Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Archiv - Art Box
Sonntag, 12. November 2006
ImageIm August des Jahres 1873 entdeckten Julius von Payer und Carl Weyprecht während einer österreichisch-ungarischen Nordpolexpedition, der „Payer-Weyprecht-Expedition", einen nahezu völlig unter Gletschern liegenden Archipel in der nördlichen Barentssee und nannten ihn „Kaiser-Franz-Josef-Land". Payer und Weyprecht legten Karten an und benannten Gletscher, Fjorde, Inseln und vermeintliches Land nach den Finanziers ihrer Expedition.

Heute ist das Franz-Josefs-Land russisches Territorium, die von den Entdeckern vergebenen Namen sind wohl aufgrund geografisch wie ökonomisch marginaler Relevanz dem Vergessen anheim gefallen. Franz-Josefs-Land steht in Anbetracht der historischen Ereignisse um seine Entdeckung und sein erneutes Verschwinden im Konvolut der Expeditionsdokumente für den paradox anmutenden Topos einer real-geografischen Utopie.

ImageImageDem Konzept eines Kunstwerkes im öffentlichen Raum mit dem Titel Die Garteninseln Franz Josefs (2006) liegt das von Payer und Weyprecht erstellte Kartenwerk jenes Archipels zugrunde. Die von Alfred Resch hier, in der Payer-Weyprecht-Straße in Graz, gestaltete Intervention für die Kulturinitiative Kunstgarten ist zum einen modellhafte Wieder-Holung der Erinnerung an die beiden Forscher und zum anderen Anwendung und Weiterführung ihrer Methode des Benennens zum Zeichen der Landnahme. Resch korrigiert und überschreibt eine Nachbildung der Karte von Franz-Josefs-Land wie sie von Julius Payer angelegt worden war. Symbolisch fügt er in den so definierten Nicht-Ort den Grazer Bezirk Gries als Fotografie von Steinen ein, die er aus dem Keller seines Wohnhauses in der Griesgasse gegraben hat. Die wirklichen Steine wiederum sind Teil einer Rahmenkonstruktion und tragen jene topografischen Widmungsbezeichnungen, die Payer und Weyprecht über den Archipel vergeben hatten. Der Ort von Reschs Intervention, eine Verkehrsinsel vor dem Kunstgarten, wird dadurch zu einer Schnittstelle in einem imaginären Bezugssystem von historischen Ereignissen und ihrer Überlieferung, den historischen Protagonisten und der nach ihnen benannten Straße sowie dem Autor/Künstler Alfred Resch, der die Elemente seiner Recherche mit Objekten aus seinem persönlichen Umfeld als plastisches Werk verknüpft.

ImageEuronetz. Die Landnahme – respektive die Aneignung und Umformung real topografischer Strukturen mittels Zeichen – entspricht auch der Vorgehensweise in einem 2005 eingereichten Projekt zur künstlerischen Gestaltung einer Haltestelle der Montafoner Bahnen. Die kleine und exponierte Bahnstation Gantschier wird von Alfred Resch zum „Europabahnhof" erhoben. Die bestehenden, in Sichtbeton ausgeführten Architekturelemente, vom Fahrradunterstand über eine das Stationsareal begrenzende Brüstung bis zum Wartehaus, verbindet eine Modell-Geleiseanlage in Kombination mit assoziativen Textteilen wie „UMSTEIGEN VERBINDET" oder „VERBUNDEN MIT". Die Conclusio dieses Entwurfs erschließt die Untersicht des Wartehauses mit einer fiktiven Karte von Bahnstrecken, die in ihrem Binnenbereich europäische Kopfbahnhöfe in einem Netzwerk verbindet, das reihum immer wieder an eine Vielzahl von Zielstationen namens Gantschier führt. Mit großer Geste kehrt Resch in dieser Arbeit das Sprichwort um, nach welchem alle Wege nach dem einen Rom, dem antiken Nabel der Welt, führten.

Potentielle Eingriffe. Die Erschließung naturbelassener Landschaft im Bewusstsein der Rezipienten provoziert der passionierte Bergwanderer Alfred Resch durch eine Landschafts-Tastatur (2002) in den Lechtaler Alpen. Ein überdimensionales Keyboard aus Stein am Rande eines Bergweges vermittelt den Eindruck, man könnte mittels Tastendrucks individuelle Veränderungen in der Umgebung vornehmen. Dieses im Kontext von Land Art zu lesende Beispiel will der Künstler allerdings bewusst abgegrenzt wissen zu Arbeitsweisen der Kategorie Earth Works und den damit verbundenen massiven Eingriffen in die Landschaft. Vielmehr hinterlässt er mit Landschafts-Tastatur ein kontradiktorisches Denkzeichen: Wenngleich dieser alpine Bereich nahezu unberührt erscheint, ist er doch kultivierte, bewirtschaftete Landschaft, zudem den Einflüssen überregionaler Klimaveränderungen ausgesetzt und geologisch in stetiger Umformung begriffen.

