmorgen in einem finnischen Bahnhofshotel. Als Erlebnis vielleicht wenig paradiesisch, als Lektüre durchaus. Passt also doch irgendwie zum Schwerpunkt der neueste Ausgabe der Grazer Literatur- und Kunstzeitschrift LICHTUNGEN: „Paradiese". Mindestens genauso untypisch die Lyrik von Marcus Poettler, der das Paradies inmitten düsterer, überreizter, bisweilen brutaler Szenerie sucht. Es geht aber auch konkreter, wie Ron Winkler beweist: Er möchte in seinem persönlichen Wonnegarten „in Erdbeerjoghurt schwimmen". Bemerkenswert sind die Gedichte von Helwig Brunner, die an Anfangsverse europäischer AutorInnen der letzten zwei Jahrhunderte ihre eigenen Texte fügt. Poesie mit durchaus politischer Aussage - wenn etwa die „frierende Frau Europa" von ihren BewohnerInnen durch deren grenzüberschreitenden Lebenswege gewärmt wird. Daneben widmet sich ein großer Teil des Heftes Texten der Jugend-Literatur-Werkstatt Graz. Hier sticht zum einen „Wir sind Magier" von Elisabeth Klar heraus. Sie stellt das menschliche Zusammenleben als Netzwerk dar, gleich dem von Computern. Wer nicht schnell genug ist, wer einen „Fehler im Programm" hat, wird gelöscht. Ähnlich systemkritisch gibt sich zum anderen Irene Diwiak (mit Jahrgang 1991 eine der jüngsten Autorin). Sie thematisiert in „Es kommt" die Enge und Zwänge des Alltags, den beruflichen Trott, in dem das Leben einzufrieren droht. Als buntes Extra ist auf zahlreichen Seiten „Herr Anger" zu Gast, die Kunstfigur von Gerald Hartwig und Anna Schnegg-Primus. Herr Anger, ein „typischer Österreicher", lässt sich in allen Bereichen des Gesellschaftslebens mit A-, B- und Nicht-Promis ablichten und sammelt die Fotos in seiner Wohnung. Einige dieser Bilder sind in den LICHTUNGEN zu sehen. Daneben sei der „Abschied vom Apfelbaum" von Michael Kleeberg erwähnt. Eine sehr schöne, sehr schlichte Geschichte über die Kunst des Wartens und Reifens – und über einen Baumstamm, dessen Moosteppich sich wie die „Mähne eines Pferdes" anfüllt. Ein Text, der, obwohl nicht dem entsprechenden Schwerpunkt zugeordnet, das Paradies wirklich fühlbar macht. Aber Erdbeerjoghurt schmeckt auch gut, sowie übrigens die gesamte Ausgabe. Cornelia Schuss
KORSO verlost in Kooperation mit LICHTUNGEN Zeitschrift für Literatur, Kunst und Zeitkritik 2 Exemplare der LICHTUNGEN 109 beim KORSO Kulturquiz unter www.korso.at
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