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Der Strom hat ein Mascherl
Archiv - Arbeit und Wirtschaft
ImageDI Richard Hubmann ist Bio-bauer in Sinabelkirchen und Sprecher der BI gegen die 380-kV-Leitung.

Am Mittwoch den 14. März hat der Umweltsenat bekannt gegeben, dass er nunmehr über die 380-kV-Leitung durch das Burgenland und die Steiermark entschieden und dem Bau die Genehmigung erteilt hat. Ein guter Tag für die VERBUND AG.

Kam doch die frohe Botschaft „rein zufällig" am Tag der Jahreshauptversammlung, an dem der Vorstand der VERBUND AG den Aktionären berichten durfte, dass das Unternehmen im Jahr 2006 einen Gewinn von über 500 Millionen Euro erwirtschaften konnte. „Erleichtert" soll sich der wegen seines Abschiedes aus seiner Funktion ohnehin schon zu Tränen gerührte Generaldirektor Hans Haider gezeigt haben. Die Stromversorgung der Steiermark sei ohnehin schon vor dem Zusammenbruch gestanden, versteigt sich ein anderer Manager der VERBUND1.

Das Projekt einer 380-kV-Ringleitung durch Österreich wurde vor 25 Jahren vorgestellt und mit dem Konzept einer „Stromdrehscheibe Österreich" verknüpft. Der Handel mit preisgünstigem Strom aus den Kraftwerken der östlichen Nachbarländer sollte die Kassen der „heimischen Stromhändler" klingeln lassen, so bekannte 1983 Haiders Vorgänger Fremuth in einer Fachzeitschrift. Seit damals bekämpfen LeitungsgegnerInnen das Projekt nicht nur wegen seiner unmittelbaren Umweltauswirkungen, sondern auch weil sie darin ein notwendiges Stück Infrastruktur für den Ausbau der Atomenergie sehen. Seit 1983 ist viel geschehen. Tschernobyl, der Fall des Eisernen Vorhangs und der Beitritt Österreichs und aller seiner Nachbarn zur EU. Italien ist seitdem immer mehr von Stromimporten abhängig geworden und ein dementsprechend attraktiver Markt. Die VERBUND AG sieht in ihrer Beteiligung an Energia Spa, die den zweitgrößten Marktanteil auf dem italienischen Strommarkt hält, mittlerweile eine Cash-Cow heranwachsen.2 Aber auch in der Produktion ist man nicht faul. Die CEZ dachte vor kurzem noch an den Bau weiterer Atomkraftwerke in Tschechien. Bloß das überregionale Netz fehle als Voraussetzung.3 Italiens größter Stromkonzern ENEL plant mit dem Bau zweier Atommeiler in Mochovce noch 2007 zu beginnen. Die VERBUND als Hüter der „Stromdrehscheibe" profitiert in diesem Spiel nicht nur als Netzbetreiber, sondern auch durch die „Veredelung von Atom-Bandstrom" in Spitzenstrom in den Speicherkraftwerken und als Stromvermarkterin.

„Der Strom hat kein Mascherl", pflegen die Adepten der VERBUND zu entgegnen, um im gleichen Atemzug zu betonen, wie wichtig die geplanten Nord-Süd-Verbindungen seien, um den Windstrom aus dem Nordburgenland in den Süden Österreichs verfrachten zu können. Und man wird nicht müde, die Mär von der Netzunsicherheit im Süden Österreichs zu verbreiten.

Tatsächlich ist die Versorgungssicherheit im Süden Österreichs auch ohne die 380-kV-Leitung gegeben. Wenn es gelingt, nur einen Bruchteil jener heißen Luft, die in den letzten Wochen zum Thema Klimawandel erzeugt wurde, in konkreten Projekten in elektrischen Strom zu verwandeln, besteht kein Bedarf nach neuen 380-kv-Leitungen. Wir erinnern daran, dass im aktuellen Regierungsprogramm der steirischen Landesregierung ein Schwerpunktziel mit „Energieautonomie" übertitelt ist. Tatsächlich beschränken sich die Aktivitäten in Sachen erneuerbare Energie auf den Kreis von ökobewussten KleinkraftwerksbetreiberInnen. Die ESTAG hat sich aus der Erzeugung völlig zurückgezogen nach dem Motto: „Der Strom kommt aus der Steckdose." Daran orientieren sich auch die großen politischen Parteien und die Sozialpartner. Wenn es eine Gefährdung der Versorgungssicherheit in der Steiermark gibt, dann ist es diese Haltung des Nichtstuns und Wartens auf die 380-kV-Leitung.

Wenn es nach den Bürgerinitiativen geht, können sie noch lange warten, denn wir werden weiterhin etwas tun. Gegen eine lange Leitung und für erneuerbare Energie.

1 Der Standard, online am 14. März
2 www.financial.de/newsroom/news_at/21839.html
3 Korso, Juni 2006, Energiepolitik am Scheideweg: Atom-Renaissance oder Energie-Autarkie?

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