ImageGeologische und meteorologische Voraussetzungen bestimmten das Thema Wasserscheide während der Kunstwoche Grafenschlag 2004. Dort realisierte Resch sein Projekt Dusche. Entlang der europäischen Nord-Süd-Wasserscheide zwischen Schrems und Waidhofen setzte er Landmarken in Form von Dreibeinen, an denen Wasserbehälter genau über der Grenzlinie des Gefälles zwischen Nordsee und Schwarzem Meer angebracht waren. An der Basis dieser Dreibeine postierte er keilförmige Körper mit Pigmentauftrag, die den Verlauf der Scheidelinie bezeichneten. Die Aufschrift „Ich schwimme mit Dir wohin Du willst" wurde bei Benutzung der Dusche abgewaschen und zum Vorschein kamen Hinweise auf die Flussrichtung „Nordsee" beziehungsweise „Südsee". Die Benutzer der Duschen leiteten außerdem durch ihren Körpereinsatz den Wasserfluss in Richtung Norden oder Süden. Für Alfred Resch ist an dieser Arbeit wiederum wichtig, dass seine Intervention einen kaum wahrzunehmenden Eingriff in natürliche Vorgänge darstellt, dominant dagegen bleibt das formale und konzeptuelle Zeichen als Verweis auf das geografische und meteorologische Phänomen; aber auch dieses ist nur für einen bestimmten Zeitraum angelegt, nach dem dieses Zeichen, ohne Spuren am Ort zu hinterlassen, wieder verschwindet.
Die hier beschriebenen wie etliche weitere Installationen und plastische Arbeiten im Oeuvre von Alfred Resch sind in ihren Entwicklungsphasen jeweils mit mehr oder weniger umfassenden Recherchen um historische, geografische oder im weitesten Sinn physikalische Bedingungen ihres Ausführungs- oder Präsentationsortes verbunden. Das Sammeln von Information und deren nochmalige Umformung in der Konzentration als Werk sind maßgeblich für den narrativen Charakter dieser Arbeiten. Ganz offensichtlich, und gerade durch die recherchebasierte Herangehensweise, stößt Alfred Resch immer wieder an Probleme individueller Interpretation von Wirklichkeiten, wie sie sich ihm in Form von Zusammenhängen oder übernommener und in der Folge verarbeiteter Bilder erschließen.

Multiple Sichtweisen. Entdecken und Verbergen bilden Parameter in der malerischen Auseinandersetzung mit Bildern aus Mikrobereichen – etwa Fotografien von Prozessen im Inneren eines Teilchenbeschleunigers – oder des Weltalls als Makrobereich, aufgenommen über Superteleskope. Wie überhaupt, machen gerade die formalen Ergebnisse von Abbildungsverfahren in den Naturwissenschaften deutlich, dass die Abbildung eine direkte Folge des dazu herangezogenen Instrumentariums ist und daher nur bedingt autonom interpretiert werden kann. Alfred Resch bedient sich solcher Mikro- und Makroaufnahmen als Motive, indem er eine erste Bildschicht teilweise mit Klebestreifen verdeckt um darüber das Bild eines zweiten Motivs zu legen. Was nach Entfernen der Klebestreifen sichtbar wird, ist eine strukturierte Überlagerung beziehungsweise Durchdringung der malerisch übertragenen Motive. Der neue Bildinhalt besteht nun aus manipulierten und akkumulierten Teilinformationen, die Sichtweisen oder Standpunkte repräsentieren. Mit dem malerischen Konzept der Schicht- oder Streifenbilder rührt der Künstler aber auch an ein steganografisches Verfahren der Informationsvermittlung, nämlich verdeckte Information durch wahrnehmbare zu transportieren.

ImageSilizium, Quarze und Metalle bilden die materielle Basis aller Informationstechnologie, die Benutzern vor allem durch Design und industrielle Serienfertigung weitgehend verborgen werden. Dem entgegnet Alfred Resch, indem er Endgeräte, die uns als Radio bekannt sind, zu Wellenfängern oder Inversradios umgestaltet. Auf einen massiven Steinträger appliziert er das elektronische Innenleben handelsüblicher Radio- und Sacktelefongeräte. Hörbar wird damit ein auf mittleren Bereich gefiltertes Frequenzspektrum aus uns ständig einhüllenden Signalwellen.

Am Samstag, 17. März um 14.00 Uhr, wird in der Galerie Kunst & Handel im Grazer Palais Trauttmansdorff, Burggasse 5, die Publikation A R Synthesis zu Arbeiten von Arnold Reinisch und Alfred Resch im Rahmen der gemeinsamen Ausstellung vorgestellt. Weitere Informationen zum Werk von Alfred Resch unter http://resch.art.googlepages.com

Wenzel Mraček

Biografie
Geboren 1962 in Graz, freischaffender Künstler seit 1981: Malerei, Objekte, Fotografie; parallel dazu Ausbildung in Elektronik sowie Studium der Architektur.

Ausstellungen: in Österreich, Deutschland, Italien, Rumänien, Norwegen

Aktivitäten: Symposien in Reutte, Grafenschlag, Am Wachtberg, 2004; Land Art, Imst 2002; Neugestaltung Hauptbrücke, Graz 2002; Internationale Gartenschau, Unterpremstätten 2000; Radiosendungen zu „Wellenfängern", 2000-2001; Inszenierungskonzept, Nationalpark Thayatal 1999; Assistent, Florö, Norwegen 1988

Publikationen: Katalog, „wellenfänger / mikro-makro", Alfred Resch 2002; „Steirische Künstler – Malerei und Grafik", 2002; Katalog, „speichersteine", Alfred Resch, 2001; Katalog, „klebebilder", Alfred Resch, 2000; Katalog zur „Internationalen Gartenschau", Cult 2000

Werke: In privaten und öffentlichen Sammlungen; u.a. Artothek des Bundeskanzleramtes, Land Steiermark, Neue Galerie Graz, Wirtschaftskammer Steiermark, Stadt Imst, Kunstsammlung Stift Admont

Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen
2005 bahnhöfe, Kunst und Bau, Ausstellung zum Wettbewerb, Montafoner Kunstforum, Schruns, Vorarlberg / raus(ch), photo_graz, Kunstraum Tratari, Graz / einschreibungen, PT(uj – gr)AZ, Schloss Ptuj, Pokrajinski Museum, Ptuj, Slowenien / klangknäuel konsumentenschutz, Arbeiterkammer Steiermark, Graz / projekte 04, Tag der offenen Tür, Atelier, Graz – 2005 rausch, Kunst im Weingarten, Perchtoldsdorf, Niederösterreich / bibliothek anders, wundersames und transformiertes, Museum Admont, Stift Admont

2004 mars, Ankäufe der Artothek des Bundeskanzleramtes, Neue Galerie, Graz / dezember, Tammerburg, Lienz, Osttirol / strip-strip-tease, erotica, Kunstraum/ Kulinarium, Graz / fotoarbeiten, M. Preiner Kunstmesse Salzburg / alfred resch, Kendrion-Kunstpreis, Lerchhaus, Eibiswald / objekte, Galerie Kunst und Handel, Graz / erstarrte landschaften, mit B. Lang u. S. Sakic, Kulturzeit, Reutte, Tirol / o.t., Lebensart, Forum Kloster Gleisdorf / dusche, Kunstwoche Grafenschlag, Vitis, Niederösterreich / alfred resch, Kunstraum, Galerie Kunst und Handel, Graz / sahara, Internationale Hollfelder Kunstaustellung, Hollfeld, Deutschland / collagen, Tammerburg, Lienz / darunter und darüber, LSAP, Wachtberg, Gars, Niederösterreich / kalvarienberg der künstler, ORF Steiermark, Graz / im rahmen, Galerie M. Preiner, Graz / kunst-empfang, ORF-Studio-Steiermark, Graz

2003 collagen, Tammerburg, Lienz - 2003 heimspiel 1, Galerie Schafschetzy, Graz / europe.cc, vororte, Haus d. Architektur, Graz / wasser, Schloss Pichl, Mitterdorf / alfred resch, Galerie art2net, Wien / wunderkammer, Atelier Griesgasse, Graz / kunsthaupt statt kunsthauptstadt, Harnisch u. Schubertkino, Graz / mikro - makro, Galerie Theodor Hörmann, Imst / 20in40, Galerie art2net, Wien

2002 positionen, WUK, Wien / land art, Muttekopfhütte, Imst, Tirol / 7ieben, Galerie art2net, Floridotower, Wien / graz intern, Forum Stadtpark, Graz / der lauf der dinge, Atelier P. Ott, Graz / raum 3, Galerie Maerz, mit Z.Oberwalder u. E.D, Linz

2001 Ausstellung, Ankäufe der Artothek des Bundeskanzleramtes, Neue Galerie, Graz / transmedial exercises, Kulturzentrum Minoriten, mit R. Kordon u. K. Frank, Graz / collezione, Galerie Schafschetzy, Graz / wellenfänger, Österreichische Mediathek, Wien / bunte hunde, Akademie, Graz / aktuelle Kunst in Graz, Workshop, Graz

2000 steinzeitliche vernetzung, Multi-Mediahaus, Würzburg / wellenfänger, ESC im Labor, mit S.Müller-Funk, Graz / buch-speicher-steine, Stift Admont / 2000 substrat, Internationale Gartenschau, Unterpremstätten u.a.

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